Die Spekulationen um die bis heute mysteriöse „Russische Grippe" im neunzehnten Jahrhundert führten manche Wissenschaftler, zuletzt auch in einem Artikel der „Zeit", zu einem Erreger, der mit dem aktuellen Pandemievirus verwandt ist. „Was eine Corona-Pandemie anrichtet, wenn es keinen Impfstoff gibt, hat die Welt schon einmal erlebt", hieß es in dem Text, und weiter: „Im Jahr 1889 trat ein damals neues Virus auf, das von Rindern auf den Menschen übergesprungen war. Von Zentralasien aus breitete sich die Lungenkrankheit rasend schnell aus (. . .). 1890, nachdem die Pandemie kurz abgeflaut war, schlug eine zweite Welle zu, härter noch als die erste. Die sogenannte Russische Grippe tötete in wenigen Jahren eine Million Menschen (. . .). Die damalige Pandemie dürfte die erste Corona-Seuche der Neuzeit gewesen sein. Heute ist ihr Auslöser - er heißt HCoV-OC43 - nur noch ein harmloses Schnupfenvirus, einer der üblichen winterlichen Plagegeister. Doch wir hatten auch hundert Jahre Zeit, uns an ihn zu gewöhnen. So viel Zeit sollte man Sars-CoV-2 nicht lassen."
Der Auslöser der „Russischen Grippe" sei also nicht, wie eigentlich angenommen, ein Influenza-Virus, sondern das (heute) harmlose HCoV-OC43 gewesen, das zusammen mit einem anderen Coronavirus in jedem Winter für 10 bis 30 Prozent aller Erkältungen verantwortlich ist. Die Formulierungen klingen, als sei die Sache eindeutig. Ist in der Angelegenheit aber wirklich alles eindeutig? Schließlich wäre es heute von großer Bedeutung zu wissen, dass ein Coronavirus, das einst eine Million Menschenleben forderte, zu einem harmlosen Schnupfenvirus mutieren kann. Wer behauptet das? Wie kommt man darauf? Wie ist die Faktenlage tatsächlich?