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Fliegen: Die Fliege inspiriert die Robotik

Wendig und flink - das ist die Fliege nur, weil sie zwei verschiedenen Muskeln zum Fliegen hat. Die großen Muskeln sind für die ruckartigen Wendemanöver zuständig, damit kann das Insekt seine Flügel kippen. Die kleineren Flugmuskeln sorgen für den schnellen Flügelschlag. Der ist notwendig, damit sie sich in der Luft halten kann. Denn Fliegenflügel haben eine zu geringe Tragweite, um zu gleiten wie der Vogel oder ein Schmetterling.

200 Mal in der Sekunde bewegen sich die Flügel der Drosophila auf und ab. Diese schnelle Bewegung verursacht auch das typische Summen von Fliegen und anderen Insekten. "Möglich sind diese schnellen Bewegungen nur durch spezielle Flugmuskeln", sagt Frank Schnorrer, Laborleiter am Max-Planck-Institut für Biochemie.

Denn diese haben eine andere Struktur als normale Beinmuskeln: Die Muskelstränge sind nicht parallel, sondern gekreuzt. Durch diesen Aufbau können sie sich gegenseitig anregen und vielfach schneller kontrahieren.

Frank Schnorrer hat herausgefunden, dass die Fliege für die Bildung dieser Flugmuskeln ein ganz besonderes Gen hat. In einem Experiment züchteten die Fliegenforscher Fliegen, denen dieses Gen namens Spalt fehlte. "Das Ergebnis waren Tiere, die zwar lebensfähig waren, aber nicht fliegen konnten", berichtet er. Denn ohne das Gen bildeten die Fliegen anstelle der Flugmuskeln lediglich normale Beinmuskeln, die nicht so schnell kontrahieren können.

Einmal das Flugverhalten der Fliege verstanden, wollen Forscher die effiziente Technik des Insekts für kleinste Flugobjekte nachahmen. Am Institut für Robotik der Technischen Universität Delft haben sich die Wissenschaftler von der Fruchtfliege Drosophila inspirieren lassen.

"Mit der 'DelFly' wollten wir den effizienten Flügelschlag der Drosophila so genau wie möglich nachbauen", sagt Laborleiter Guido de Croon. Besonders knifflig für die Forscher war die Konstruktion des Winkels, in dem sich die Flügel auf und ab bewegen. "Wir haben viele Jahre experimentiert, um den perfekten Winkel, Material und Flügelform zu finden. Ziel ist es, dass die 'DelFly' sich so lange wie möglich in der Luft halten kann", sagt De Croon.

Das war im Jahr 2005. Mittlerweile hat das Team um De Croon die "DelFly" soweit optimiert, dass sie selbstständig fliegen kann, ohne gegen die Wand zu steuern. Sie ist der weltweit erste autonome Flugroboter mit Flügelschlag.

Die Forscher rüsteten die Robo-Fliege mit einem Kamerasystem aus, das Distanzen wahrnimmt und Ausweichmanöver einleiten kann. "Mit dieser Technik fliegt die 'DelFly' etwa 10 Minuten im Kreis herum", sagt De Croon. Dann ist ihre Batterie leer.

Ihre flinken Ausweichmanöver hat die echte Fliege nicht nur ihren Muskeln zu verdanken. Zunächst einmal entstehen alle Bewegungsabläufe auch bei dem kleinen Insekt im Gehirn. Forscher des Münchener Exzellenzclusters Cognition for Technical Systems (CoTeSys) haben deshalb das Fliegenhirn und seine Funktionsweise genau unter die Lupe genommen.

Sie entwickelten schließlich auch die Software, mit dem die "DelFly" Gegenständen blitzschnell ausweichen kann. Damit gelang es ihnen erstmals, kleine Flugroboter zu entwickeln, dessen Flugmanöver nach dem Vorbild der Fliegengehirne gesteuert werden.

Für ihre Experimente bauten die Wissenschaftler einen Flugsimulator extra für Fliegen. Darin wurden den Versuchsinsekten verschiedene Muster, Bewegungen und andere visuelle Reize vorgespielt. Die Forscher beobachteten die Reaktionen der Insekten.

Mit überraschendem Ergebnis: Fliegen nehmen nicht einzelne Bilder, sondern Bewegungen wahr. Nähert sich eine Fliege Objekten, sieht sie also keine scharfen Umrisse und Formen wie wir, sondern sogenannte "optische Flussfelder". Dabei verarbeitet das Fliegenhirn pro Sekunde viermal so viele Einzelbilder, wie der Mensch - obwohl es nur die Größe eines Stecknadelkopfes hat.

"Die Schaltkreise des Fliegenhirns sind simpel, aber perfekt verknüpft und verarbeiten Reize deshalb höchst effizient", erklärt de Croon. Dies ermöglicht dem winzigen Insekt, blitzschnell zu reagieren und zum Beispiel Fliegenklatschen zu entwischen.

Die Software der Münchner reagiert auf äußere Reize mittlerweile schon fast so gut wie sein Vorbild, das Drosophila-Gehirn. Ziel der Forscher für die Zukunft ist es, Robotern eine Art " Künstliche Intelligenz" zu verleihen und damit die Kommunikation zwischen Mensch und Computer zu ermöglichen. Die Roboter könnten sich dann in unserer Umgebung selbstständig zurechtfinden und blitzschnell Befehle ausführen oder fahrenden Autos ausweichen.

Bei der Entwicklung der "DelFly" verfolgt De Croon etwas andere Ziele. Er bastelt derzeit an einem Programm, mit dem seine Robo-Fliege auf Gerüche reagiert. "Die 'DelFly' soll nicht nur sinnlos im Kreis fliegen: Sie soll sich durch offene Türen und Fenster bewegen und das Haus erkunden, indem sie Gerüche wahrnimmt", sagt er. Das Vorbild dabei ist wieder die Fruchtfliege, die über den Duft immer zum Obstkorb findet.

Der Holländer ist bereits dabei, eine Roboterfliege mit chemischen Sensoren zu entwickeln. Das Knifflige daran: Sie muss leicht sein wie eine Feder. "Wir müssen sehr effizient planen, denn bei fliegenden Systemen kann man nicht so viel Gepäck mit an Bord nehmen", erklärt der Forscher. Dabei wiege die "DelFly" selbst bereits 16 Gramm und die Kamera vier Gramm.

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