8 subscriptions and 2 subscribers
Article

Bayern München: Kovac spricht ein Machtwort im Fall Lewandowski

Es wäre nichts Verwerfliches daran gewesen, wenn Niko Kovac an seinem ersten Arbeitstag für den FC Bayern München ein wenig aufgeregt gewirkt hätte. Immerhin hatte ja selbst Pep Guardiola offen über seine Nervosität gesprochen, als er vor fünf Jahren beim deutschen Rekordmeister vorgestellt wurde – und dies trotz seines Status als titeldekorierter Erfolgstrainer aus Barcelona. Trotz der Größe der Aufgabe ließ sich Kovac jedoch keine Anspannung anmerken, er gab sich am Montagvormittag souverän und kämpferisch. „Mein erster Eindruck war, dass er enorm cool wirkt“, sagte auch Serge Gnabry, der nach dem 46-Jährigen das Podium betrat und ebenfalls als Neuzugang präsentiert wurde. „Außerdem ist er sehr ehrlich und direkt, das wurde mir auch schon von einigen Eintracht-Spielern berichtet.“

Ein Vorteil für Kovac ist sicherlich, dass das Vermächtnis von Vorgänger Jupp Heynckes diesmal ein kleineres ist als einst für Guardiola. Kovac übernimmt keinen Klub, bei dem es in den nächsten Spielzeiten eigentlich nur schlechter laufen kann, weil ihm ein Triple-Sieg aus der Vorsaison als unausgesprochene Erwartungshaltung vorauseilt. „Es gibt diesen einen Trainer, der alles geholt hat“, weiß auch Kovac, „viele andere haben das nicht geschafft“.

Kovac hatte außerdem eine Möglichkeit, die wohl auch Guardiola gern gehabt hätte, und er hat sie auf eindrückliche Weise im DFB-Pokalfinale genutzt. Bei seiner Präsentation als neuer Bayern-Trainer war zu spüren, dass sich dieser Sieg gegen seinen neuen Klub und Heynckes noch als wertvoll erweisen könnte: Für Kovac natürlich, dem viel Skepsis und Argwohn entgegengebracht wurden nach der Bekanntgabe seines Wechsels von Frankfurt nach München. Aber auch für die Vereinsführung des FC Bayern, die so lange versuchte, Heynckes von einem Verbleib zu überzeugen, bis sich auch namhafte Alternativen wie Thomas Tuchel anderweitig orientiert hatten. „Natürlich weiß ich, dass viele auf die Vita schauen, wenn man zu diesem Klub kommt“, sagte Kovac, „es ist daher sicher nicht schlecht, als Trainer jetzt auch eine Kerbe im Colt zu haben.“

Kovac verfügt als Trainer auf Klubebene zwar über keinerlei internationale Erfahrung, hat mit Eintracht Frankfurt am Ende der vergangenen Saison aber bewiesen, dass er mit Druck souverän umgehen kann. Eine erste, wichtige Bewährungsprobe für den schwierigsten Trainerjob in der Bundesliga hat der 46-Jährige also gemeistert, ehe er ihn überhaupt angetreten hatte.

Kovac bedient außerdem eine Sehnsucht bei den Bayern, die nach der missglückten Ära unter dem Italiener Carlo Ancelotti von den Verantwortlichen immer wieder als Maßgabe für die Zukunft hervorgehoben wurde: Als ehemaliger Bayern-Spieler kennt er das Umfeld und die Eigenarten des Klubs. „Es ist ein Vorteil und sicher kein Nachteil, dass ich weiß, wie man hier denkt“, sagte Kovac. Auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic betonte die Vorzüge einer vertrauten Atmosphäre bei der täglichen Arbeit: „Schon als Spieler haben wir uns intensiv ausgetauscht und sind immer in Kontakt geblieben. Wir wissen, wie der andere tickt – und das ist gut so.“

In München versprechen sie sich von Kovac, dass er die spielerische Klasse der Mannschaft bewahrt, aber auch, dass durch ihn die Tugend der harten Arbeit wieder als Stärke identifiziert wird. „Ich erwarte Leidenschaft und Ehrgeiz und lebe das jeden Tag vor, aber unsere Spieler wären nicht hier, wenn sie das nicht auch tun würden“, sagte Kovac, der auch die Wechselgedanken von Robert Lewandowski und Jerome Boateng kommentierte: „Ich habe mit Lewa telefoniert und ihm meinen Standpunkt und den des Klubs mitgeteilt. Er ist ein Weltklassestürmer, der in München noch viel leisten wird.“ Mit Boateng habe Kovac zwar kein direktes Gespräch geführt, doch auch mit dem Verbleib des 29-jährigen Innenverteidigers sei fest zu rechnen: „Ich hatte schon in Frankfurt einen Boateng, beide sind tolle Typen. So glücklich wie ich mit Prince war, so glücklich werde ich mit Jerome in München sein.“

In Frankfurt ließ Kovac vor allem einen defensiven und reaktiven Fußball spielen, bei den Bayern möchte er sich variabel auf Spielsituation und Gegner einstellen. „Seit Louis van Gaal ist hier ein Stil geprägt worden, der im Grunde so beibehalten werden soll“, sagte er. „Die WM zeigt auch, dass Ballbesitzfußball nicht die einzige Lösung sein kann. Ich möchte ein neues System integrieren, das ein oder andere modifizieren.“ Kovacs Hauptanliegen für den Start bei den Bayern offenbart, dass sich die Erwartungshaltung in München seit dem ersten Tag von Guardiola merklich verändert hat: „Mein Trainerteam und ich wollen jeden Spieler besser machen. Wenn wir das schaffen, sehe ich die Möglichkeit, den ein oder anderen Pokal zu holen.“ Alle müssen es bei den Bayern offenbar nicht mehr sein.


Original