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AC Mailand: Berlusconi hat keinen Spaß mehr an seinem Spielzeug

Silvio Berlusconi, Präsident des AC Mailand, will den Verein verkaufen. © Marco Luzzani/Getty Images

Der AC Mailand hält sich noch für groß. Aber warum will Silvio Berlusconi seinen Verein dann verkaufen – ausgerechnet an die verhassten Kommunisten aus China?


Das Hauptquartier des AC Mailand im Nordwesten der Stadt strahlt Zukunft aus. Die "Casa Milan" hat ein Museum, einen Fanshop und ein Restaurant. Das 2014 eröffnete Bauwerk mit seinen Glasfassaden sieht aus wie der Hauptsitz eines Tech-Unternehmens im Silicon Valley.

Die Besucher aber kommen wegen der Vergangenheit. In goldenen Vitrinen stehen die vielen Trophäen für Meisterschaften und Champions-League-Titel. Auf Displays gibt es Bilder der Legenden von einst. "Das ist ein Platz, der all die Emotionen unserer Geschichte einfängt", sagte der Noch-Präsident Silvio Berlusconi auf der Eröffnungsfeier. "Wir müssen sportlich zurück an die Spitze, dorthin, wo wir die letzten 30 Jahre standen."

Der Verkauf des AC wird zum Fiasko

Die europäische Spitze ist für den AC Mailand mittlerweile weit entfernt. Bereits die vierte Saison in Serie spielt der siebenfache Europapokalsieger nicht mehr international. Clubs wie der FC Barcelona oder Real Madrid, früher sportlich wie finanziell gleich stark oder nicht mal, haben mittlerweile einen dreimal so hohen Jahresumsatz. Auch deshalb möchte Berlusconi den AC Mailand schon seit geraumer Zeit aus dem Portfolio seines Firmenimperiums veräußern.

Der Verkauf wird aber immer mehr zu einem Fiasko. Erst platzte nach monatelangen Verhandlungen ein Deal mit dem thailändischen Investor Bee Taechaubol, nun könnte sich das Szenario mit neuen Interessenten aus China zu wiederholen. Dabei schien bereits alles geklärt.

Zwar hatte der Rechtspopulist einst gesagt: "Die Kommunisten aßen ihre Babys, kochten sie auf offener Flamme." Doch dann überlegte es sich Berlusconi offenbar anders. Auch der Stadtrivale Inter ist seit Sommer im Besitz chinesischer Investoren, es handelt sich um das Unternehmen Suning, das als strategischer Partner der Bundesliga im Gespräch ist. Und so einigten sich im vorigen August Berlusconis Fernsehholding Fininvest und das chinesische Investorenkonsortium Sino-Europe Sports Investment Management Changxing über alle Modalitäten und unterzeichneten die Dokumente. Der Verein verkündete den Verkauf vor ausgewählten Fotografen.

520 Millionen für Berlusconi

Öffentlich tritt Li Yonghong, in italienischen Medien Mr. Li genannt, als Verwalter des Fonds auf. Über den 47-jährigen Geschäftsmann ist wenig bekannt. Weder über sein tatsächliches Vermögen noch über seinen Bezug zum Fußball.

Der Wert des AC Mailand wurde mit 740 Millionen Euro bewertet, auch Schulden in Höhe von 220 Millionen wurden berücksichtigt. Sino-Europe Sports (SES) sollte also 520 Millionen Euro in Raten an Berlusconis Fininvest überweisen. Zusätzlich wurde vereinbart, dass die Investoren 80 Millionen Euro an laufenden Kosten übernehmen. Ab hier beginnt eine Geschichte voller Widersprüche und Ungereimtheiten.

Eine Firma ohne Mitarbeiter?

