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Freiwillig in die Schule - Ferien fallen ja eh aus

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eine Idee: Wie wäre es, wenn die Sommerferien verkürzt würden, um in der Zeit Unterrichtsstoff nachzuholen und zu verfestigen? So könnte man auch die Eltern entlasten, die neben der Kinderbetreuung von zu Hause arbeiten. Die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen würden eine Reise in den Sommerferien sowieso unwahrscheinlich machen, warum die Zeit also nicht nutzen?

Wie es aussieht, finden viele diese Idee gar nicht so schlecht. Eine Mehrheit der Bundesbürger befürwortet Schäubles Vorschlag laut einer Studie des Meinungsforschungsinstitutes Civey, die von der Augsburger Allgemeinen Zeitung in Auftrag gegeben wurde. Aber es gibt auch sehr viele Gegner. Und die sind laut.

"Herr Schäuble, wenn dies hier mein Jahresurlaub und die Sommerferien meines Sohns sind, dann teilen Sie das bitte unseren Schulleitungen mit", schreibt eine Nutzerin beim Nachrichtendienst Twitter. Sie sei selbst Lehrerin, ihr Sohn acht Jahre alt. "Derzeit arbeiten wir nämlich beide mehr als sonst und mehr als wir müssten. Wenn uns dafür der Sommer gestrichen wird, stellen wir das ein."

Unterricht zu Hause? Für viele unmöglich

Diese Aussage steht beispielhaft für die Meinung vieler - besonders von Schülern und Lehrern. Und auch bei den Kultusministerien der Länder und den Bildungspolitischen Sprechern der Fraktionen hat Schäubles Vorschlag nur wenig Zustimmung eingebracht - noch nicht mal bei seiner eigenen Partei: "Die Zeit, die Eltern und Kinder füreinander haben, ist eh schon knapp", sagt Dietlind Tiemann (), Mitglied der Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt". Ferien für Präsenzunterricht zu nutzen, hält sie deswegen für falsch. Klar sei aber auch, dass der Nachholbedarf für einige Schüler enorm sein werde, wenn die Schule wieder losgeht.

Schäubles Vorschlag trifft den Kern eines großen Problems: Auf der einen Seite stehen die Familien, die durch die doppelte Belastung von Homeoffice und Unterricht von zu Hause an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen und deswegen erholsame Ferien als Auszeit dringend nötig haben. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass für viele Kinder gar kein Unterricht von zu Hause aus möglich war: Sei es, weil sie sich ohne den Präsenzunterricht und Leistungsnachweise schwer zum Lernen motivieren konnten. Sei es, weil sie keinen Ort in ihrem Zuhause haben, an den sie sich zurückziehen können, um dort konzentriert zu arbeiten. Geschweige denn, dass jedes Kind Zugriff auf ein mobiles Endgerät hat, von dem aus die Aufgaben bearbeitet werden sollen.

Birgit Leyendecker, Psychologieprofessorin und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfamilienministeriums für Familienforschung und politik hat noch eine andere Idee. "Wie wäre es denn, wenn wir statt einer Verkürzung der Ferien eine Art freiwillige Summer School für die Schülerinnen und Schüler anbieten?" Sie stellt sich eine Mischung aus Betreuung der Kinder und der Möglichkeit, Lernstoff aufzuholen und zu festigen, vor, zum Beispiel in den letzten beiden Wochen der Sommerferien.

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