Kurt Beck, ehemaliger Vorsitzender der SPD: Das sind Momente, in denen du permanent Götz von Berlichingen zitierst. Es ist drei Uhr in der Früh, du bist todmüde, und dann kommt der Ärger hoch. Leck mich am Arsch.
Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche: Ich allein hatte einen Fehler gemacht, niemand anderes war dafür verantwortlich. Das war eine physisch spürbare Erschütterung.
Annette Schavan, ehemalige Bildungs- und Forschungsministerin der CDU: Das Zurücktreten war gar nicht schwer. Die Zeit davor war furchtbar.
Rücktritte, wie der von Familienministerin Franziska Giffey, gehören zu den schwierigsten Momenten in einem politischen Leben. Als Zuschauer, Bürger, Wähler bekommt man davon oft nur eine kurze Rede vor Kameras mit und dann den Abgang. Dabei passiert das Eigentliche in der Zeit vor diesem Ritual, die Fehler, der Verrat und die Versuche, das Drohende zu verhindern. Was geht da in einem vor? Wir haben mit fünf Menschen, die ein Amt aufgeben mussten, darüber gesprochen, wie sie diese Zeit erlebten.
1. Die UmständeFranz Josef Jung, ehemaliger Verteidigungs- und Arbeitsminister der CDU: Es war damals eine medial unglaublich zugespitzte Situation. Im September 2009 kam es zu dem Militärschlag gegen zwei entführte Tanklaster im afghanischen Kundus. Ich war noch Verteidigungsminister, und mein Stand war, dass bei dem Angriff keine Zivilisten ums Leben gekommen waren. Entsprechend hatte ich die Öffentlichkeit auch informiert, in den darauffolgenden Tagen zeigte sich jedoch, dass das nicht stimmte. Drei Monate später begann die neue Legislaturperiode, und ich war nun Arbeitsminister. Da meldete die Bild-Zeitung: Mein Nachfolger als Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, habe den Staatssekretär Peter Wichert und den Generalinspekteur der Bundeswehr entlassen. Dann kam natürlich die Frage auf: Welche Verantwortung hat eigentlich der ehemalige Minister?
Ulrike Höfken, ehemalige Umweltministerin der Grünen in Rheinland-Pfalz: Ich war seit 2011 Umweltministerin in Mainz. Es war im Ministerium vorgeschrieben, bei Beförderungen unser neues Dienstrecht anzuwenden, das heißt: Man schreibt die Stellen für die infrage kommenden Mitarbeiter aus und verfasst formalisierte Beurteilungen zu den Bewerbern. Die Regeln sind dann aber teils nicht angewendet worden. Das war rechtswidrig, wie das Oberverwaltungsgericht im August vergangenen Jahres festgestellt hat. Eindeutig ein Fehler.
Käßmann: Die Leute werden noch auf meinen Grabstein schreiben: "... die nach einer Autofahrt mit 1,5 Promille zurückgetreten ist". Das wird in jedem Nachruf stehen.
Beck: Bei der SPD-Klausurtagung am Schwielowsee 2008 wollte ich als Parteivorsitzender Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten verkünden. Bevor ich das tun konnte, lief diese Entscheidung schon in den Spätnachrichten im ZDF. Damit wurde ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen. Nämlich dass allein der Parteivorsitzende das Recht hat, den Kandidaten zu ernennen. In diesem Moment wusste ich, ich habe das Vertrauen in der Partei verloren. Da muss man zurücktreten.
Schavan: Auch die Dissertationen anderer Politiker und Politikerinnen waren schon von sogenannten Plagiatsjägern angegriffen worden. Ich bleibe dabei, ich habe nie betrogen oder abgeschrieben. Die Debatte zog sich neun Monate hin, bis schließlich bekannt wurde, dass mir die Universität den Doktorgrad aberkannte. Als Bildungs- und Forschungsministerin wusste ich, was ich zu tun hatte.
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