2 subscriptions and 3 subscribers
Feature

Der König der Löwen

Warum der Direktor des Circus Krone um King Tonga trauert wie um einen Freund

Der weiße Löwe King Tonga schlief nicht gern allein, und so kam es vor, dass Martin Lacey jr. zu ihm ins Heu kroch. Einmal, sagt Lacey, es war in Hamburg und kühl, rückte er nah ran und legte seine Wange aufs Fell. Da hob King Tonga den Kopf, zog die Lider seiner blaugrauen Augen ein wenig hoch, sah Lacey an, gähnte, ließ den Kopf sinken und schlief weiter. Vielleicht, sagt Lacey, sei auch er es, der nicht gern allein schlafe.


Als er am Morgen aus dem Raubtierwagen stieg, Heu in den Haaren, warteten schon ein paar Schaulustige, und als hinter ihm der Löwe aus dem Wagen glitt, hätten sie »oh« geraunt und »ah«, wie in einem Märchen.


Er erzählt das in der Manege des Circus Krone in München. Die Ränge sind leer, die Kassen auch. Lacey, 44, wirkt traurig. Er sagt, er habe einige Löwen kennengelernt, aber keinen wie ihn. Er war das Geschenk eines saudischen Prinzen. Weiße Löwen seien damals en vogue gewesen, wegen Siegfried und Roy.


(...)

DER SPIEGEL, 8/2022