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1. FC Köln: Ohne Harmonie nach oben

Das schafft wohl nur ein Verein: Der 1. FC Köln kehrt in die Bundesliga zurück, doch der Trainer wurde entlassen und an der Spitze schwelt ein Machtkampf.


Im Moment des größten Erfolgs seiner Karriere dachte André Pawlak an seine Ex. Es war Montagabend, der 1. FC Köln hatte soeben mit einem 4:0 in den direkten Wiederaufstieg erledigt. Jedenfalls war Pawlak, 48, Chemie- und Sportlehrer aus Gelsenkirchen und bis vor einer Woche Trainer von Kölns Regionalliga-Reserve, ein gefragter Mann. Der Sky-Moderator beglückwünschte den Interimstrainer des ruhmreichen "Effzeh".


Pawlak mochte sich nicht von der Euphorie anstecken lassen. Man möge doch bitte auch ein paar Worte über die U21 verlieren, sagte er, schließlich habe die ebenfalls gewonnen, 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf II, weswegen sie den Klassenerhalt feiere. So hatte Pawlak an einem Abend zwei Dinge erreicht: Er hatte gleich in seinem ersten Spiel als FC-Trainer den Bundesliga-Aufstieg geschafft, was vor ihm noch niemanden gelungen war. Und er hat Kölns zweite Mannschaft einem Millionenpublikum präsentiert.


Pawlak sprach kurz über seine Ex, die U21, und ein bisschen länger über seine neue Affäre, die künftige Bundesligamannschaft. Noch ist nicht klar, ob das was mit Perspektive ist, ob der bodenständige Pawlak und die Diva 1. FC Köln womöglich gar eine langfristige Beziehung eingehen. Denn für die neue Saison werden bereits die Namen prominenter Trainer durchdekliniert. Pál Dárdai habe abgesagt, war zu lesen. Der Name Bruno Labbadia fiel oft, und zuletzt der von Dieter Hecking, dessen einziges Problem sein könnte, dass er bis zum Saisonende den verhassten Rivalen aus Gladbach trainiert.


Doch an diesem Montag wurde erst mal gefeiert. Als der Schiedsrichter Guido Winkmann abpfiff, spritzte der ausgewechselte Marcel Risse Flüssiges auf seine Mitspieler, noch war es Wasser. Man zog sich Aufstiegsshirts an ("Widder do"). Es war der Ersatztorhüter Thomas Kessler, der das Startsignal für eine richtige Party gab, als er mit einem Bierglas in der Hand ins Schlingern geriet und sich selbst duschte. Später, als die Fans der Kölner auf den Rasen durften, schnitten sie Stücke aus dem Tornetz und gruben Rasen aus. Und dann sangen sie und hüpften zu bekannten Melodien, die Spieler waren auch dabei.


Zwei Spieltage vor dem Saisonende hat Köln als Tabellenführer acht Punkte Vorsprung auf Paderborn, neun auf Union Berlin und den HSV. Das klingt souverän, war es aber zuletzt selten. Deshalb wird nun auch Pawlak als der Trainer in die Geschichte eingehen, der den sechsten Aufstieg in der Vereinsgeschichte vollendet hat, und nicht Markus Anfang, sein Vorgänger, vor einer Woche auf Platz eins entlassen. "Markus und das Trainerteam haben einen großen Anteil an diesem Aufstieg. Wir haben es jetzt über die Ziellinie gebracht", sagte Pawlak.


Was hat Anfang falsch gemacht?

Das Lob hatten sich die Kölner an diesem Abend verdient. Jhon Cordoba mit einem Dreierpack (8., 41., 65. Minute) und ein Eigentor von Daniel Steininger (20.) sorgten für die Saisontore 77 bis 80 und den neunzehnten Sieg im 32. Spiel. Zuvor hatte die Mannschaft jedoch gleich zweimal nacheinander verloren, woraufhin der Geschäftsführer Armin Veh die Krisen dieser Saison nachzählte und auf drei kam, was ihm mindestens eine zu viel war. Der Wiederaufstieg sei "in Gefahr" gewesen, sagte Veh.


