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Originelle Hotels im Ruhrpott: Knast oder Kanalrohr? - SPIEGEL ONLINE

Foyer der Alten Lohnhalle in Essen-Kray. Foto: Tobias Appelt

Essen - Sie sind nicht nur Schlafplatz, sondern erzählen vom einstigen Kohlenpott und den Menschen, die dort leben: Manche Unterkünfte im Ruhrgebiet sind so ungewöhnlich, dass sie ein guter Grund für eine Reise in die Region sein können. Eine Rundtour zu den originellsten Schlafplätzen.


Die Lederfabrik

Das Frühstück drapiert das Personal der Mülheimer Lederfabrik auf der alten Maßmaschine Ultra. Ein Relikt aus einer Zeit, als in dem heutigen Hotel noch Leder gegerbt wurde. Die Maschinen schaffte Firmenchef Carl Abel vor mehr als hundert Jahren an. Damals gab es in der Stadt an der Ruhr noch 50 solche Manufakturen.

Außen hat sich der denkmalgeschützte Backsteinbau von 1864 in all den Jahren kaum verändert. Drinnen ist heute ein moderner Hotelbetrieb. In den Zimmern, in denen dunkles Holz und weiß getünchte Backsteinwände den Stil prägen, steigen vor allem Geschäftsreisende ab.


Im Schatten des Förderturms

20 Autominuten entfernt von dem Fabrikhotel findet sich ein weiteres Industriedenkmal: die alte Lohnhalle der Zeche Bonifacius in Essen-Kray, Baujahr 1903. Sie ist ein Symbol für den Strukturwandel, den die Region seit dem Ende der Kohle-Ära erlebt.

Wo in der Blütezeit der Zeche bis zu 3000 Kumpel ihre Lohntüten abholten, hat Heinrich Huke vor neun Jahren ein Hotel eröffnet. Er ist stolz auf die Bergbauromantik - sein Vorzeigezimmer nennt er "Steiger Suite".

Das Gebäude war nach dem Aus der Zeche zeitweise ein Technoclub, dann ein Tonstudio. Einige der 17 Schlafräume bieten einen Blick auf den ehemaligen Förderturm. Nahe der Rezeption hängt ein Plakat, auf das der Hotelier gerne deutet: "Dem Ruhri sein Vier Jahreszeiten", steht da. Das war einer der Slogans, der Essen als Europas Kulturhauptstadt 2010 bewarb. Er selbst spricht von einem "Grand-Hotel-Flair im Kleinen". Sein Aushängeschild ist das Foyer, das mit 170 Quadratmetern die Maße eines Kirchenschiffs hat. "Die Leute kommen hier rein, und dann klappt ihnen erst mal die Kinnlade runter."


Übernachten im Kanalrohr

Ein Stück weiter nördlich, im Bernepark in Bottrop, steht das Parkhotel. Der Name führt ein wenig in die Irre, denn diese Unterkunft besteht aus fünf Kanalrohren. Die Idee, dass darin Menschen übernachten könnten, hatte der Künstler Andreas Strauss. Bedeutungsschwanger nennt er die steinernen Absteigen auf dem Gelände der ehemaligen Kläranlage "Regenerationskapseln" oder "Gastfreundschaftsgeräte".

Erprobt hatte der Österreicher die Idee bereits in Linz. Dann exportierte er sie ins Ruhrgebiet. Gebucht wird im Internet. Vor Ort öffnet ein Code die Tür zu dem zwei mal zwei Meter großen Quartier. In der Nacht blickt der Gast durch eine Luke in den Sternenhimmel über der Ruhr.


Auszeit bei den Mönchen

Weiter geht's nach Bochum. Im Stadtteil Stiepel vermieten Mönche Zimmer. Dort legt sich allerdings niemand zur Ruhe, der nur ein Bett für die Nacht sucht. Wer bei den Zisterziensern an die Klosterpforte klopft, nimmt sich eine Auszeit. Und mancher Besucher beginnt den Tag wie die Ordensbrüder - mit Gebet um 6 Uhr morgens. "Für die Gäste ist das aber keine Pflicht", sagt Pater Pirmin. Er ist der Prior des Klosters, das ein Ableger des Stiftes Heiligenkreuz in Niederösterreich ist.

Die 15 schlichten Zimmer sind fast immer belegt. Bei den Geistlichen suchen die Gäste Beistand und Aussprache. "Teils sind es Eheprobleme oder schwere Entscheidungen, vor denen die Menschen stehen", sagt Pater Pirmin. Willkommen ist in Stiepel jeder. "Er muss aber wissen, das Kloster ist mehr als nur eine Übernachtungsmöglichkeit", betont der Prior.


Eine Nacht hinter Gittern

Nur ein Katzensprung ist es von Bochum über den Ruhrschnellweg, die Autobahn 40, nach Dortmund. Und im Süden der Stadt gibt es das wohl skurrilste Hotel der Region: das Road Stop Motel. Wer dort absteigt, landet nicht in einem 08/15-Zimmer. Er erlebt den "American Way of Life" - und das, ohne teure Flugtickets zu kaufen.

Fast wie im legendären Alcatraz geht es zu im "Jail House Room". Die Tür fällt mit einem metallischen Klicken ins Schloss, und hinter einem schweren Eisengitter hängen zwei Pritschen an der kahlen Wand. Kärglich ist die Zelle eingerichtet: Schlafstätte, Dusche, WC, Fernseher - mehr nicht.

Die Idee, in den Lagerräumen über seinem American Diner ein Hotel zu eröffnen, hatte Road-Stop-Chef Volker Kühnricht vor drei Jahren. Der Amerika-Fan legt Wert auf authentisches Design. "Möbel und Deko stammen aus den Staaten", sagt er. Sechs Zimmer gibt es: In der "Log Cabin", einem Blockhaus-Zimmer, dient ein uriger Holzzuber als Badewanne. Schlafen im "New York Central Park" soll sich anfühlen wie ein entspannendes Picknick im Grünen. Besonders beliebt ist die "Las Vegas Suite". Dort wäscht sich der Gast die Hände an einem umgebauten Spielautomaten.


Das kleinste Hotel Nordrhein-Westfalens

Südlich von Dortmund ist Fachwerk-Idylle im "Mini-Hotel" angesagt. Mit nur drei Zimmern ist das 62-Quadratmeter-Hotel in Herdecke wohl das kleinste in Nordrhein-Westfalen. Die inzwischen 87-jährige Chefin Ines Berger hat es 1975 eröffnet. Seit fast 40 Jahren kommen in ihre Herberge Paare, Pilger und Prominente - so legten sich etwa schon Maler Friedensreich Hundertwasser, Stargeiger Helmut Zacharias und Dokumentarfilmer Volker Schlöndorff bei ihr zur Ruhe.

Der Hotelbetrieb hält die alte Dame auf Trab. Noch immer serviert sie jeden Morgen frische Brötchen und Kaffee. Dabei hatte sie nie vor, ein Hotel zu führen. Das 1730 gebaute Haus war ein Geschenk ihres Mannes. Zunächst wusste sie gar nicht, was sie damit anfangen sollte. "Mein Leben lang war ich Hausfrau, und konnte nichts außer Betten beziehen und Frühstück machen", erzählt sie.

Doch die Kinder waren bereits aus dem Haus. Und Zeit hatte Berger genug. So ließ sie zum Unmut ihres Mannes, der nicht an die Geschäftsidee glauben wollte, das Fachwerkhaus sanieren. Es entstand das erste Hotel in Herdecke. Ans Aufhören denkt sie nicht. "Ich mache weiter, solange ich kann."

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