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So lebt es sich in Deutschlands neuen Wohn-Türmen

Es werden zwei "Königskinder": Im Düsseldorfer Medienhafen entstehen zwei Zwillingstürme direkt am Wasser. Foto: Pink Architekt

Die Begeisterung war spürbar. "Man sieht sofort, da wird gewohnt", strahlte Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher - ein Hochhaus mitten in der Hauptstadt, das zur Abwechslung mal nicht für gewerbliche Zwecke vorgesehen ist!

Eine streng vertikale Wohnarchitektur ist das von Frank Gehry entworfene und gerade vom Immobilienkonzern Hines vorgestellte Wohnturmprojekt am Alexanderplatz.

Selbst in Berlin ist so ein Projekt noch etwas Ungewöhnliches. 2017 oder 2018 soll das 150 Meter hohe Gebäude bezugsfertig sein, das bis zu 300 Eigentumswohnungen und in den unteren Etagen Hotel, Wellness und Gastronomie beherbergen soll. Und es sollen weitere folgen.

"Der Turm hat eine unglaublich große Zeichenhaftigkeit, er ist skulptural, er hat einen Sockel, einen Mittelbereich und eine Stadtkrone", schwärmt Senatorin Lüscher.

300 Wohnungen

Der 150 Meter hohe Turm in der Optik mehrerer in sich verdrehter Kisten wird das höchste Wohnhochhaus Deutschlands und soll neben 300 Eigentumswohnungen in den unteren Etagen ein Designhotel, Fitness und Wellness sowie Gastronomie beheimaten.

Wohnen im Hochhaus soll in Deutschland zum neuen urbanen Trend werden. Das jedenfalls wünschen sich Investoren wie Hines. Auch anderenorts entstehen neue Wohntürme - wenn auch nicht ganz so hoch wie der Gehry-Wolkenkratzer am Alexanderplatz.

In Hamburg etwa ist der 55 Meter hohe Marc O'Polo Tower direkt an der Elbe schon zum neuen Wahrzeichen der Hafencity geworden. In Frankfurt wachsen bis 2015 der Westside Tower mit rund 250 Wohnungen auf 21 Stockwerken sowie das Praedium, das von der Nassauischen Heimstätte im Europaviertel geplant wird.

Düsseldorf und Stuttgart ziehen nach

In Düsseldorf bilden die beiden 63 Meter hohen Wohntürme "Königskinder" den Auftakt zur Wohnbebauung im Medienhafen. Am Berliner Spreeufer schraubt sich der Luxusturm Living Levels in die Höhe.

In Stuttgart soll das Projekt Cloud No. 7 mit einem Firstclass-Hotel und 58 Wohnungen nach dem Wunsch des Bauherren, der Schwäbischen Wohnungs AG, bald das neue Europaviertel um 61 Meter überragen.

Dafür hat das Wohnungsbauunternehmen sein Prestigeprojekt an der Börse platziert und hofft so, die erforderlichen 35 Millionen Euro einzuwerben, um das architektonisch interessante Hochhaus zu realisieren.

Das schlechte, alte Image wirkt nach

Dabei haben Wohnhochhäuser in Deutschland keinen allzu guten Ruf. Hier assoziiert man sie oft noch mit den Wohnsilos des sozialen Wohnungsbaus der 60er- und 70er-Jahre. Dementsprechend gelten Hochhäuser als anonym und schmutzig. Als soziale Brennpunkte, an denen keiner leben will, schon gar nicht mit Familie oder im Alter, wenn man auf Hilfe angewiesen sein könnte. Nur langsam ändert sich dieses Bild.

"Dieser Wandel basiert darauf, dass der Gestaltung der Häuser selbst eine hohe Aufmerksamkeit entgegengebracht, gleichzeitig aber auch die Umwelt mehr berücksichtigt wird", sagt Frankfurts Dezernent für Kultur und Wissenschaft, Felix Semmelroth.