Es gab zuletzt viele Geschichten über den Ex-Trainer zu lesen, nicht immer waren sie nett. Als gebürtiger Kölner hatte Anfang zunächst bei vielen Fans einen guten Stand, zumal er ja mit Holstein Kiel einen mitreißenden Fußball hatte spielen lassen. Damit war er der Gegenentwurf zum Ex-Trainer Peter Stöger, der die Kölner mit einer defensiven Spielidee zunächst in die erste Liga und später nach Europa geführt hatte, ehe er auf Platz 18 entlassen wurde.

Kölner Sehnsucht nach Folklore

Doch Stöger bediente stets auch die Kölner Sehnsucht nach Folklore, suchte die Nähe zu Mitarbeitern, Spielern und Fans. Von Anfang heißt es, er habe sich damit schwergetan. Zuletzt musste er sich Pfiffe von den Rängen anhören, die Mannschaft schien sich auch nicht mehr einig zu sein, ob sie diesem Trainer noch folgen sollte. Es gab die Anfang-Jünger, unter ihnen Spieler wie Rafael Czichos und Dominick Drexler, die schon in Kiel mit ihm zusammengearbeitet hatten. Und es gab die Gruppe derjenigen, die Zweifel äußerten. Die wurde nicht kleiner.


Auch weil Anfang selbst dann nicht von seinem taktischen Konzept abrückte, als offensichtlich wurde, dass sich zumindest Teile der Mannschaft eine andere Herangehensweise wünschten. Immer wieder kassierte der FC Gegentore, weil die Absicherung fehlte. Den Torhüter Timo Horn, der in 32 Spielen 41 Gegentore kassiert hat, sah man zuletzt oft sehr ärgerlich, wenn er wieder von seinen Vorderleuten im Stich gelassen wurde. 


In Fürth spielte diese Kölner Elf, unbestritten die mit den besten Einzelspielern in der zweiten Liga, wieder so, wie sie das bislang immer getan hat, nachdem Veh zuvor öffentlich von einer Krise gesprochen hatte: hochkonzentriert, effektiv, fast wie im Rausch. Es war November, als Veh erstmals seine Unzufriedenheit äußerte, Köln hatte gerade gegen den HSV verloren und war damit seit vier Spielen ohne Sieg. Dann siegte die Elf 8:1 gegen Dresden. Doch es folgten auch viele mittelmäßige Spiele.


Nun könnte man meinen, nach der Trennung von Anfang, spätestens jedoch mit dem sicheren Aufstieg, müsse endlich Ruhe einkehren in Köln. Doch in Köln ist vieles anders. Der Express analysierte in der vorigen Woche, es gebe "beim 1. FC Köln derzeit kaum jemanden, der keine Politik macht. Gremien, Funktionsträger, Mitarbeiter, Ultras, Fanklubs und – so viel Ehrlichkeit muss sein – auch Journalisten haben ihre Meinungen und ihre Agenda zur Vereinszukunft."


Eine Spitze von Veh gegen ein wichtiges Gremium

Angesprochen fühlen durfte sich auch der Geschäftsführer Veh. Im Frühjahr prangerte er einen Vertrauensbruch zu Werner Spinner an. Es entbrannte ein Machtkampf, den der damalige Präsident verlor. Spinner trat zurück. Im September werden die Mitglieder des Vereins einen neuen Vorstand wählen, es geht um die Macht und um die Zukunft des 1. FC Köln mit seinen 106.000 Mitgliedern.


Es geht auch um Veh, dessen Vertrag 2020 ausläuft. Dem Kölner Stadt-Anzeiger hat er kürzlich gesagt, man könne einen Verein wie den "Effzeh" nicht demokratisch führen. "Wenn zu viele Leute mitreden wollen, die nicht aus dem Fußball kommen, ist das ein Problem. Dann gibt es Chaos." Das kam nicht gut an.


Man durfte das als Spitze gegen den Mitgliederrat betrachten, dessen Angehörige Veh als "Vollamateure" bezeichnet. Womöglich ist das nicht klug: Laut Satzung schlägt der Mitgliederrat vor Wahlen drei Kandidaten vor, von denen einer Präsident wird und die anderen beide seine Vertreter. Es kursieren einige Namen, unter ihnen der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Nicht alle sollen Veh wohlgesonnen sein. Es hat schon harmonischere Aufstiege gegeben.

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