8 subscriptions and 2 subscribers
Article

Was sagen die Fans zur Löwen-Dämmerung?

Enttäuschung pur bei den Spielern des 1860 München: Auch die Fans im Landkreis Aichach-Friedberg sind nach dem Abstieg geschockt. Foto: Witters

Die Anhänger aus dem Wittelsbacher Land machen sich nach dem Abstieg Sorgen um den Traditionsklub. Dabei belasten neben der sportlichen Situation auch die Randale der Zuschauer die hiesigen Löwen-Fans. Von Thomas Hürner

Was Kritiker seit Jahren vorausgesagt haben, ist nun bittere Realität. Der TSV 1860 München ist nach einer 0:2-Pleite im Relegationsspiel gegen den SSV Jahn Regensburg in die 3. Liga abgestiegen und steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Löwen-Fans aus dem Landkreis Aichach-Friedberg bedauern die Entwicklung und verurteilen die Fanausschreitungen in der Allianz-Arena. Die Klubführung um Präsident Peter Cassalette und den erst vor zwei Monaten installierten Geschäftsführer Ian Ayre ist bereits zurückgetreten. Trainer Vítor Pereira bezeichnete das Projekt 1860 kurz nach der Niederlage als gescheitert. Ob der Giesinger Traditionsverein für die kommende Saison überhaupt eine Profilizenz erhält, gilt als fraglich.

Thomas Nöbel, Spielertrainer beim FC Laimering-Rieden, war in der A-Jugend selbst für die Löwen am Ball und fühlt sich dem Klub auch heute noch verbunden. „Ich habe noch viele Freunde dort, mit denen ich teils auch selber zusammengespielt habe", sagt der 32-Jährige. „Es tut schon weh, mit anzusehen, wie seit einem Jahrzehnt nicht nur Geld, sondern auch die Geduld der Fans verbrannt wird." Es sei darüber hinaus kein Zufall, dass nicht nur die erste Mannschaft abgestiegen ist, sondern auch zahlreiche Jugendmannschaften. Nöbel erinnert sich an bessere Zeiten: „Als ich noch bei den Löwen kickte, war die Jugendarbeit das Prunkstück von ganz Süddeutschland. Davon ist man heute weit entfernt, es fehlt ein solides Fundament." Nun müsse man den Anhängern baldmöglichst erklären, wie es weitergeht. Nöbel sieht eine Zukunft ohne Investor Hassan Ismaik als die beste Lösung für einen Neuanfang. „Es braucht nun Ruhe und ein klar definiertes System", sagt er. „Traditionelle Werte müssen wieder in den Vordergrund rücken, die Experimente und das Streben nach schnellem Erfolg ein Ende haben." Damit meint Nöbel unter anderem Trainer Vítor Pereira, dem es nicht gelang, die sportliche Talfahrt zu verhindern und der darüber hinaus in seiner kurzen Amtszeit mit sprachlichen Problemen zu kämpfen hatte.

62000 Zuschauer sahen in der Münchner Allianz-Arena neben einer desolaten Leistung auch Krawallen der Löwen-Fans, die fast zum einem Spielabbruch geführt hätten. Mit im Stadion war Andreas Menhart, Präsident des Fanklubs „Löwenburg Burgadelzhausen". Er sei tief enttäuscht und wisse nicht, wie er die Situation nun einordnen solle. Vor allem die Ungewissheit bezüglich der sportlichen Zukunft bereite ihm Kopfzerbrechen. „Zumindest der Rücktritt der Führungsetage war das richtige Signal", findet Menhart. Mit dem Abstieg hatte der Löwen-Fan auf gar keinen Fall gerechnet, noch zur Winterpause sah er einen Platz im gesicherten Mittelfeld als realistisches Saisonziel. „So kann man sich täuschen", gesteht Menhart verbittert. Die Spielklasse sei letztlich jedoch nicht ausschlaggebend für die Emotionen gegenüber seinen Löwen, ins Stadion werden er und die anderen Fanklub-Anhänger auch in der 3. Liga regelmäßig gehen. „Jetzt haben wir ja kürzere Auswärtsfahrten", schmunzelt Menhart.

Zum Schmunzeln ist Fabian Hürzeler, Spielertrainer des FC Pipinsried, ganz und gar nicht. Dem ehemaligen Spieler der zweiten Mannschaft tun vor allem seine ehemaligen Mitspieler leid: „Ich kann das einfach nicht begreifen. Ich habe dort noch einige Freunde. Die wissen jetzt nicht, wie es weiter geht. Die Führungsebene haut ab und lassen die Jungs im Stich." Denn die „Kleinen Löwen" müssen trotz ihres zweiten Platzes in der Regionalliga aufgrund des Abstiegs der Ersten nun künftig in der Bayernliga spielen. „Für die Profis wäre ein Neuanfang vielleicht gar nicht so schlecht. Doch für die Zweite ist dieser Abstieg eine Katastrophe."

Der Stadtrivale steht vor einem sportlichen und strukturellen Scherbenhaufen. Man könnte meinen, die prekäre Situation sei für viele Anhänger des FC Bayern München Grund genug für Spott und Häme. Nicht so für Thomas Weinmüller, Vorsitzender des Bayern-Fanklubs „De Road'n" aus Sielenbach: „Mir tut es einfach nur Leid für einen Traditionsklub. Nachtreten wäre weder mein Stil noch der des FC Bayern." Er selbst befindet sich gerade auf Geschäftsreise in Indonesien und verfolgte das Entscheidungsspiel live im Radio. Weinmüller sei entsetzt darüber gewesen, was er da über die sportliche Leistung der Löwen hörte. Allerdings empfinde er den Abstieg als solchen nicht für wirklich überraschend, die Entwicklung im gesamten Klub habe schließlich schon lange darauf hingedeutet, so der Bayern-Fan: „Schon in der Vergangenheit ist der FC Bayern positiv in Erscheinung getreten, wenn es darum ging, existenzbedrohte Klubs zu unterstützen", so Weinmüller, der darauf stolz ist. Er hätte nicht einmal etwas dagegen, wenn die Bayern-Verantwortlichen nun entscheiden, auch dem TSV 1860 unter die Arme zu greifen: „Beide Vereine tragen die Stadt München im Namen. Auch wenn es eine lange Rivalität gibt, so wäre ich in diesem Fall patriotisch gegenüber der Region."

Original