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Mit Trommeln die Gemeinschaft und den Selbstwert stärken

Ein Interview mit der Lübecker Musikpädagogin Helga Reihl über Rhythmus und Resilienz


Ein Beitrag im RiffReporter-Magazin „TAKTVOLL - über die Rhythmen des Lebens" Von Ulrike Gebhardt


Die Gesellschaft driftet auseinander. Die Lübecker Musikpädagogin Helga Reihl fördert Gemeinschaft. Als Coach begleitet die 48-Jährige Menschen in Veränderungsprozessen. Begeistert ist Helga Reihl von Musik und Rhythmus. Rhythmus sei für sie wie eine Brille, durch die sie auf Menschen oder auf Gruppen schaue. Ein wichtiger und sehr erfolgreicher Teil ihrer Arbeit sind Drum Circles. Bei diesen Trommel-Events können alle mitmachen, auch wenn sie noch nie ein Schlaginstrument in den Händen gehalten haben oder sich für vollkommen unmusikalisch halten.

Diese „Musik aus dem Moment heraus", wie Helga Reihl es nennt, ist geprägt von Kommunikation, Gemeinschaft, Freude und Lebendigkeit. Warum das gemeinsame rhythmische Tun das Wohlbefinden steigert, erzählt sie im Gespräch.

Frau Reihl, wo bieten Sie die Drum Circle an, welche Menschen sind dabei?

Drum Circles sind für sehr unterschiedliche Gruppen und Veranstaltungen geeignet - Teamtrainings, Betriebs- und Familienfeiern, Stadtteilfeste, Tagungen, Selbsthilfegruppen und vieles mehr. Kürzlich habe ich mit fast 800 Leuten getrommelt, aber meistens sind die Gruppen wesentlich kleiner. Es funktioniert mit fünf Leuten aber eben auch mit mehreren Hundert. Dabei machen Menschen zusammen Musik, die sich zum Teil überhaupt (noch) nicht kennen. An erster Stelle steht der Spaß und die Freude daran, etwas gemeinsam zu machen und sich zu synchronisieren.


Wie hat man sich einen Drum Circle vorzustellen, was passiert da?

Wenn Sie zufällig vorbeikämen, würden Sie zunächst wahrscheinlich akustisch wahrnehmen, was da los ist. Viele verschiedene Schlaginstrumente sind zu hören, mal lauter, mal leiser, es gibt Pausen, mal hört man nur die Rasseln, mal Instrumente aus Holz, mal nur die kleinen Trommeln, mal die Basstrommeln.

Sehen würden sie 15, 50 oder 200 Menschen, die in einem oder mehreren konzentrischen Kreisen sitzen. Hin und wieder geht eine kleine Frau in die Mitte und gibt Zeichen, das bin ich. Als Facilitatorin versuche ich, die Kommunikation in der Gruppe zu fördern. Mit den Signalen, die ich gebe, fordere ich zum Beispiel dazu auf, leiser oder lauter zu spielen, zu pausieren, wieder einzusetzen und vieles mehr.

Wenn Sie als Teilnehmerin mitten in so einem Kreis sitzen, würden Sie die Situation ganz individuell erleben. Was ich als Erfahrung und Empfindungen von den Teilnehmenden immer wieder höre, sind Gefühle der Zugehörigkeit und der Gemeinschaft, die sonst im Alltag möglicherweise so nicht stattfinden. Wenn sich Menschen über das Trommeln rhythmisch synchronisieren, erzeugt das bei den meisten ein Wohlgefühl. Die Musik, der Rhythmus hilft uns dabei, in Kontakt zu kommen - sowohl mit uns selbst, mit unseren Gefühlen, mit unserem Körper als auch mit anderen Menschen.

Freude, Lebendigkeit, Kommunikation - ein Drum Circle mit Helga Reihl Kirsten Hohn


Das erklärt wahrscheinlich auch den Erfolg dieses Konzeptes?

Ich erkläre mir das unter anderem damit, dass im Drum Circle neben dem rhythmischem Erleben die Themen Individualität und Zugehörigkeit anklingen, die für uns Menschen sehr wichtig sind. Einzelne bringen sich mit ihren Fähigkeiten ein und tragen ihren Teil zu einem gemeinsamen Ganzen bei.

Das Trommeln stärkt die Gemeinschaft und den Selbstwert. Ohne großartig darüber nachzudenken oder zu sprechen, hört man auf sich selbst UND die anderen.

Das Ganze ist kein Trommel-Kurs, bei dem bestimmte Rhythmen vermittelt werden und so kann man auch nichts falsch machen. Alle spielen mehr oder weniger, was sie wollen und können, aber alle sind verbunden über einen gemeinsamen Puls, mal schneller, mal langsamer.

Der Vorteil von Drum Circles ist, dass sie spielerisch sind, man kann einfach loslegen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Dazu kommt, dass das Trommeln die Möglichkeit bietet einfach mal abzuschalten und den Alltag hinter sich zu lassen. Durch die Koordination von rechts und links wird gleichzeitig die Verbindung beider Gehirnhälften gestärkt.

Die Musik, der Rhythmus hilft uns dabei, in Kontakt zu kommen - sowohl mit uns selbst, mit unseren Gefühlen, mit unserem Körper als auch mit anderen Menschen.

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