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Bünker: "Die Nächsten sucht man sich nicht aus"

Wien, 21.05.2016 (KAP) Der Zuzug von Migranten nach Europa wird auch in Zukunft anhalten. Davon hat sich der lutherische Bischof Michael Bünker überzeugt gezeigt. Er äußerte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema "Multireligiosität - Herausforderung und Bereicherung" am Donnerstagabend im Wiener Albert-Schweitzer-Haus. "Wir müssen davon ausgehen, dass Europa, ob es will oder nicht, ein Stück weit an den Problemen teilnimmt, an der diese Welt derzeit leidet", sagte der Bischof. Im vergangenen Jahr habe man gesehen, dass es eine Illusion gewesen sei, zu meinen, Europa könne sich heraushalten. Das Recht auf Asyl sei ein "heiliges Recht" und Gebot der Nächstenliebe: "Die Nächsten sucht man sich nicht aus. Sie liegen auf dem Rand der Straße, auf der wir unterwegs sind", betonte Bünker.

Abgrenzungsmaßnahmen wie Zäune hätten vielleicht vorübergehend ihren Sinn, seien aber keine dauerhaften Lösungen für das Problem, betonte der lutherische Bischof. Bünker mahnte ein, die Fluchtursachen stärker ins Auge zu fassen und jene Länder zu stärken, die mehr Flüchtlinge aufnehmen als Europa, wie etwa der Libanon.

Es sei die Pflicht aller Religionen, Flüchtlingen positiv gegenüber zu stehen, sagte Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. In der jüdischen Gemeinde gebe es jedoch auch große Bedenken, da die muslimische Einwanderung in anderen Ländern Europas, wie zum Beispiel in Frankreich, zu einem Anstieg des Antisemitismus geführt habe.

Ausdrücklich sprach sich Fastenbauer gegen eine Vermischung der Begriffe Asyl und Zuwanderung aus: "Das fördert die Aversion gegen Flüchtlinge. Wenn wir das weiter tun, werden wir bald tatsächliche Flüchtlinge, die wir aufnehmen sollten, nicht mehr aufnehmen können, weil wir eine ungehinderte Zuwanderung zugelassen haben, die unsere Gesellschaft einfach nicht trägt."

"Integration bedeutet für mich, dass man sich zu Hause fühlt", sagte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac bei der Diskussion. "Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt und gerne seine letzte Ruhe haben will." Wer sich an einem Ort nicht daheim fühle, werde dort auch nichts investieren.

Wie Sanac sagte, hätten auch viele Muslime Angst vor islamistischen Terroristen. Das sei auch eine Anfrage an den Islam selbst: "Der Islam existiert seit 1.500 Jahren. Wo haben wir Fehler gemacht?", sagte der IGGiÖ-Präsident.

Die katholische Theologin Andrea Lehner-Hartmann wies darauf hin, dass man unter Integration weithin eigentlich "Anpassung" meine. "Jemand gilt als integriert, wenn er nicht mehr auffällt." Damit gehe oft das verloren, was Individualität ausmache. Menschen die aufgrund ihrer Hautfarbe oder religiösen Zugehörigkeit unterscheidbar seien, könnten sich oft noch so anpassen, es werde ihnen immer wieder vorgeworfen, dass sie vielleicht doch nicht so ganz integriert seien.

Bei Integrationsbemühungen werde der Fokus stark auf Sprache gelegt, die Religion aber außen vor gelassen, kritisierte Lehner-Hartmann. Religion sei jedoch ein wichtiger Punkt, "weil Religion etwas ist, wo Identitätsbildung geschieht". Dies sollte nicht nur im Privaten geschehen, sondern auch öffentlich hinterfragt werden, damit es nicht in Fundamentalismus abgleite. Religiöse Bildung sei daher ein Teil der Allgemeinbildung, so die Theologin.

Wirtschaft als verbindender Faktor

Gerade die Wirtschaft können Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft zusammenführen, zeigte sich Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Rahmen des Gesprächs überzeugt. Wenn Menschen gemeinsam Projekte umsetzen, entstünden "Stabilität und Frieden". Der tiefste Sinn des Wirtschaftens sei es, Menschen zusammen zu bringen und so "einen Beitrag zum Frieden zu leisten", so Leitl.

Als massives Übel bezeichnete Leitl Pauschalurteile, wie allen Flüchtlingen kriminelle Absichten zu unterstellen. Die Anzahl jener, die hierzulande tatsächlich die Regeln gebrochen hätten, sei im Vergleich zur Gesamtzahl von 90.000 Menschen im Vorjahr in Österreich aufgenommen Menschen gering.

Integration erfolge jedenfalls am besten dadurch, dass man Menschen eine sinnvolle Beschäftigung gebe, plädierte der Wirtschaftskammer-Präsident für Maßnahmen zur raschen Integration der Ankommenden in den Arbeitsmarkt. Isoliere man die Menschen hingegen in Flüchtlingsunterkünften, könne keine Integration stattfinden.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im niederösterreichischen Landtag, Lukas Mandl, sagte, dass Angst eine zerstörerische Kraft sei, die zugleich aber ernst genommen werden müsse. Integration beginne mit Bildung und Kommunikation. Ghettoisierung in Schulen und im Wohnbereich müssten vermieden werden, so der ÖVP-Politiker.

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