Ein Interview im Rahmen der Serie "Voices of Liberty" auf medium.
Herr Zater, wie steht es um die Pressefreiheit in Ihrem Heimatland Libyen?
Schrecklich. Es gibt keine Pressefreiheit. Journalisten werden aus dem Land gejagt oder verschleppt und gefoltert. Allein in diesem Jahr sind acht Journalisten ermordet worden. Die Bedrohung ist allgegenwärtig. Deswegen musste ich das Land verlassen. So schwer es mir auch gefallen ist. Milizionäre verbieten uns, die Wahrheit zu sagen. Sie verlangen, dass wir uns für eine Seite entscheiden.
Was sind das für Kräfte, die in Libyen gegeneinander wirken?Das sind Milizionäre, die Armee und die Regierung. All diese Mächte üben Druck auf die Medien aus. Ich habe eine Zeitlang für einen Sender gearbeitet, der irgendwann anfing, die Muslimbrüderschaft zu unterstützen. Dann habe ich aufgehört für diesen Sender zu arbeiten. Ein andermal berichtete ich über einen Rapper, der gekidnappt und gefoltert wurde. Sie haben ihm die Finger abgeschnitten. Einige Zeit später bekam ich den Auftrag, ein positives Porträt über einen Mann zu drehen, der für die Entführung und Folter des Rappers verantwortlich war. Da bin ich aufgestanden und habe gesagt: „Das könnt ihr nicht von mir verlangen!"
Sie haben den Sender verlassen?Ja, aber das war gerade ein Tag, nachdem der Flughafen von Tripoli bei Gefechten zerstört wurde und ich kam nicht aus der Stadt raus. Ich bat einen Freund um Hilfe. Er fuhr mich mit dem Auto aus der Stadt und ich konnte von einem anderen Flughafen aus in meine Heimatstadt fliehen. Aber ich habe den Sender nicht aus Angst verlassen, sondern weil ich in meiner Arbeit frei sein will.
Warum können Gruppen wie der „Islamische Staat" so viel Druck auf Medienhäuser ausüben?Wenn die Muslimbrüderschaft oder der „Islamische Staat" gegen die Armee vorgehen, können sie in ihrem Kampf auf die Gunst mancher Medien hoffen. Dahinter stecken die Interessen einzelner Investoren, die aus strategischen Gründen handeln.
Gibt es in der libyschen Bevölkerung ein Bewusstsein für diese Vorgänge?Ja, jeder in Libyen weiß, dass er in einem Land ohne Pressefreiheit lebt. Aber die Menschen können darüber nicht sprechen, weil es auch keine Redefreiheit gibt. Das setzt einen unter Druck. Fragen zu stellen, ist gefährlich. Die Wahrheit auszusprechen, kann tödlich sein. Deswegen sitze ich jetzt hier mit Ihnen in Hamburg.
Unter dem gestürzten Diktator Gaddafi gab es aber doch auch keine Pressefreiheit.Richtig, aber Libyen ist ein unfassbar reiches Land. Um diesen Reichtum streiten nun viel gefährlichere Mächte als unter der Herrschaft Gaddafis. Da waren die Medien zwar auch gleichgeschaltet, aber unter Gaddafi gab es Sicherheit und ein Maß an Grundversorgung der Bürger.
Wie sind Sie in diesem geistigen Klima zu Ihrer freiheitlichen Auffassung von Journalismus gekommen?Durch Erfahrung. Ich habe Journalismus nicht studiert, aber ich bin gereist und habe Menschen zugehört. Ich habe mit so vielen Informanten gesprochen, habe mir Quellen erschlossen, von Ungerechtigkeiten gehört, von Korruption, Folter und Vergewaltigung, dass ich ein Gefühl für Ungerechtigkeit entwickelt habe. Und ich bin von meiner Arbeit so überzeugt, dass ich mit ihr Ungerechtigkeiten beseitigen will. Ich kämpfe für die Schwachen und dafür, dass alle Seiten einer Geschichte erzählt werden.
Was für Bedrohungen waren Sie persönlich ausgesetzt?Es kam zum Beispiel vor, dass Sicherheitskräfte von Regierungsmitgliedern meinem Kameramann die Speicherkarten wegnehmen, die Kamera zerstören oder ihn schlagen. In einer anderen Situation haben Milizionäre mir eine Pistole an den Kopf gehalten.
Letztes Jahr sind Sie dann nach Tunesien geflohen. Was konnten Sie von dort ausrichten?In Tunesien habe ich mit anderen libyschen Journalisten zusammen getan und Demonstrationen organisiert, um auf die Zustände in meiner Heimat aufmerksam zu machen. Dann hat sich Reporter ohne Grenzen unserer Sache angenommen und das Thema wurde international größer. Später kam die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte auf mich zu und ermöglichte mir, nach Deutschland zu kommen.
Gibt es für Sie die Möglichkeit, nach Libyen zurückzukehren?Ja, ich weiß, dass ich in Libyen wieder als Journalist arbeiten werde. Ich weiß aber auch, dass es noch dauern wird. Es braucht Zeit.
Welchen Rat würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen jungen Journalisten geben?Ich rate ihnen, Menschen zuzuhören und an die Kraft der eigenen Arbeit zu glauben. Sie müssen jeden Tag aufs Neue für ihre eigene Pressefreiheit kämpfen und sie verteidigen. Mit unseren Geschichten können wir die Welt verändern. Es geht um die Freiheit der Menschen.