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Radio Sweden ist nicht mehr

„Radio Schweden ist ab heute nicht mehr zeitgemäß. Radio Schweden wird heute geschlossen, dieser Podcast ist unser letzter." Ein bisschen lakonisch ist die Moderation. Anschließend werden historische Aufnahmen gespielt, aus der Zeit, in denen Schweden den Krieg so gut wie der Haustür hatte - 1939. Damals beschloss das Außenministerium, offizielle Mitteilungen auch auf Deutsch, Englisch und Französisch zu senden. Der Anfang der späteren öffentlich-rechtlichen Redaktion war ein Staatsfunk. Mit Kritik an den Nationalsozialisten hielt man sich zurück - man wollte keine Invasion provozieren. Einige Ausschnitte kann man hier (ab 10:05) hören.


Ende für Russisch, Deutsch und den schwedischen Newsdesk

Am 8. März sendete Radio Schweden, der deutschsprachige Dienst, das letzte Mal seinen Podcast aus Stockholm - eigentlich sollte das Programm, das seit 2010 nicht mehr linear, sondern online stattfindet, erst Ende März eingestellt werden. Doch die Redakteure wurden schnell an andere Orte umverteilt, und so wickelte man sich drei Wochen früher ab. Seit dem 1. April gibt es auch die russische Redaktion nicht mehr, ebenso bleibt der schwedische Desk geschlossen, der die spannendsten Themen der fremdsprachigen Redaktionen wieder ins schwedische Programm gebracht hat.


Unter dem Dach „Radio Sweden" teilten sich die fremdsprachigen Redaktionen des Schwedischen Rundfunks (Sveriges Radio) einen Trakt des Funkhauses im Stadtteil Östermalm. Die Programme auf Persisch, Kurdisch, Somalisch, Arabisch und Englisch bleiben bestehen und werden in die Nachrichtenredaktion „Ekot" eingegliedert. Die romanische Redaktion wird an das finnischsprachige Programm angeschlossen.

Für die meisten mag ohnehin verwunderlich sein, dass es ein deutschsprachiges Programm im Schwedischen Rundfunk gab - also eine Redaktion, die auf Deutsch aus Schweden berichtete, und vielleicht sogar ein bisschen absurd, dass das Programm solange Bestand hatte. Dass es abgeschafft wurde, ist trotzdem bedauerlich. Und das nicht nur, weil ich innerhalb meines IJP-Stipendiums im letzten Jahr einige Wochen dort hospitieren durfte und vielleicht ein bisschen voreingenommen bin, weil ich die Kollegen nicht nur wegen ihrer tollen Arbeit, sondern auch persönlich schätze.


„Überbleibsel des alten Auslandsdienstes"

Erklärt hat der Redaktionsleiter Ingemar Löfgren die Abschaffung Radio Schweden gegenüber so: „Die deutsche und die russische Redaktion werden vor dem Hintergrund abgewickelt, dass die Minderheitensprachen heute so viel wichtiger sind. Deutsch und Russisch sind Überbleibsel des alten Auslandsdienstes. Nun konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Minderheitensprachen." ( Hier mehr dazu) Mit Minderheitensprachen sind vor allem die Herkunftssprachen derjenigen gemeint, die nicht freiwillig in Schweden seien, also Flüchtlingen, wie die SZ-Kollegin Silke Bigalke erfahren und aufgeschrieben hat.


Aber gerade die Situation der Flüchtlinge, die Herausforderungen, die damit einhergehen: soziale, wirtschaftliche und kulturelle Integration, gestiegene Fremdenfeindlichkeit, politische Wendemanöver von Regierungen, gestärkte rechtspopulistische Parteien sowohl in Schweden als auch in Deutschland böten eigentlich genug Stoff, um den werktäglichen Austausch fortzuführen. Zumal Europa offensichtlich immer weiter auseinander driftet.

