Von Xaver Pfister
Im nicht angenommenen Brief schreiben die Frauen: „Auf den Weg gebracht hat uns Ihr Vorbild: die Weise, wie Sie Zeichen setzen. Papst Franziskus, Sie bewirken, dass viele Menschen inner- und ausserhalb der Kirche aufhorchen, ja aufatmen. Ihre Worte und Gesten rühren an und erinnern an das Wesentliche des christlichen Glaubens. Sie nähren die Hoffnung auf ein menschlicheres Gesicht der Kirche. Wir leiden darunter, dass viele Frauen sich in unserer Kirche fremd, nicht ernst genommen oder unwillkommen fühlen, weil sie zu wenig in verantwortlichen Gremien eingebunden und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Diese Anfragen von vielen lagen zuoberst in unserem Gepäck, und wir vertrauen sie nun Ihnen, als Hirten und Lehrer unserer Kirche an. Lieber Papst Franziskus, wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in den gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können. Frauen und Männer unserer Kirche warten darauf und werden es Ihnen danken - und die Kirche kann dabei nur gewinnen, wenn Frauen ihre Gaben und Charismen besser als bisher einbringen können".
Frauen lässt man ins Leere laufen. Was hat nun dieses Projekt gebracht, wurde Hildegard Aepli, Initiantin des Projekts "Für eine Kirche mit den Frauen" gefragt. Ihre Antwort: „Er hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch unser Pilgern ist sehr viel in Bewegung gekommen." Eva Maria Faber, Theologieprofessorin an der Theologischen Hochschule Chur, meint: „ Als wir vor mehr als zwei Jahren mit der Planung des Projektes begonnen haben, hätte ich persönlich nicht gedacht, dass daraus so etwas Grosses wird. Ich bin einfach nur dankbar."
So weit gut und schön. Ich ziehe ein ganz anderes Fazit. Der Vatikan hat die pilgernden Frauen auflaufen lassen. Niemand ist ihnen aus der Burg entgegengelaufen. Die Frauen waren am 2.Juli in Rom. Weder der Papst noch irgendeine wichtige Persönlichkeit wie zum Beispiel der Kardinalstaatssekretär, empfing die Frauen. Hildegard Aepli meint dazu: „Insgesamt wurden zwei Briefe verschickt. Einer ging direkt an die Adresse der Heiligen Vaters und einer über den Nuntius. Wir haben konkret um eine Audienz oder eine Eucharistiefeier mit dem Papst angefragt. Zur Antwort bekamen wir, dass der Papst am 2. Juli Ferien habe. Inzwischen haben wir allerdings erfahren, dass er sich am Samstag mit der neuen römischen Bürgermeisterin getroffen haben soll und erst am kommenden Donnerstag in die Ferien fährt. Ich gehe davon aus, dass er gar nichts von uns weiss." Das ist Kommunikationsverweigerung! Nehmen wir wahr, was hier geschieht:
- Die Bischöfe Markus Büchel und Felix Gmür werden im Regen stehen gelassen.
- Manch päpstliches Wort wird fragwürdig. Die offene Diskussion über den Zölibat, zu dem der Papst Bischof Franz Kräutler ermutigte, endet mit dem Votum „Keine Diskussion über den Zölibat." Die Frage stellt sich, ist der Papst ein Populist? Freundlich in der Begegnung, pointiert konservativ in der Lehre.
- Die angestossene Diskussion zum Diakonat der Frau hat zur Bildung einer Kommission geführt. Diese soll das Diakonat von Frauen in der frühen Kirche untersuchen. Eine Retrokommission also ohne Reformauftrag.
Bedeutende Kardinäle wollen endlich einen Systemwandel und das Diakonat der Frau. Kardinal Karl Lehmann votiert schon lange für das Diakonat der Frau und für eine mögliche Aufhebung des Pflichtzölibates. Kardinal Reinhard Marx äussert sich in einem in Amerika gegebenen Interview eindeutig. Er halte die „Entklerikalisierung der Macht" in der Römischen Kurie und in den Diözesen für wichtig, erklärte Marx. „Wir müssen auf das Kirchenrecht sehen und theologisch darüber nachdenken, welche Aufgaben unbedingt Priester erfordern. Alle anderen Aufgaben, im weitest möglichen Sinn, müssen Laien offen stehen, Männern wie Frauen, aber besonders Frauen."
Die Frauen sind nicht so deutlich aufgetreten wie Marx. Sie sind mit einem vorsichtigen, liebenswürdigen Slogan nach Rom gepilgert: „Für eine Kirche mit den Frauen". Aber schon dies war offenbar zu viel.
Der Skandal weckt den Zorn. Ich bin zornig, wie selten. Schon der sanfte, schonende Slogan „Für eine Kirche mit Frauen" prallt an den vatikanischen Mauern ab. Was der Papst versprach: Frauen mit Verantwortung in der Kirchenleitung, ernsthafte Diskussion zum Diakonat der Frau. Seine wir ehrlich. Das ist Makulatur allen Gesprächen voraus schon Makulatur. Das Nichtreagieren des Papstes und seiner Kurie auf den liebenswürdigen Slogan „Für eine Kirche mit Frauen" ist ein Nein gegen Frauen, die Verantwortung übernehmen wollen. Die Kirche bleibt unerträglich frauenfeindlich. Ob es möglich ist, darin einen langen Atem zu haben? Dazu riefen die beiden Schweizer Bischöfe auf. Diesen Aufruf zum langen Atem höre ich Zeit meines Lebens und er wird auch, wenn ich endgültig ausgeatmet habe, noch immer ergehen, wie damals und heute. Ist dieser Aufruf nicht einfach der Ruf ins Hamsterrad? Wollen wir denn noch weitere Jahrhunderte in diesem Rad pilgern, das uns nur immer dorthin führt, wo wir schon immer waren? Die Freundlichkeit des Papstes, die an ihm so geschätzt wird, ist also offenbar keine Frauenfreundlichkeit. Kann man jetzt noch freundlich sein? Sicher nicht unanständig, aber widerständig, widerständiger weiterhin und immer mehr. Der Aufruf zum Durchhalten genügt nicht mehr.
Xaver Pfister, Theologe und Mitglied des Vorstands des Förderverein aufbruch. Der Kommentar erscheint in einer kürzeren Version in der nächsten aufbruch-Ausgabe am 28. Juli 2016.