Stand: 30.04.2019 14:45 Uhr
von Verena von Ondarza, NDR Info Wirtschaftsredaktion
Mehr Frauen auf Führungsposten - das ist ein Ziel, das viele Unternehmen formulieren. Doch nur in wenigen ist das schon Realität. Die Firmen Bosch und Vaude haben sich auf den Weg gemacht, an ihren eigenen Strukturen zu arbeiten.Antje von Dewitz ist Mutter von vier Kindern und Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude. An ihrem ersten Arbeitstag im Familienbetrieb war sie schwanger mit ihrem ersten Kind. Seit diesem Tag beschäftigt sie die Frage, wie sich Familie und Karriere vereinbaren lassen: "Ich habe eigentlich noch nicht wirklich gearbeitet, bevor ich Kinder hatte. Das verändert schon viel. Ich wollte dem Unternehmen gerecht werden und von Anfang an auch meiner Familie. Also stellte sich mir die Frage: Wie kann ich es schaffen, ein Unternehmen zu führen, und meiner Familie gerecht zu werden - als Frau?"
Viele Frauen haben Angebot abgelehntAls sie Vaude dann von ihrem Vater übernahm, veränderte sie die Führungsstruktur, wollte mehr delegieren, schuf zusätzliche Führungsposten. Nur so war für sie die Aufgabe der Geschäftsführung mit ihrem Familienleben vereinbar. Aber als sie die neuen Posten mit Frauen besetzen wollte, wurde sie von deren Reaktionen überrascht: "Ganz oft kam die Antwort: 'Ich fühle mich total geehrt, aber nein.' Auf die Nachfrage, warum denn nicht, kam häufig die Antwort: Arbeiten bis in die Puppen ginge nicht. Dazu hätten sie auch gar keine Lust."
"Vertrauensarbeitszeit" geschaffenSie erkannte, dass die Unternehmenskultur sich ändern musste - nicht nur auf der Führungsebene. Statt fester Arbeitszeiten gilt bei Vaude heute für einen Großteil der Beschäftigten die sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Wer mag, kann sich tagsüber um seine Kinder kümmern oder in die Berge gehen und sich dann abends an den Schreibtisch setzen. Das Angebot nutzen insgesamt gut 60 Prozent der Angestellten bei Vaude. Außerdem arbeiten fast die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit. Inzwischen ist auch der Anteil von Frauen in Führungspositionen hoch. Er liegt bei 43 Prozent.
Familienauszeit als Karriere-PlusDavon ist man beim Konzern Bosch noch weit entfernt. 16,5 Prozent der Führungskräfte weltweit sind hier weiblich. Zahlen für Deutschland legt das Unternehmen nicht vor. Damit sich das künftig ändert, hat Bosch ein Baustein-Modell entwickelt. Wer sich auf einen Führungsposten bewerben will, muss in verschiedenen Geschäftsbereichen und im Ausland gearbeitet haben. Außerdem braucht er oder sie Erfahrung in der Projektleitung und in der Mitarbeiterführung. Aber eine Auszeit für die Familie kann einen dieser vier Bausteine ersetzen. Sandra Rathmann, Diversity-Beauftragte am Standort Stuttgart-Feuerbach, sagt: "Wer Familienzeit zum Beispiel mit Kinderbetreuung oder mit der Pflege von Angehörigen verbringt, lernt vieles - organisatorische Dinge, Zeitmanagement -, was wir so im Unternehmen gar nicht vermitteln können."
Modell bei Mitarbeitern noch wenig bekanntWie viele Frauen und Männer das Modell nutzen, wird bei Bosch allerdings nicht erfasst. Bis es nachhaltig wirkt, muss es im Unternehmen wohl noch bekannter werden. Am Standort Hildesheim jedenfalls war selbst dem Betriebsrat die Möglichkeit nicht bekannt.
Aber für die, die es nutzen, kann es ein Karrieresprungbrett sein. Das sagt Sandra Rathmann auch aus eigener Erfahrung: "Ich habe drei Kinder, war dreimal in Teilzeit, in Elternzeit arbeitend und hatte mich auf eine Tätigkeit im Einkauf beworben. Ich wollte gerne Abteilungsleiterin werden, also die nächsthöhere Stufe erreichen." Statt Projektleitungserfahrung warf sie damals ihre Familienzeit in den Ring - und bekam den Job.
Serie: Über Männer und Frauen in der Arbeitswelt
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NDR Info | Wirtschaft | 08.05.2019 | 07:41 Uhr