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Franz Beckenbauer: Die Lichtgestalt strahlt bis nach Aichach

„Kaiser" Franz Beckenbauer wird 70 Jahre alt. Wie kein anderer hat die Legende des FC Bayern den deutschen Fußball geprägt. Auch in der Region fasziniert sein Wirken. Von Thomas Hürner

„Der Kaiser hat immer recht." Diese Redewendung ist jungen wie älteren Menschen ein Begriff. Franz Beckenbauer ist einer der bekanntesten Deutschen weltweit, prägte eine gesamte Fußballgeneration, holte die Weltmeisterschaft 2006 ins eigene Land und stürmte mit „Gute Freunde kann niemand trennen" sogar die deutschen Single-Charts. Die Lichtgestalt wird 70 Jahre alt und strahlt heute wie damals in den Fußball hinein, auch in der Region fasziniert sein Wirken die Menschen.

Jorgo Kotsis, derzeit A-Jugend-Trainer beim BC Aichach, bekam bei einem Besuch im Sportfernsehen die Möglichkeit, ein Foto mit Beckenbauer zu schießen: „Ich habe das Glück gehabt, dass ich mich in der Werbepause mit ihm ablichten lassen konnte", sagt der 42-Jährige begeistert. „Das ist schon etwas Besonderes." Das gerahmte Foto hängt heute in Kotsis' Wohnzimmer.

Nicht immer trifft Beckenbauer den Ton, ist bekannt dafür, heute dies, morgen das zu sagen. Widersprüche, Kritik und Imagekratzer lächelt er einfach weg. Kotsis beteuert aber, menschlich sei der Kaiser für ihn eine Respektsperson, die zu Fehlern steht. Und sportlich? „Für mich ist Beckenbauer mit Pelé der beste Spieler des vergangenen Jahrhunderts", sagt er. Kotsis, gebürtiger Grieche, erklärt, dass man ihn nicht umsonst in jedem Eck der Welt kenne.

1860-Fan Kigle über Beckenbauer: "Es ist gut, dass ein Roter aus ihm wurde"

Auf Beckenbauer angesprochen gerät selbst Josef Kigle, Vorstand Spielbetrieb des TSV Aindling, ins Schwärmen - und das, obwohl er eingefleischter „Sechzger" ist. Kigle gesteht sich sogar ein, der FC Bayern sei für den Kaiser der richtige Verein gewesen: „Es ist gut, dass ein Roter aus ihm wurde. Bei Sechzig wäre es aus ihm vielleicht nichts geworden."

Nur zufällig soll Beckenbauer zu den Bayern gekommen sein, mit denen er in den 70er-Jahren sämtliche Titel des Vereinsfußballs gewann. Eigentlich wollte er zu den „Löwen" wechseln, eine „Watsch'n" verhinderte das. Erst kürzlich hat Kigle wieder im Kicker von der Geschichte gelesen. Als Jugendlicher war Beckenbauer für den SC 1906 München am Ball, in einem Spiel gegen 1860 geriet er mit einem Gegenspieler aneinander und kassierte die Ohrfeige. Danach wollte er nicht mehr für die „Blauen" spielen, ging stattdessen zum roten Rivalen. „Hier konnte er zur Lichtgestalt werden", sagt Kigle anerkennend.

Der Aindlinger ist der Meinung, kein Deutscher habe mehr für den Fußball geleistet als Beckenbauer. „Alles was er anfasst, wird zu Gold. Es wird keinen Zweiten dieser Güte mehr geben." Vor allem an sein Auftreten als Spieler erinnert sich Kigle gerne zurück. Wie der Ball an seinem Fuß klebte, das sei einzigartig gewesen. Beckenbauer gilt als Menschenfänger, ihn umgibt eine Aura. Von dieser würde sich Kigle gerne einmal einnehmen lassen: „Es wäre für mich ein Höhepunkt, an einem Tisch mit ihm zu sitzen und über Fußball zu plaudern."

Franz Beckenbauer als "der Inbegriff von Heimat"

Das Vergnügen, Beckenbauer zu treffen, hatte Joachim Schnürer, ein ehemaliger Weggefährte Kigles beim TSV Aindling. Schnürer kickte jahrelang in der Zweiten Bundesliga für den FC Augsburg und war eine Institution beim TSV Inchenhofen. In Diensten des FCA absolvierte Schnürer Mitte der 80er-Jahre einen Trainerlehrgang in der Sportschule Grünwald, als es Besuch vom Kaiser höchstpersönlich gab. Beckenbauer war etwa eine halbe Stunde vor Ort und hielt einen Vortrag. „Wir waren so beeindruckt, dass wir lauschten wie kleine Schulbuben", erzählt der 55-Jährige rückblickend. Seine Bewunderung sei über die Jahre nicht kleiner geworden. „Der Mann hat alles gewonnen und war immer mein Idol."

Schnürer, der beim FCA mit Spielerpersönlichkeiten wie Helmut Haller, Karl-Heinz Riedle oder Armin Veh kickte, war dem Mythos Beckenbauer stets erlegen. Als Jugendlicher besuchte er einmal extra eine Autogrammstunde mit Beckenbauer und ergatterte eine Originalunterschrift. Schon in jungen Jahren faszinierte der Kaiser Schnürer, so hatte der Inchenhofener als Kind das Bayern-Trikot mit der Rückennummer fünf im Schrank.

Weil Beckenbauer für Schnürer und andere Jugendliche stets ein großes Vorbild war, zeigte er sich enttäuscht, als der Kaiser zu Cosmos New York in die amerikanische Profiliga wechselte. Schnürer begründet: „Für mich war er der Inbegriff von Heimat. Was heute normal ist, habe ich damals nicht verstanden."

Schnürer ist nicht mit allem einverstanden, was der Kaiser so von sich gibt. Manchmal sei auch „Schmarrn" dabei, meint er. Aber darüber kann der langjährige Funktionär hinwegsehen, denn auch er sagt mit einem Lächeln: „Der Kaiser hat immer recht."

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