"Das Ergebnis ist eine kontrastreiche Stadtlandschaft, in der Hochhäuser keine Fremdkörper sind, sondern vielfältig und komplex mit anderen architektonischen Einheiten agieren. Die Stadtbewohner fühlen sich nicht mehr durch Hochhäuser erschlagen, sondern empfinden sich als Teil des architektonischen Systems."

Wohntürme fürs gehobene Segment

Und so haben die neuen Wohntürme auch nichts mit den einst geförderten, kommunalen Bauten zu tun. "Wohnungen in diesen Häusern werden im Durchschnitt eher höherpreisig angeboten wegen der Mehrkosten für Bau und Betrieb sowie der bevorzugten Lagen", sagt Robert Bambach, Geschäftsführer von Hochtief Projektentwicklung.

"Ein Hochhaus kann nur entstehen, wo ein passender Standort ist - sprich in einer ausgesprochen guten Lage mit einem bereits entsprechend vorhandenen Preisniveau." Anders sehe es aus, wenn ein Hochhaus der Auftakt für eine komplett neue Quartierentwicklung sei, sagt Bambach.

Als "Erster" nehme es Einfluss auf die Qualität des Standorts und die Preisgestaltung. Allerdings entstehen derzeit nicht nur neue Häuser, zunehmend werden auch leer stehende Bürohochhäuser in Wohnhäuser umgewandelt. Das Thyssen-Trade-Center in Düsseldorf und das Haus der Industrie in Köln seien gute Beispiele dafür. In Düsseldorf will man einen Teil der Wohnungen zur Miete anbieten, Köln setzt sogar komplett auf Mietwohnungen.

Kaum Entlastung für bezahlbaren Mietmarkt

"Wohnhochhäuser schaffen viel Wohnfläche auf einem verhältnismäßig kleinen Grundstück. Eigentümer, die dort einziehen, machen ihre vorherigen Wohnungen frei für den Markt. Zudem gibt es durchaus auch in Hochhäusern Mietwohnungen", so Bambach.

"Eigentümer sind nicht immer automatisch die Bewohner, und tatsächlich werden bereits Mietwohnungen bei Neubauten sowie Umnutzungen realisiert oder sind geplant." Zu einer Entlastung auf dem Mietmarkt für preiswerten Wohnraum können Wohnhochhäuser allerdings nicht beitragen.

Auch sind sie über Mieten allein nicht zu finanzieren, wie Gerhard Brand, geschäftsführender Gesellschafter des Architekturbüros Albert Speer & Partner, meint. "Der Bau eines Hochhauses ist 20 Prozent teurer als bei einem klassischen Mehrparteienhaus. Was die derzeitigen Wohnhochhausbauten anspornt, ist die Flucht vieler Anleger in Betongold. Das betrifft vor allem Reiche aus Ländern wie China, den USA oder aus der arabischen Welt, wo das Hochhaus eine akzeptierte, normale Wohnform darstellt."

Es fehlt an Nachhaltigkeit

Aber auch wohlhabende Deutsche zieht es in die urbanen Wohntürme, wie Soziologin und Hochhausexpertin Marianne Rodenstein weiß. "Ich kenne einige, die ihren Lebensabend städtisch gestalten möchten", erzählt sie. "Darüber hinaus fühlen sich auch junge Reiche ohne Kinder vom Leben im Hochhaus angezogen." Aber von einem Lifestyle könne man nicht wirklich sprechen.

"Wer in einem Hochhaus wohnt, muss viele Regeln hinsichtlich der Sicherheit beachten. Außerdem sind die meisten Hochhäuser nicht besonders nachhaltig. Es werden viele Kreisläufe benötigt, um alles in Gang zu halten, weil sich ein Gebäude zum Beispiel durch seine großen Fensterflächen enorm aufheizt", so Rodenstein weiter.