Der Verkauf sollte eigentlich Ende letzten Jahres abgeschlossen sein, doch die vereinbarten Raten für die Anzahlung über 300 Millionen Euro kamen entweder zu spät oder gar nicht auf dem Konto von Berlusconis Firma an. Immer wieder wurde der Abschluss des Deals verschoben. Bislang wurden von der vereinbarten Summe 250 Millionen Euro in drei Raten gezahlt, darüber hinaus sollen Garantien über weitere 50 Millionen vorliegen. SES kratzte im März noch einmal 20 Millionen zusammen, die letzte Mini-Rate über 30 Millionen kam von der Rossoneri Sport Investment Lux mit Sitz in Luxemburg.

Rossoneri Sport Investment Lux ist eine Briefkastenfirma des Fonds-Verwalters Mr. Li. Sie war mal Teil von SES, tritt nun aber offiziell als alleiniger Investorenfonds für die Übernahme des AC Mailand auf. Das bestätigte der Club kürzlich in einer Mitteilung. Doch schon das gesamte Konstrukt war dubios. Acht Briefkastenfirmen von SES waren im Changxing World Trade Centre registriert. Als Reporter der Nachrichtenagentur Reuters die Büroräume im März besuchen wollten, fanden sie heraus, dass sie gar nicht existieren. Sicherheitsleute und Angestellte von anderen Firmen im Changxing World Trade Centre berichteten, dass sie bereits von der Firma gehört, allerdings nie jemand persönlich gesehen hätten.

Offenbar kam die große Politik den Verhandlungen in die Quere. Viele ursprünglich eingeplante Investoren sollen laut Reuters abgesprungen sein, weil der chinesische Staat Kapitalabflüsse regulieren will, um eine Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar zu verhindern. Nun ist Mr. Li vom ursprünglichen Konsortium als einziger verblieben, versicherte aber, "alle nötigen finanziellen Mittel für den Abschluss der Operation" zu haben.

Die nächste Deadline wurde auf den 14. April gesetzt, es fehlten noch 220 Millionen Euro. Wie die italienische Zeitung La Stampa berichtet, sollen 100 Millionen Euro von einem angelsächsischen Fonds namens Rossoneri Advanced Company Limited mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln kommen, über dem Rest steht noch ein großes Fragezeichen.

Wer kann da noch den Überblick behalten? Auch Berlusconis Sohn Pier Silvio sagte vorige Woche, dass er keine genauen Informationen habe. "Aber ein Rückzieher der Chinesen hat keinen finanziellen Schaden für Fininvest zur Folge, da uns auf jeden Fall etwas Konkretes in den Händen verbleibt." Es könnte also sein, dass der Verkauf scheitert, der AC Mailand aber die 300 Millionen Euro behalten darf, die er als Anzahlung bereits erhalten hat.

Das große Risiko liegt wohl eher bei Mr. Li. Wenn er das restliche Geld bis zur nächsten Deadline nicht aufbringt und Fininvest keinen weiteren Aufschub gewährt, verliert er all seine bislang aufgebrachten Investitionen. Dass er sie auf Rechtswegen wieder bekommen kann, gilt in Italien als unwahrscheinlich.

Berlusconis Liebe war Kalkül

Trotz dieser Aussichten auf Geld ohne Gegenleistung sind die Zukunftsaussichten des AC Mailand sehr ungewiss. Sollte es nicht klappen mit den Chinesen, wird wohl Silvio Berlusconi einfach weitermachen. Dass er noch mal investieren wird, darf aber bezweifelt werden. Es ist lange her, dass der Verein ihm als Propaganda-Instrument dienen konnte. Auch wegen seiner Erfolge im Fußball wählten ihn die Italiener vier Mal zu ihrem Ministerpräsidenten. 2011 dankte er ab, es war gleichzeitig das Jahr des letzten Meistertitels des AC.

Ohne politische Perspektive scheint Berlusconi keine Ambition mehr zu haben, den Verein groß zu machen, so wie in den Achtzigern, als er den AC von einem Abstiegskandidaten zu einem Champions-League-Sieger machte. Berlusconis Liebe zum AC Mailand war wohl eher Kalkül. Der europäische Fußball wird einen seiner schillerndsten Teile vielleicht auf Dauer verlieren.


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