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Mario Gomez: Die Ruhe macht den Unterschied

Mario Gómez war mit Abstand der letzte VfB-Spieler, der das Stuttgarter Stadion verließ und sich zur Mannschaftsfeier bei einem Nobel-Italiener in der Innenstadt aufmachte. Seine Miene war gelassen, die Freude über seine zwei Treffer zum 2:0-Erfolg gegen die TSG Hoffenheim oder über die lautstarken Sprechchöre, die ihm direkt nach dem Schlusspfiff von den eigenen Anhängern gewidmet wurden, standen ihm keinesfalls ins Gesicht geschrieben. Als sei es seine Pflicht, wollte der 32-Jährige erst einmal Entwarnung geben: „Meinem Knie geht es gut, ich habe nur einen Schlag abbekommen, und es tut jetzt schon weitaus weniger weh als noch direkt am Spielende."

Gómez hat in seiner Karriere vieles erlebt, er feierte Meisterschaften in Stuttgart, München und Istanbul, musste aber neben schweren Verletzungen auch sportliche Enttäuschungen in Florenz und Wolfsburg wegstecken. Es hat ihn abgehärtet, von den Höhen und Tiefen des Fußballerdaseins lässt sich der Stürmer schon lange nicht mehr verunsichern. Vor der Partie am Samstagnachmittag war Gómez fünf Spiele in Folge ohne Treffer geblieben, doch auch vermeintliche Krisen lässt er inzwischen in stoischer Ruhe an sich abprallen. „Für solche Geschichten bin ich mittlerweile zu alt", sagte Gómez. Vielmehr sei er froh darüber, dass ein besonderer Fokus auf ihn dank der für die Mannschaft so erfolgreichen Wochen ohnehin nicht nötig gewesen war. „Wenn es dazu meine Torflaute gebraucht hat, dann nehme ich das gerne an."

Torabschluss mit Qualität

Die beiden Treffer gegen Hoffenheim waren für Gómez seit der Rückkehr nach Stuttgart die ersten vor heimischem Publikum, insgesamt kommt der Stürmer für den VfB jetzt auf immerhin acht Tore in 16 Spielen. Es sind aber längst nicht mehr nur die Tore, an denen sein Wert für die Mannschaft gemessen wird. „Natürlich freut es mich für ihn, dass er seine Durststrecke beendet hat", sagte etwa Kapitän Christian Gentner. „Viel wichtiger ist aber die Rolle, die er bei uns auf Anhieb in der Kabine eingenommen hat, vor allem als Persönlichkeit für die jungen Spieler im Kader." Für Sportvorstand Michael Reschke, der den Stürmer im Winter vom VfL Wolfsburg verpflichtet hatte, ist Gómez ein „brutaler Gewinn für den Klub und sein gesamtes Umfeld".

Dass Gómez nicht nur ein wichtiger Bestandteil des Stuttgarter Teams ist, sondern immer noch ein hervorragender Bundesliga-Stürmer mit der Ambition, im Sommer mit der Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Russland zu fahren, bewies er vor allem beim zweiten Treffer gegen die TSG. Nach einem hoch geschlagenen Ball von Erik Thommy, der ebenfalls im Winter neu zum VfB gekommen war, rannte Gómez dem neun Jahre jüngeren Hoffenheimer Verteidiger Kevin Akpoguma ab der Mittellinie davon, ließ ihn dann im Strafraum mit einer Körpertäuschung ins Leere grätschen und vollendete den Konter schließlich mit einem überlegten Abschluss durch die Beine von Torwart Oliver Baumann (74. Minute). „Das ist die Qualität, die man über so einen langen Zeitraum selten in der Bundesliga sieht", sagte Sturmpartner Daniel Ginczek. „Er kann links wie rechts gleich stark abschließen, das wird auch in Zukunft für einen Mittelstürmer noch ein großer Vorteil bleiben."

Trainerlob: Tayfun Korkut spricht über Mario Gomez © Perform

Nur einer wollte sich den Lobpreisungen auf Gómez nicht anschließen. „Zwei Tore hat er gemacht, aber sonst nicht viel", sagte ein sichtlich angefressener Julian Nagelsmann, der Trainer der TSG Hoffenheim. „Diesen Haken vor dem zweiten Tor habe ich von Gómez gefühlt schon 4,7 Millionen Mal gesehen, da darf man nicht grätschen, da muss man begleiten." Man mochte ihm den Frust nachsehen, immerhin war Hoffenheim bis zu Gómez' erstem Treffer (25.) die klar spielbestimmende Mannschaft gewesen. Doch wenn die eigenen Angreifer beste Gelegenheiten reihenweise liegenlassen, dann macht Ruhe, und zwar nicht nur die vor dem gegnerischen Tor, den Unterschied. Das sah auch Gómez nach der Partie so: „Es gibt fußballerisch deutlich bessere Mannschaften als uns, aber wenn man in die Gesichter unserer Spieler blickt, dann sind alle cool, alle entspannt. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir so gefestigt sind, um auch so ein Spiel am Ende zu gewinnen."

Über die rechnerisch immer noch mögliche Qualifikation für die Europa League wollte Gómez hingegen keinen Gedanken verschwenden, im letzten Saisonspiel gegen den FC Bayern gehe es lediglich darum, einen „würdigen Abschluss für eine grandiose Rückrunde" zu finden. Und die Weltmeisterschaft? „Da mache ich mir keinen Druck, ich warte einfach ab bis zur Nominierung", sagte Gómez, ehe er zum ersten Mal zufrieden lächelte: „Ganz entspannt, versteht sich."

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