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Wie Mathematik Steuerbetrüger überführen kann

Foto: Miriam Fischer

Essen. Schummeln bei der Steuererklärung ist kein Kavaliersdelikt. Dem Staat entgehen dadurch jährlich Milliarden an Steuergeldern. Was Betrüger aber möglicherweise nicht wissen, ist, dass sie sich mit ihren Tricksereien selbst entlarven.

Mit mathematischen Methoden kommen die Steuerfahnder den Betrügern auf die Schliche:


Was ist die mathematische Grundlage?

Die Grundlage ist eine Art Naturgesetz, das der amerikanische Physiker Frank Benford (1883-1948) entdeckt hat. Die Idee dazu kam ihm, als er in der Bibliothek auf ein abgegriffenes Buch stieß. Das Buch enthielt Logarithmentabellen. Solche Tabellen waren über Jahrhunderte eine alltägliche Rechenhilfe, etwa beim Ziehen von schwierigen Wurzeln. Benford jedenfalls fiel auf, dass besonders die vorderen Seiten des Buches stark abgenutzt waren. Sie enthielten jene Zahlen, die mit einer Eins anfingen.

Benford wollte wissen, woran das lag. Dazu betrachtete er Zahlen aus unterschiedlichen Bereichen: Er studierte Statistiken der amerikanischen Baseball-Liga, analysierte alle Zahlen aus einer Ausgabe des „Reader's Digest", untersuchte das Atomgewicht der Elemente und Stromrechnungen von den pazifischen Salomon-Inseln. Und er erkannte ein Muster. Die Eins war tatsächlich die Zahl, die überall am häufigsten als Anfangsziffer vorkam. Beinahe jede dritte Zahl beginnt mit einer Eins. Je größer die Ziffer, desto seltener steht sie an erster Stelle. 1938 veröffentlichte Benford seine Ergebnisse. Demnach beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Eins 30 Prozent, für die Zwei knapp 18 und für die Neun nur noch 4,6 Prozent. Seine Entdeckung ist heute bekannt als „Benfordsches Gesetz".


Was hat Benford mit der Steuer zu tun?

Das Gesetz lässt sich auf jede Verteilung von Zahlen anwenden. Ob Zahlen aus Zeitschriften, Büchern, Tabellen oder eben der Steuererklärung: Sie alle unterliegen dieser Gesetzmäßigkeit. So stimmen Steuererklärungen zwangsläufig nicht mit dem Benford-Gesetz überein, wenn manche Zahlen willkürlich gewählt werden. Wer pfuscht, fliegt alleine schon wegen dieser Regel auf - theoretisch.


Nutzt das Finanzamt dieses Gesetz?

Die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen nutzen in allen Bereichen ein so genanntes Risikomanagement. Dahinter verbirgt sich eine Software. Sie wirft nach Eingabe der Daten aus der Steuererklärung diejenigen Fälle zur genaueren Begutachtung aus, die vom vorher festgelegten unproblematischen Standardfall abweichen - zudem pickt das Programm per Zufallsgenerator weitere Fälle heraus, die vertieft geprüft werden. Aus den technisch-mathematischen Hintergründen der Software macht das Finanzministerium allerdings ein großes Geheimnis. Verständlich, denn wer weiß, wie eine Software arbeitet, findet auch einen Weg, sie auszutricksen. Dennoch gilt es als sehr wahrscheinlich, dass auch hier das Benford-Gesetz einfließt. „Die Mitarbeiter in unseren Finanzämtern sind hervorragend aus- und fortgebildet", sagt Ministeriumssprecher Peter Mönkediek. Der Einsatz der Software zur Risikobewertung sei den Beschäftigten also nur eine Unterstützung, die aber sehr wohl helfen könne, Betrugsfälle aufzudecken oder zu vermeiden. Denn sobald der Computer Alarm schlägt, könnten die Mitarbeiter mit einer wesentlich höheren Intensität prüfen, ob eine Manipulation vorliegt.


David Huth und Tobias Appelt

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