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Modebloggerin Jessie Weiß: Von draußen in die Front Row

Bildrechte: Jessie Weiß / Journelles

Jessie Weiß ist eine der bekanntesten deutschen Modebloggerinnen und bloggt seit zehn Jahren. Seitdem haben sich Tausende in der Fashionszene probiert, der Druck und die Konkurrenz wachsen. Trotzdem rät Jessie: Mach‘ dein Ding.

Das erste Foto, das Jessie Weiß jemals von sich auf einen Blog gestellt hat, war ein einfaches Porträtfoto. Das war 2007. Was seitdem passiert ist: zwei erfolgreiche Blogs, Jobs als Chefredakteurin und Moderatorin, ein eigenes Klamottenlabel. Achja und das Internet natürlich, das hat sich verändert. 


Als Jessie Weiß mit ihrer Freundin Julia Knolle ihren ersten Blog gründet, gibt es noch MySpace. Und in Deutschland schreibt kaum ein anderer Modeblogger. "Ich kannte eigentlich auch nur den Streetstyle-Blog 'Facehunter,'" sagt Jessie. Bei dem Pionier der internationalen Blogszene haben Jessie aber die geschriebenen Texte zu den Fotos gefehlt.

Sie gründen "LesMads". Ursprünglich war das als Projekt im Studium gedacht, aber daraus wurde nichts. "Wir wollten einen Ort haben, wo wir unabhängig von einer Plattform unsere Gedanken sammeln können," erinnert sich Jessie. 


Von Spiegelselfies zu den internationalen Modewochen


"LesMads" sorgt schnell für Aufsehen. Bis zu 700.000 Leser erreicht der Blog im Monat, das sind mehr als die meisten klassischen Modezeitschriften. Und das ohne Hochglanz-Photoshootings, sondern mit Spiegelselfies aus den Umkleidekabinen von Vintage-Läden. Jessie Weiß und Julia Knolle müssen kämpfen, überhaupt zu Modenschauen zu kommen oder gar in Presseverteiler aufgenommen zu werden.


"Wir haben angefangen, als das Metier komplett neu war, mussten uns quasi erklären, professionalisieren. Uns überhaupt zu etablieren war sehr, sehr schwierig. Dass das Ganze überhaupt ein Job werden konnte, war damals unvorstellbar." Jessie Weiß


Sie schreiben so viele Menschen an, bis sie auf die Fashion Weeks nach Berlin, New York und Australien dürfen. Der Laptop ist ihr ständiger Begleiter. Die Artikel und Fotos stellen die beiden sofort online – eine Neuheit in den 2000ern. Wer wissen will, was auf der Fashion Week los war, muss sonst bis zur nächsten Ausgabe der Vogue oder InStyle warten. Das Internet und Blogs haben die Mode auf eine gewisse Weise demokratisiert und auf Augenhöhe gezogen, meint Jessie. 


Auf "LesMads" fragen sie die Leser, wie ihnen ihre Outfits gefallen: "Wir haben die Leser immer live an die Hand genommen und sie durch unsere Augen das Ganze miterleben lassen. Und das hat quasi schon Instagram ersetzt, obwohl es das noch nicht mal gab." 

Nach einem Jahr verkaufen die beiden ihren Blog an einen Verlag – alles parallel zu ihrem Studium, mit gerade einmal 20 Jahren. Die beiden können vom bloggen leben. Trotzdem steigt Jessie 2011 bei "LesMads" aus und gründet 2012 ihr Blogazine "Journelles".


Viele Leute erwarten das Falsche vom Blogger-Leben


Mittlerweile gibt es nicht nur Blogger, es gibt Influencer, Instagram-Models und YouTube-Stars. Für Jessie Weiß sind Social-Media-Kanäle Teil des großen Ganzen. 


"Für mich sind Instagram, Facebook und Snapchat sehr wichtig, um meine Website zu pushen. Ich bin aber immer noch der Fan vom geschriebenen Wort und auch von echten Inhalten und Texten und glaube, dass der Deutsche wirklich auch daran interessiert ist und dass ihm Bilder langfristig nicht reichen. Und dieses Durchscrollen wie bei Instagram wird auf Dauer eben langweilig." Jessie Weiß über Social Media


Instagram ist das, was heute viele Leute dazu bewegt, überhaupt mit dem Bloggen anzufangen. Fotos von Luxus-Taschen und Traumreisen sollen belegen, was für ein geil-glamouröses Leben der Blogger so führt. 


Auch Jessie zeigt gerne mal ihre neue Tasche oder das neue Paar Designerschuhe. Das ist ja schließlich auch ihr Job: Die neueste Mode präsentieren. Sie sagt aber auch ganz klar: Wegen der schönen Geschenke sollte niemand Blogger werden. "Das sind die falschen Beweggründe. Wir haben wirklich aus einer Leidenschaft fürs Schreiben und auch für die Mode damit begonnen," sagt sie. "Ich möchte mich eigentlich dafür stark machen, dass es auch wieder mehr in diese Richtung geht und nicht nur, um sich ein krasses Jetset-Leben zu leisten, was halt wirklich keine krassen oder besonderen Inhalte mehr abbildet."


Bloggen kann heute quasi jeder. Aber Jessie meint: Wer wirklich erfolgreich sein will, muss sich mehr denn je selbst zur Marke machen und sich genau überlegen, wie der eigene Blog besonders herausstechen kann: "Man braucht einen neuen Blickwinkel, besonders hochwertige Fotografie und ein besonders einzigartiges Layout, das sich von all dem Einheitsbrei da draußen abhebt." Im Gegensatz zu früher kann man als Blogger seine Artikel nicht mehr wahllos rausballern, sondern muss genau planen, wann was auf welcher Plattform online geht. Und überhaupt ist es schwerer geworden, gute Themen zu finden – weil Promis und Labels sich auf den sozialen Medien selbst so stark präsentieren.

Der Druck ist also groß. Trotzdem würde sich Jessie wünschen, dass sich die Bloggerszene wieder entschleunigt. Und dass ihre Kolleginnen nicht so viel darauf schauen sollten, was andere haben oder was bei anderen besser läuft. „Ich glaube, dass das nicht gesund ist, wenn man nur schaut, was eben der andere hat und das wird die ganzen Mädels auf Dauer auch nicht glücklich machen“, erzählt Jessie.


Ihr wichtigster Rat: Entwickel' dich immer weiter. Vernetz' dich mit anderen Bloggern. Und schreib' gute Texte – ohne Rechtschreibfehler. Nicht für Dich selbst, nicht für Firmen, sondern für die Leser. Wohl auch so ein Ding, warum sie seit zehn Jahren so erfolgreich als Bloggerin unterwegs ist.


Hier geht's zum Original.


Sendung: Filter, 22.05.2017, ab 15 Uhr

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