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Generation Praktikum adé?

In vielen Unternehmen bleiben die Arbeitsplätze der Praktikanten vorerst leer (Bild: Timo Dersch)

Für Hannes Schuble kam der Mindestlohn gerade recht. Der angehende Ingenieur trat sein Praktikum noch vor dem Jahreswechsel an und erhielt daher im Januar eine dicke Gehaltserhöhung. "Die letzten drei von meinen sechs Monaten Praktikum hat sich mein Verdienst fast verdoppelt, was natürlich super war", sagt der 26-Jährige. "Ich finde es nur fair, den Praktikanten den Mindestlohn zu bezahlen, doch kann ich mir auch vorstellen, dass es für viele Studierende jetzt schwieriger wird, eine Praktikumsstelle zu finden."

Damit hat Hannes recht. Die Suche nach Praktikantenstellen ist für Studierende sehr schwierig geworden. Den wenigsten geht es dabei so gut wie Hannes. Viele Unternehmen sind vorsichtiger, was das Einstellen von Praktikanten angeht. Sie wollen nicht in die Mindestlohnfalle tappen. Denn seit diesem Jahr gilt: Ist das Praktikum eines Studierenden kein Pflichtpraktikum im Rahmen seines Studiums, so muss der Arbeitgeber bei einer Länge von drei Monaten und mehr der Mindestlohn bezahlen. Hat der Studierende gerade seinen Abschluss gemacht und ist nicht mehr immatrikuliert, so fällt der Mindestlohn sofort an. Dies macht sich in der aktuellen Ausschreibungslage bemerkbar. "Wir werden in unserer täglichen Arbeit immer häufiger mit Unternehmen konfrontiert, die sich bei diesem Thema unsicher sind", berichtet Maik Eller, Teamleiter des Portals www.meinpraktikum.de . "Viele Personalverantwortliche sind zögerlich und wollen erst mal abwarten, bevor sie neue Praktikanten und Praktikantinnen einstellen." Der Anbieter stellenwerk.de, auf dessen Internetseite man über die der Universität Stuttgart gelangt, verzeichnet im ersten Quartal dieses Jahres 40 Praktikumsangebote in der Region Stuttgart. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 51 Stellen. Ein Angebotsrückgang um 20 Prozent.

Gerade Geistes- und Sozialwissenschaftler treffe die neue Regelung hart, weiß die Bildungsexpertin Isabel Rohner vom Arbeitgeberverband BDA zu berichten. "In diesen Studiengängen ist der Praxisanteil nicht besonders hoch. In der Regel findet der Berufseinstieg hier über Praktika nach dem Studium statt." Oder man beweist sich in einem Praktikum während des Studiums. Da in vielen Branchen, gerade in der digitalen Wirtschaft, aber lange Einarbeitungszeiten vonnöten sind, lohnt es sich für die Unternehmen kaum noch, Praktikanten und Praktikantinnen einzustellen.

Knapp 1.500 Euro im Monat soll ein Praktikant nun verdienen. Während die Pressesprecher/innen der großen Unternehmen wie Nestlé, Daimler und Co zwar ankündigen, keine Praktikantenstellen zu streichen und den Mindestlohn brav zu bezahlen, können sich kleine Start-Ups und Jungunternehmer das oft nicht leisten. Laut des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung waren immerhin 40 Prozent aller Praktika in der Vergangenheit unbezahlt.

Der Stuttgarter Film- und Tonmann Manuel Dolderer beschäftigt seit geraumer Zeit junge Praktikantinnen der Film- und Medienhochschulen. Seine derzeitige Praktikantin hat vor kurzem ihren Bachelor in Kommunikationsdesign gemacht und möchte ihren Master an einer Filmhochschule machen. Da bei einer Praktikumslänge von sechs Monaten der Mindestlohn anfallen würde, musste Manuel sie als 440-Euro-Jobberin anmelden. Deshalb arbeitet sie jetzt nur 13 Stunden pro Woche, damit sie bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro nicht mehr als 440 Euro pro Monat verdient. "Alles Weitere ist ihre Freizeit, die sie im Unternehmen verbringen kann, um etwas zu lernen.“ Damit ist der junge Selbstständige zwar rechtlich auf der sicheren Seite, aber er ist sich nie sicher, ob seine "Praktikantin" am nächsten Tag auch zur Arbeit erscheinen wird. "Wenn sie es drauf anlegen würde, könnte Sie auch versuchen, für die gesamte Arbeitszeit den Mindestlohn zu verlangen." Ähnlich dürfte es auch in vielen anderen Branchen aussehen. Unternehmer/innen suchen Schlupflöcher oder bieten Stellen nur noch für Studierende mit vorgeschriebenen Pflichtpraktika an. Studierenden ohne ein in der Prüfungsordnung vorgeschriebenes Praktikum haben das Nachsehen.

Wenn man bereits einmal als Praktikant in einem Unternehmen tätig war, so kann man dort nur zum Mindestlohn ein weiteres Praktikum machen. So soll verhindert werden, dass Arbeitgeber ihre Praktikanten und Praktikantinnen von einem unbezahlten Praktikum direkt ins Nächste schieben. "Ich war bei einer Stuttgarter Tageszeitung tätig und wollte nochmals in einem anderen Ressort ein Praktikum machen, um mich für ein Volontariat in der Redaktion zu qualifizieren. Nichts zu machen", klagt eine 26-Jährige Anglistikstudentin ihr Leid. "Die Regelung hilft mir in keiner Weise. Sie hat mich trotz besserer Qualifizierung gegenüber anderen Kandidaten von vornherein aussortiert."

Missbrauch und Ausbeutung sollte entgegengewirkt werden, doch für viele Studierende verschlechtert der Mindestlohn die Chancenlosigkeit auf ein Praktikum. Gerade die, die sich freiwillig während oder nach dem Studium weiterqualifizieren wollen, leiden unter dem Gesetz. Man kann daher allen Studierenden nur anraten, Pflichtpraktika weise zu wählen und sich um freiwillige (Kurz-)Praktika rechtzeitig, also solange eine Immatrikulation besteht, zu kümmern. 

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