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bvmd-Mitgliederversammlung: Back to Basis - DocCheck News

Anfang November fand die Mitgliederversammlung der bmvd in Münster statt. Wir waren dabei und führten ein Interview mit Christian Kraef - ab dem 01.01.2014 neuer Präsident der bvmd - über die Bundesvertretung, Verantwortung und studentisches Engagement.

Freitag, 23:30 Uhr - Die Letzten der 200 Delegierten aus 32 Lokalvertretungen der medizinischen Fakultäten Deutschlands erreichen den medizinischen Campus der Fahrradstadt Münster, ich bin einer davon. Trotz widrigster Umstände wie Zugausfälle, randalierende Hooligans oder aggressive Radfahrer habe ich es endlich auf die dritte ordentliche bvmd-Mitgliederversammlung dieses Jahres geschafft.

Ich bin müde und hungrig, werde aber sogleich von partywütigen Medizinstudierenden in das Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten, unseren Tagungsort, geschleift. Dort treffe ich bei lauter Musik meine sechs Leipziger Kommilitonen und erobere die Reste des Abendbrots. Weil wir alle nach der langen Reise (beziehungsweise einem ausgiebigem Social-Programm für die pünktlich Angereisten) müde sind, entschließen wir uns, die Schlafgemächer aufzusuchen. In der Unterkunft - einer Turnhalle - sind wir darauf bedacht, auf keinen anderen Studenten zu treten und suchen uns eine dunkle Ecke, um unsere Schlafsäcke auszubreiten.

Ein Pakt mit dem Teufel?

Samstag, 09:17 Uhr - Nach einer kurzen, kalten Nacht und einem umfangreichen Frühstück beginnt das erste Plenum dieser MV. Zusammen mit internationalen Gästen aus Japan, Belgien, den Niederlanden und Österreich diskutieren ich und 200 weitere Medizinstudierende 3 Stunden lang über Satzungsänderungen und über den neuen Kooperationsvertrag mit der Deutschen Ärztefinanz (DÄF). Die Kooperation mit der DÄF ist innerhalb der bvmd nicht unumstritten. Kritisiert wird vor allem die Abhängigkeit zur DÄF als alleinigem Hauptsponsor und das manchmal aggressive Auftreten von deren Vertretern gegenüber den Studierenden. Auch in meiner Lokalvertretung sind wir zunächst uneins. Schließlich stimmen wir aber zusammen mit der Mehrheit der anderen Lokalvertretungen für den Vertragsschluss.

Info: Kooperation DÄF / bvmd Die Deutsche Ärztefinanz (DÄF) hat seit 2010 einen Kooperationsvertrag mit der bvmd. Als Gegenleistung für ihre finanzielle Unterstützung darf sich die DÄF auf nationalen Veranstaltungen der bvmd präsentieren und mit Erlaubnis der bvmd deren Logo verwenden. Weiterhin muss die bvmd auf Werbematerialien zum Austauschprogramm sowie den Projekten „Mit Sicherheit verliebt" und „Weltaidstag" das Logo der DÄF verwenden. Zudem kann die DÄF zu lokalen Veranstaltungen der bvmd eingeladen werden, welche sie dann ebenfalls finanziell unterstützt. Die DÄF darf sich nicht in die inhaltliche Arbeit der bvmd einmischen. Der Vertrag ist exklusiv und für 2 Jahre angelegt.

Vor Vielfalt erblasst

12:09 Uhr - Ich finde mich in einem Seminarraum mit etwa 35 anderen Studierenden wieder. Es ist AG-Zeit. In der AG Medizinische Ausbildung werde ich schnell neidisch auf die Lehrinnovationen, die andere Fakultäten hervorgebracht haben: In Impulsvorträgen höre ich vom Kölner Studipat-Programm, bei welchem man einen multimorbiden Patienten über sein gesamtes Studium betreut. Von als Cluster zusammengestellten Wahlpflichtveranstaltungen aus Aachen, welche eine Schwerpunktsetzung schon im Studium ermöglichen sollen. Oder aber von fest ins Curriculum etablierten Freisemestern, die den Studierenden die Zeit für eine Doktorarbeit, einen Auslandsaufenthalt oder ein Forschungspraktikum ohne Verzögerung der Regelstudienzeit geben. Neben diesen spannenden Ideen diskutieren wir auch über das Tagesgeschäft: 2014 soll der nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog der Medizin (NKLM) verabschiedet werden. Dieser soll dann Grundlage für die Curricula an den deutschen Fakultäten sein und die medizinische Ausbildung vereinheitlichen.

Ring frei für Runde zwei

17:40 Uhr - Die zweite Plenarsitzung beginnt. Diesmal auf der Tagesordnung: Vorstellung der Kandidaten. Über 3 Stunden nehmen sich die bvmd'ler Zeit für eine intensive Befragung der Kandidaten für die Wahlämter. Schließlich geht es um einiges: Neben den Vizepräsidenten, dem Finanzer und dem Pressesprecher wird auf dieser MV auch der Präsident gewählt. Hierfür ist Christian Kraef der einzige Bewerber. Seine wichtigsten Ziele beschreibt er bei seiner Vorstellung so:

„Ich möchte drei Schwerpunkte setzen: 1. Externe Repräsentation der bvmd strategisch planen. Wir müssen uns konkret fragen, was sind unsere wichtigsten Ziele und wie können wir diese erreichen. Die bmvd wird oft zu vielen gesundheitspolitischen Themen von der Politik befragt - hier müssen wir eine klare Strategie haben, wie wir das zur Verwirklichung unserer Ziele nutzen.

