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Interview

Roberto Saviano – Im Herzen der Mafia

Wo auch immer Roberto Saviano auftaucht, wimmelt es von Personenschützern. Die italienische Mafia droht, ihn umzubringen, seit Saviano 2006 mit dem Buch „Gomorrha“ die Geschäfte der neapolitanischen Camorra durchleuchtete. Seit der Veröffentlichung lebt Saviano im Untergrund, niemand weiß genau, wo er ist. Über das ewige Versteckspiel sagte er einmal, es gleiche einer mobilen Einzelhaft. Taucht Saviano auf, dann nur in Begleitung von Bodyguards. So auch im Keller eines Hotels in Berlin, wo der 39-Jährige zum Interview empfängt. Einer der Personenschützer steht vor einer Fahrstuhltür, breite Schultern, die Arme verschränkt, ein anderer blickt auf seine Uhr. Hin und wieder durchkreuzen sie den Raum, während Saviano hinter verschlossener Tür Gespräche führt. Er ist inzwischen ein Weltstar. Zeitungen wie die „New York Times“, „The Guar-dian“, „El País“ und „La Repubblica“ reißen sich um seine Geschichten. Nachdem das Buch „Gomorrha“ fürs Kino verfilmt wurde, entstand daraus eine Serie. Die vierte Staffel startete im Mai auf dem Sender Sky. Sein Buch „ZeroZeroZero“ über das globale Geschäft mit Kokain dient ebenfalls als Vorlage für eine Serie, die Sky Italia gerade dreisprachig produziert und im Frühjahr nächsten Jahres ausstrahlen wird. Wie Saviano an seine Insider-Informationen kommt, weiß niemand. Aber die Recherchen zu „ZeroZeroZero“ offenbaren die Zusammenhänge zwischen südamerikanischen Kartellen, italienischer Mafia und New Yorker Clans. Saviano kämpft längst nicht mehr nur gegen die Mafia, sondern auch gegen die Regierungskoalition, die sich 2018 bildete, insbesondere gegen den rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini. „Minister der Unterwelt“ nannte Saviano den Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Italiens, woraufhin Salvini ihm drohte, den Polizeischutz zu entziehen, was nicht weniger bedeuten würde, als ihn an die Mafia auszuliefern. Das Besondere an Savianos Arbeit ist, weit über das Beschreiben der organisierten Kriminalität hinauszugehen. Saviano stellt vor allem dar, was die Kriminalität mit Italien macht, wie ganze Regionen zugrunde gehen – und auch Generationen. Mit seinem letzten Roman, „Der Clan der Kinder“, konzentrierte sich der Bestsellerautor auf die Jugendlichen Neapels, die in die Fänge der Camorra geraten. Wie es den Bossen gelingt, in die Köpfe der Jugendlichen vorzudringen, ganze Familien auf ihre Seite und gegen den Staat zu bringen, ist nun ab dem 22. August im Kino zu sehen. Saviano schrieb das Drehbuch gemeinsam mit dem Regisseur des Films, Claudio Giovannesi, und erhielt dafür bei der Berlinale in Berlin den Silbernen Bären. Die Personenschützer bringen sich in Position, eine Tür öffnet sich in dem Keller, in dem wir warten, Roberto Saviano tritt hervor. Dann geht es zu einem anderen Zim-mer des Hotels. Im GQ-Gespräch erklärt Saviano, wie es der Mafia gelingt, bis in die Herzen der Italiener – und der Kinder – vorzudringen.