Wenn es um Reichweite geht, hätte es vermutlich Reformen bedurft. Die Internetseite der deutschen Redaktion hatte zuletzt 4600 Nutzer pro Woche, etwa 400 hörten sich den deutschen Podcast an, wie die SZ von der Pressestelle erfuhr. Dabei gibt es eigentlich genug Deutsche in Schweden, und genug Schwedenfans in Deutschland, die alles aufsaugen, was aus dem Land kommt und einen Teil derer man möglicherweise hätte erreichen können. Dafür braucht es aber mehr Anstrengung - und nicht das Gegenteil. Denn hinter der Umorganisation steckt wohl nicht gerade die Bereitschaft, mehr zu investieren.


So viel zur deutschen Redaktion, zu deren Abschaffung ich mich aufgrund meiner eigenen Betroffenheit vielleicht in der Wortwahl zurück gehalten habe.


Abschaffung von russischem Programm in Zeiten des Propagandakriegs

Dass die russische Redaktion abgewickelt wurde, ist angesichts der geopolitischen Situation und der politischen Situation in Russland einfach ein Fehler. Allein aufgrund der Tatsache, dass die russische Seite von Sveriges Radio seit November teilweise blockiert ist, hätte man weiter machen sollen. Offizieller Grund war ein Artikel über rezeptfreie Schmerzmittel, die das häufigste Mittel zum Suizid sind. Die russischen Behörden haben das als Propaganda für Selbstmord ausgelegt, die nach russischem Gesetz verboten ist. Aber dort ist ja so einiges verboten, zum Beispiel „Propaganda für Homosexualität", hierzulande auch bekannt als freie Meinungsäußerung.

Schweden strebt (als nicht NATO-Mitglied) die Zusammenarbeit mit einer NATO-Cybereinheit an, die sich vor allem mit dem von Russland geführten Propagandakrieg beschäftigt.


In einem Leitartikel „Hela Hälsingland" schreibt Patrik Oksanen zur Schließung von Radio Sweden auf Russisch unter anderem: „Der Schwedische Rundfunk deutet die Welt falsch, indem er beschließt, die russischsprachigen Sendungen abzuschaffen. Angesichts der immer stärkeren Kontrolle der Medien in Russland besteht wirklich Bedarf an unabhängiger Information auf Russisch. An SR scheint die Debatte um den Informationskrieg und die russische Propaganda vorbei gegangen zu sein."


Zwar war es der Auftrag der russischsprachigen Redaktion, aus Schweden über Schweden auf Russisch zu berichten. Kein Demokratieunterricht für Russen, keine Russlandanalysen für Schweden. Aber sich der russischsprachigen Berichterstattung komplett zu entziehen, ist ein grober Fehler (auf Schwedisch „blunder" - hier schließe ich mich wieder der Wortwahl von Patrik Oksanen an).


Der schwedische Europaparlamentarier Gunnar Hökmark (Moderaterna) hat auf Facebook Stellung zur Abschaffung genommen. Er schreibt, dass die Entscheidung von Sveriges Radio, die russischsprachigen Nachrichtensendungen ein Beispiel dafür seien, wie Schweden in eine falsche Richtung einschlägt - in einer Zeit, in der der Bedarf an russischsprachigen Medien dramatisch steige.#


Doch nun ist es vorbei, zum ersten April endgültig auch mit Russisch. Hier der Abschiedspost von Radio Sweden auf Schwedisch: „Alles Gute hat ein Ende! Von heute an werden wir unsere Seite nicht mehr updaten und außerdem gibt es uns nicht mehr..."

Am seinem letzten Tag hatte „Radio Schweden" übrigens auch folgende Meldung im Programm: „Vor dem EU-Türkei-Gipfel hat der schwedische Ministerpräsident Stefan Lövfen vor einer humanitären Katastrophe in Griechenland gewarnt." Gerade in solchen Zeiten ist mehr gegenseitiger Austausch doch eigentlich besser als weniger.

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