Das zweite Thema ist für mich eine Herzensangelegenheit: Die Verknüpfung mit der Basis, den Fachschaften. Dabei ist zum einen die Frage, wie die bvmd aus dem Pool an Fachschaftsmitgliedern Nachwuchs generieren kann und inhaltlichen Input aus den Fachschaften bekommt. Gleichzeitig muss sich die bvmd auch als Dienstleister für die Fachschaften verstehen. Zudem ist es natürlich wichtig, die Studierenden außerhalb der Fachschaftsräte zu erreichen.

Mein dritter Punkt ist die Nachhaltigkeit. In studentischen Vereinen gibt es ein hohes Turn-over. Ich möchte sicherstellen, dass die Erfahrung, Ideen und Ziele auch langfristig über mehre Amtsperioden des Vorstands bestehen bleiben. Dies ist zum Beispiel möglich, indem man sich fragt: Wo soll die bmvd in drei Jahren stehen? Diese Idee geht natürlich mit der Stärkung der Alumni-Arbeit einher, die ich ebenfalls in Angriff nehmen möchte."

Drei Club Mate sind ein Tofu

22:43 Uhr - Mittlerweile habe ich mir, begleitet von dem Hinweis eines Kollegen, dass drei Club Mate ja auch einem Tofu entsprächen, ein weiteres koffeinhaltiges Hipstergetränk geöffnet. Das Plenum befasst sich gerade mit dem Positionspapier "Beeinflussung der Freiheit der Lehre". Darin fordert die bvmd Richtlinien an medizinischen Fakultäten, um den Einfluss von Interessenkonflikten auf die Lehre zu minimieren. Zudem möchte sie ein Bewertungssystem für die Vermeidung der Interessenkonflikte etablieren und sich für curriculäre Lehrveranstaltungen einsetzen, die ein Problembewusstsein bei den Studierenden erzeugen.

Neben dieser Position haben die 32 anwesenden Lokalvertretungen auch noch folgende Papiere beschlossen:

Finanzierung der Hochschulen

Die bvmd lehnt die (Teil-)Schließung von medizinischen Fakultäten im Kontext des landesweiten Ärztemangels ab und fordert die Bundesbildungspolitik zu einer stärkeren Finanzierung der Hochschulen auf.

Die bvmd fordert eine gerechtere Zusammensetzung der hochschulpolitischen Gremien. Zudem sollen auch Studierende den Vorsitz über eine Kommission haben können.

Weibliche Genitalverstümmlung

Die bvmd verurteilt die in vielen Ländern praktizierte weibliche Genitalverstümmelung als Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit. Des Weiteren fordert sie, dass die weibliche Genitalverstümmelung in der medizinischen Ausbildung thematisiert wird, um Studierende dafür zu sensibilisieren.

Party rock is in the house tonight

Sonntag, 01:34 Uhr - Endlich ist es geschafft. Wir haben uns durch die Tagesordnung gearbeitet und das Plenum ist zu Ende. Dennoch ist an Schlafengehen noch nicht zu denken. Im Foyer des Instituts startet eine große Party. Vergessen sind unterschiedlichste Positionen und Schlachten mit Geschäftsordnungsanträgen. In einem Meer aus Seifenblasen und bei steigendem Alkoholkonsum wird jetzt nur noch gefeiert. Es sind eben doch Studenten, die hier zusammen kommen. Dass es am nächsten Morgen um 9 Uhr weiter geht, stört niemanden. So machen einige Delegierte die Nacht durch, um am nächsten Morgen zur letzten großen Sitzung dieser Mitgliederversammlung der bvmd bereit zu sein und sich die besten Plätze im Hörsaal zu sichern.

Die Qual der Wahl

Sonntag, 9:15 Uhr - Zwar ist niemand so wirklich ausgeschlafen, dennoch sind alle Studierenden noch wach genug für die anstehenden Wahlen. Bei einigen Posten stehen Kampfkandidaturen an, sodass man hier besonders gespannt auf das Ergebnis ist. Trotz fehlendem Gegenkandidaten ist auch Christian Kraef ein wenig aufgeregt. Er bewirbt sich auf das höchste Amt der bvmd. Um 11 Uhr ist dann aber klar: Christian wird mit großer Mehrheit zum neuen Präsidenten der bvmd gewählt. Ich habe die Chance genutzt, um mit ihm das erste präsidiale Interview zu führen.

Christian Kraef

23 Jahre alt, studiert im 8. Semester Humanmedizin in Münster Seit Januar 2010 hochschulpolitisch aktiv, unter anderem als Referent für Hochschulpolitik, im Fachschaftsrat und als Senator der Uni Münster Seit Juni 2010 in der bvmd aktiv: zunächst stellvertretend, später als Bundeskoordinator für Gesundheitspolitik 2012 Doktorarbeit in Lambaréné, Gabun(Afrika)
Letzte Worte

Als ich mich nach insgesamt 18 Stunden Plenum mit der Leipziger Delegation wieder auf den Weg nach Hause mache, gehen mir Christians letzte Worte zur MV durch den Kopf: „Sicher hätte man auch bei dieser MV noch effizienter arbeiten können, aber das ist fast immer so." Mit der Erfahrung von 10 Mitgliederversammlungen muss er es wohl wissen. Grundsätzlich hat mich das Wochenende unheimlich inspiriert und mir neue Motivation für die Arbeit im Fachschaftsrat gegeben. Dennoch freue ich mich auf mein gemütliches Bett, um den Schlaf des vergangenen Wochenendes aufzuholen. Bis zur nächsten MV im Januar - dann geht es nach Berlin!

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