Zwar seien moderne Hochhäuser im Vergleich zu ihren Vorgängern aus vergangenen Jahrzehnten energetisch besser, aber Innovationen findet man nur in wenigen Fällen, kritisiert die Expertin.

Unterschiedliche Zielgruppen, gemeinsame Ansprüche

Vielmehr verkörpern Wohnhochhäuser eine Antwort auf die Bedürfnisse von gut situierten jungen Paaren ohne Kinder, Familien mit älteren Kindern, Paaren im Ruhestand und Singles. Auch wenn deren Bedürfnisse sehr unterschiedlich sein können, gibt es laut Robert Bambach gemeinsame Ansprüche: bauliche Qualität, eine gute Raumaufteilung, eine Rezeption, einen Concierge-Dienst, genügend Abstand zu den Nachbargebäuden, Außengrünflächen und die Aussicht.

"Eine gute Aussicht hat man aber nicht in den unteren Etagen", so Peter Cachola Schmal, Leiter des Deutschen Architekturmuseums. "Insofern ist eine gemischte Nutzung, wie man sie aus den USA, Arabien und Asien kennt, gewinnbringender für Investoren."

Dort habe man in der Regel im Erdgeschoss Geschäfte, darüber seien Büros, dann ein Hotel und darüber Eigentumswohnungen, eventuell mit einer Aussichtsplattform auf der Dachetage.

In Deutschland werde das Wohnhochhaus mit Service-Anbindungen wie Tiefgarage, Reinigung, Sport, Schwimmen, Wellness oder sogar Roomservice gerade erst als alternative Wohnform entdeckt und etabliere sich als mittel- bis hochklassiger Typus.

Kritik an der Preisgestaltung ist verstummt

Als vor zwei Jahren in Frankfurt die Wohnungen im neuen Wohnturm auf dem Gelände des einstigen Henninger Turms mit 4000 Euro pro Quadratmeter angekündigt wurden, habe man viel Kritik an der Preisgestaltung gehört, so Schmal. Heute seien in der Innenstadt bis zu 8000 Euro fast normal geworden.

"So verschiebt sich die Akzeptanz in nur kurzer Zeit", sagt er. In diesem Zusammenhang klingen dann die Pläne der Schwäbischen Wohnungs AG, in Stuttgart Wohnungen der Cloud No.7 nicht unter 7000 Euro pro Quadratmeter zu vermarkten, nicht mehr so unrealistisch.

"Auf der Suche nach einer architektonischen Form, die dem immer knapper werdenden Wohnraum in Großstädten begegnet, sind Hochhäuser eine produktive Alternative", sagt Felix Semmelroth. "Während noch vor wenigen Jahrzehnten die Bevölkerung aufs Land gezogen ist, gilt nun das Leben in der Stadt als eine immer attraktivere Lebensform. Hochhäuser tragen zur Erhöhung der Bebauungsdichte bei und berücksichtigen dabei die unterschiedlichen Erwartungen der Stadtbewohner."

Hochhäuser am Marienplatz? "Eine Katastrophe"

Allerdings - darin sind sich Stadtplaner, Architekten und Projektentwickler einig - muss man darauf achten, dass sie an der richtigen Stelle entstehen. "Wohntürme können zur Belebung der Innenstadt beitragen", so Gerhard Brand. "Aber sie verlieren ihren Wert, wenn sie dicht an dicht gebaut werden, zu weit am Stadtrand stehen oder keine Wohnqualität aufweisen.

Außerdem dürfen sie das Stadtbild nicht beeinträchtigen." Aus diesem Grund sei auch nicht zu erwarten, dass in den nächsten Jahren Städte wie Düsseldorf oder Hamburg eine Skyline erhalten, wie sie sich in Frankfurt entwickelt hat. "Man stelle sich einmal vor, in München würden rund um den Marienplatz Hochhäuser gebaut. Das wäre eine Katastrophe", so Brand.

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