3 subscriptions and 0 subscribers
Article

„Ms Marvel" bei Disney+: Eine pakistanische Superheldin

Eben noch mal schnell die Welt retten, das kann Ms Marvel (Iman Vellani) durchaus. Bild: AP.

Aus dem Hause Marvel kennen wir inzwischen neben Actionreißern auch Comedy. Mit „Ms Marvel“ folgt nun ein High-School-Drama. Weltrettung ist wie stets inklusive.

Sie ist jung, schlagfertig und eine Superheldin: Ms Marvel, die nicht aus Eitelkeit oder fehlender Kreativität den Namen des gleichnamigen Franchises gewählt hat, sondern ihrem großem Idol Captain Marvel alias Carol Danvers nacheifert. Auf einem Kostümwettbewerb tritt die sechzehnjährige Schülerin im blau-roten Anzug der Weltraum-Ordnungshüterin auf und entdeckt zum ersten Mal ihre eigenen Kräfte.

Im echten Leben heißt die neueste Superheldin aus Disneys Serien-Repertoire Kamala Khan und hat die Probleme eines ganz normalen Teenagers. Die Eltern sehen in ihr immer noch das kleine Mädchen, der neue Mitschüler verdreht ihr den Kopf und - da war doch noch was? Ach ja, mit ihrer Fähigkeit, Energie zu bündeln und daraus Objekte formen zu können, muss Kamala erst umzugehen lernen. Ein echtes Coming-of-Age-Drama eben. Tom Holland hat es als Peter Parker in „Spiderman: Homecoming" vorgemacht, die Schauspielerin Iman Vellani steht ihm bei ihrem Leinwanddebüt in nichts nach. Weit entfernt von der auf Äußerlichkeiten begrenzten Oberflächlichkeit manch anderer Frauen im Superhelden-Genre, spaziert eine herrlich normale Kamala durch ein buntes New Jersey voller Leuchtreklamen. Die zeigen nicht nur neonfarbene Lettern, sondern im gegenwärtigen Jahrzehnt auch Emojis. In der stark mediatisierten Welt von Kamala Khan sind Instagram-Likes und Facebook-Livestreams eine Selbstverständlichkeit. Der Klassenkameradin Zoe steigen ihre halbe Million Follower zu Kopf, Scott Lang alias Ant-Man spricht in einem Podcast über sein „großes, kleines Ich". In dem seit Jahren betriebenen „World-Building" verzichtet Marvel selbstverständlich nicht auf Querverweise zu anderen Eigenproduktionen. Selbstreferenzialität steckt schließlich schon im Namen der Serie.

Soll sie etwa die Welt retten?

Wir befinden uns in Phase 4 des Marvel Cinematic Universe, nachdem Thanos' Schnipsen die halbe Menschheit ausgelöscht und „Earth's Mightiest Heroes" den Schaden wieder rückgängig gemacht haben. Kein Wunder also, dass Kamala und ihr bester Freund Bruno große Avengers-Fans sind. Wer könnte es ihnen verdenken? Ein wenig Kamala steckt wohl in jedem Marvel-Fan und das zu sehen, macht großen Spaß. Wie könnte man sich auch nicht mit einer Figur identifizieren, die ihre Obsession genauso auslebt, wie man selbst gerade vor dem Bildschirm? Einer Figur, die obendrein der erste muslimische Hauptcharakter des Marvel-Universums ist. 2013 ist Ms Marvel das erste Mal in einem Comicheft erschienen, neun Jahre später rettet die amerikanisch-pakistanische Superheldin auf dem Bildschirm die Welt.

Besonders auffällig: Diversität ist bei „Ms Marvel" keine Randnotiz, sondern Hauptanliegen. Die Chefproduzentin Bisha K. Ali, selbst pakistanischer Herkunft, kreiert eine Protagonistin, deren Religion und Kultur nicht nur ihre Identität ausmachen, sondern auch die Handlung bestimmen. In einer Szene beteuert Kamala, ein pakistanisches Mädchen aus New Jersey sei wohl kaum dazu bestimmt, die Welt zu retten. Ihre Freundin Niaka erklärt, dass sie für manche zu weiß, für andere zu ethnisch sei und ihren Hidschab mit Stolz trage. Obendrein kandidiert sie für den Rat der örtlichen Moschee. Die junge amerikanisch-pakistanische Generation steht ein für Selbstbestimmung und Empowerment. Ein wenig Geschichtsunterricht zur britischen Kolonialherrschaft, der Teilung Indiens und dem Bangladesch-Krieg gibt's noch mit dazu. Wären da nur nicht die Probleme mit den strengen Eltern, die Kamala am liebsten gar nicht mehr aus ihrem Zimmer lassen würden.

Auch in der visuellen Gestaltung der Serie lässt sich Disney nicht lumpen. New Jersey wird von einer leuchtend bunten Farbexplosion heimgesucht, Textnachrichten prangen am Sternenhimmel oder leuchten in Schaufenstern den Kunden entgegen. Die Skizzen aus Kamalas Notizbuch werden gar zum Leben erweckt. Mit Buntstiften gezeichnete Superhelden, die auf Backsteinmauern tanzen, scheinen direkt einem Comic-Heft entsprungen. Ein bisschen Fahrt muss die Geschichte noch aufnehmen, von Klischees noch etwas Abstand halten. Die liebenswerte Protagonistin und die Bildgebung machen „Ms Marvel" dennoch zu einem spritzig erfrischenden Erlebnis.

Die erste Folge der sechsteiligen Serie Ms Marvel ist von heute an bei Disney+ verfügbar.
Original