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Kommentar zu Protestklamotten: Warum ein T-Shirt euch noch nicht zu Feministen macht

Bild: Instagram / Dior

Was ziehe ich morgens an? Feminismus! Super viele Klamottenlabel bringen aktuell Mode mit feministischen Botschaften auf den Markt, zum Beispiel: "Alles, was du kannst, kann ich auch - blutend." Das fängt bei Fast-Fashion-Ketten wie H&M an und geht hoch bis zu Luxuslabels wie Dior. Die Franzosen haben ein weißes T-Shirt mit dem Slogan "We Should All Be Feminists" herausgebracht. Wer Lust hat, sich das zu kaufen: Das T-Shirt kostet schlappe 550 Euro. Von Dior gibt es übrigens auch ein gestreiftes Longsleeve mit dem Aufdruck "Why Have There Been No Great Women Artists?" - "Warum gab es keine großartigen weiblichen Künstler?"


Es steht auf deinem T-Shirt? Google it, baby

Tatsächlich ist "Why Have There Been No Great Women Artists?" ein Essay, das die Historikerin Linda Nochlin 1971 geschrieben hat und in dem sie erklärt, welche institutionellen Hürden Frauen daran hindern, in der Kunstwelt ähnlichen Erfolg zu haben wie ihre männlichen Kollegen.


Nun kann das von Dior so schlau und feministisch gemeint sein, wie es will, das musste nach hinten losgehen. Denn wäre die Marke Dior schon seit Jahrzehnten für Feminismus bekannt, hätten die Kritiker der Botschaft wahrscheinlich blind vertraut. So aber gab es vor allem von Mode-Bloggern ausgehend einen ziemlichen Shitstorm, weil viele nicht wussten, woher Dior diesen Spruch hatte. Sie dachten an die vielen tollen Künstlerinnen wie Frida Kahlo und empfanden den Slogan als Affront: "Wie jetzt, Dior denkt, es gäbe keine weiblichen Künstler? Sind die total bestreuselt?" Seitdem frage ich mich: Weiß auch von den Käuferinnen keine, was sie da eigentlich trägt?


Feminismus - die Gleichheit aller Menschen und aller Geschlechter - ist mittlerweile so cool und in der Popkultur angekommen, dass gar nicht mehr nachgefragt wird, woher er kommt. Serien, Musik, Filme sind aktuell voll von feministischen Statements. Aber wie wir die verstehen und wem wir die Slogans abnehmen können, dazu gibt es keinen Leitfaden.

Lasst Feminismus nicht zur Ware werden

Das beste Beispiel für gelebten Popfeminismus ist wohl Beyoncé. Ihr Auftritt bei den MTV Video Music Awards 2014 galt in der Poplandschaft als Meilenstein für den Feminismus - obwohl auch sie sich dabei ungefragt bei einer Feministin bedient hat: Chimamanda Adichie und deren TED-Talk "We Should all be Feminists".


Beyoncé live at MTV VMA's 2014 - HD from Beyhive Video on Vimeo.


Zu Beyoncés Vorstellung von Feminismus gehört auch ihr Label "Ivy Park". Die Sportklamotten sollen Frauen stark und selbstbewusst machen, wie sie im Interview mit dem Modemagazin Elle erzählt hat. Klingt ja eigentlich echt feministisch, oder?


Da gibt es nur ein Problem: Queen Bey lässt ihre Klamotten in Sri Lanka produzieren. Die Näherinnen verdienen weniger als die Hälfte von dem, was man in Sri Lanka zum Überleben braucht. Außerdem hat es die Firma, in der Beyoncés Kollektion produziert wird, wohl nicht so sehr mit Gewerkschaften. Es gibt ein Vereinigungsverbot. Dass ihre Marke unter anderem bei Topshop hängt, die wiederum quasi das Synonym für Fast Fashion sind, hilft da auch nicht viel.


Super-Geschäftsfrau hin oder her, feministisch ist es nicht, wenn Frauen im einen Teil der Welt zu einem Hungerlohn schuften müssen, damit das Unternehmen einer anderen Frau in einem anderen Teil der Welt Millionengewinne erzielt. Spätestens da vergeht mir die Lust auf Popfeminismus und die Illusion, dass bedruckte T-Shirts die Welt verbessern.


T-Shirts helfen nicht, wenn die Message unklar ist

Darf also niemand Klamotten mit feministischen Messages verkaufen? Beyoncé für ein Interview zu bekommen und mit ihr darüber zu quatschen, ist leider etwas schwierig. Beim Münchner Label Womom kann man einfacher nachfragen. "Womom" ist eine Kreuzung aus "Woman" und "Mom", soll aber ein Label für alle sein. Das "Milk"-Shirt tragen laut den Gründerinnen zum Beispiel auch Leute, die keine Milch mehr trinken können - und nicht nur stillende Frauen, also Mütter.


Die Hauptaussage von Womom erklärt Mitgründerin Kerstin Rothkopf so: "Wir haben uns damals während der Schwangerschaft gedacht, dass man jetzt mit der Mutterrolle in eine Schublade geschoben wird. Auch mit Modethemen. Und warum muss man überhaupt einen Unterschied machen, ob eine Frau Mutter ist oder nicht?"


Meint ihr wirklich, was ihr da tragt?

Für Kerstin Rothkopf und Annette Granados Hughes, die Mitbegründerin von Womom, kann diese Diskussion am leichtesten über Mode angestoßen werden. Für den Feminismus auf die Straße gehen, ist eher nicht so ihr Ding. Annette meint: "Ich habe immer mit Frauen gearbeitet und in einer reinen Frauenband gespielt, mir sind die Themen auch wichtig, aber mir ist es viel wichtiger, die feministischen Ideen im Gedanken dabei zu haben." Und auch Kerstin fragt sich, was eigentlich hinter der Feminismus-Bewegung steckt, wie viel da ernst gemeint ist und wer eigentlich nur auf den Trendzug aufspringen will, "wir wollen das auf jeden Fall nicht".


Trotzdem machen die beiden T-Shirts, deren Kern ja doch irgendwie feministisch ist. Dass sie damit aber den Feminismus verraten, haben sie noch nie gehört. Kerstin meint: "Ich glaube, das liegt auch daran, dass auf unseren T-Shirts keine plakativen Sprüche stehen." Die Motive sind tatsächlich eher subtil. Das ist wohl auch der größte Unterschied zu den Global Playern in der Modebranche. Wer die Botschaft bei Womom sehen will, muss erst mal nachdenken und sich mit dem Thema auseinandersetzen. Und so können Protestshirts tatsächlich auch funktionieren.


Denn klar, es ist super cool, wenn wir in der Fußgängerzone, der Schule, der Uni mit der Ungleichheit der Geschlechter konfrontiert werden - weil es zum Nachdenken anregt, ganz ohne Parolengeschrei und Protestplakat. Aber Klamotten mit Protestaufdruck allein helfen halt nicht. Wenn nichts hinter den Worten steckt, sind die T-Shirts leider nur modische Hülle. Dann verstaubt das T-Shirt mit dem "Feminism Now"-Aufdruck beim nächsten Trend in der hintersten Ecke des Kleiderschranks. Und das war's dann mit dem Feminismus.


Sendung: PULS Spezial vom 13.02.2018
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