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Partydrogen: Ein 23-Jähriger erzählt vom Rausch und dem Gefühl danach

Eine ganze Nacht durchfeiern und morgens direkt weiter – Partydrogen helfen dabei. Doch die Auswirkungen für den Körper können gravierend sein. Foto: Thomas Frey, dpa (Symbolfoto)

Um länger feiern zu können, greifen viele junge Menschen zu Partydrogen. Einer von ihnen ist Michael. Er kann nur noch berauscht auf Partys Spaß haben. Ein Leben auf dünnem Eis. Von Thomas Hürner

Es ist schon fünf Uhr morgens, doch Michael (Name geändert) denkt noch lange nicht ans Heimgehen. Bevor der Club schließt und in einer Stunde schon wieder zur After Hour öffnet, verschwindet er noch mal auf die Toilette. Dort schließt sich der 23-Jährige in die Kabine ein und holt sein Smartphone raus. Darauf legt er einen der kleinen weißen Brocken, die er in kleinen Plastiktütchen immer dabeihat, wenn er ins Nachtleben zieht. Jetzt die Bankkarte. Mit ihr zerkleinert er alles zu feinem Pulver. Koks. Dann rollt er einen 20-Euro-Schein zusammen. Michael zieht noch mal eine „Line", er möchte fit bleiben, bis nachmittags durchfeiern. Und vor allem: Er will sich gut fühlen, besser als er es sonst tut.

Jetzt dauert es nicht mehr lange und ein ganz neues Gefühl durchdringt seinen Körper und Geist. Michael fühlt sich selbstbewusst, er ist gesprächig, glücklich und wach. Er spürt, wie die Musik ihn mehr und mehr vereinnahmt, die Sorgen des Alltags sind vergessen. Die Wirkung hält aber nur ein bis zwei Stunden, Michael muss nachlegen. In seiner Hosentasche hat er noch kleine bunte Pillen, Ecstasy. In sie sind lustige Motive gepresst, wie Super Mario oder das Logo des FC Barcelona.

Nach dem Drogenrausch kommt ein tiefes Loch

Sobald die Wirkung einsetzt, ist er endgültig in einer Parallelwelt, einer Welt voller Liebe und Euphorie. Die Beine werden leicht. Michael glaubt, er schwebt. Am liebsten würde er alle Menschen umarmen und ihnen sagen, dass er sich so glücklich fühlt wie nie zuvor.

So sehen Michaels Wochenenden zurzeit eigentlich immer aus, sie sind von Drogen bestimmt. Doch irgendwann kommt der Montag und der junge Mann aus der Region Schwaben muss wieder zur Uni. Er schafft es nicht aus dem Bett, ist völlig übermüdet und emotional in ein tiefes Loch gefallen. Es sind die sogenannten „Downer", die immer folgen, wenn er zu exzessiv gefeiert hat. Sie können bis zu mehreren Tagen anhalten. „Ich weiß zwar, dass diese Phase kommt, aber ich nehme es trotzdem in Kauf", sagt er. „Ohne Drogen weggehen und Spaß haben, das funktioniert bei mir nicht mehr."

Angefangen hat alles, als seine Freundin vor zwei Jahren mit ihm Schluss gemacht hat. Er sei daraufhin depressiv gewesen, sogar Suizid-Gedanken waren da, erzählt der Student. Über Freunde kam er dann zu den Drogen. „Früher kannte ich bloß Alkohol, vielleicht auch ab und zu mal ein Joint", erzählt Michael. Er sei überredet worden, mal eine Ecstasy-Tablette zu probieren, anfangs habe er das gar nicht gewollt. Doch schließlich versuchte er es. Die Wirkung war überwältigend. „Das Gefühl von Trauer war nicht mehr existent, selbst wenn ich bewusst an negative Erlebnisse dachte", sagt der 23-Jährige. „Alles übertüncht von Glück, Liebe und Euphorie."

Für süchtig hält sich Michael nicht

Doch sobald die Wirkung nachlässt, werde man schnell mies gelaunt und wünsche sich das alte Gefühl zurück, erzählt er. Das Problem dabei: „Der Körper gewöhnt sich an die Droge, irgendwann braucht man zwei Ecstasy-Tabletten statt einer, um den Zustand vom letzten Wochenende wiederherzustellen." Daher greift Michael auf Mischkonsum zurück. Nicht selten nimmt er mittlerweile Ecstasy, Kokain, Ketamin, Speed, Alkohol und Marihuana gleichzeitig.

Der Student weiß aber um die Gefahr, die von Drogen ausgeht. Süchtig sei er nicht, findet Michael, er konsumiere sie ja nur am Wochenende. Es ist die Unberechenbarkeit, die ihm jedes Mal auch ein mulmiges Gefühl bereitet. Die positiven Gefühle können nämlich jederzeit auch in Horrortrips umschlagen, drei hat Michael bisher schon erlebt. Oder sollte man sagen: überlebt? „Die Macht, die Drogen auf deine Gedanken haben, ist nicht zu kontrollieren", sagt er. Dann weiche alles Positive auf einmal. Panik und Angst übernehmen die Kontrolle. Das seien die schlimmsten Stunden im Leben von Michael gewesen. „Im Kopf entsteht dann eine Dynamik, die immer negativer wird", erzählt er. „Es folgen Schweißausbrüche und Paranoia, die sogar so weit gehen, dass Selbstmord gedanklich die einzige Alternative wird, um diesen Gefühlen zu entfliehen."

Wegen "Horrortrips" nimmt Michael Drogen nicht mehr alleine

Michael ist sich sicher, dass er sich während eines dieser Horrortrips umgebracht hätte, wäre er alleine gewesen. Seither achtet er beim Drogenkonsum immer darauf, dass Freunde dabei sind, die ihn im Fall der Fälle beruhigen. „Sie müssen dir immer wieder vermitteln, dass du Realität und Fiktion gerade nicht unterscheiden kannst", sagt er. „Und vor allem müssen sie dir viele positive Sachen sagen, nur dann hast du eine Chance."

Eigentlich wisse er, dass er sich auf dünnem Eis bewegt, bekennt Michael. Daher versuche er nun, den Konsum einzuschränken und nur alle paar Wochen auf Drogen zurückzugreifen. Für ihn bedeutet das aber auch: An vielen Wochenenden bleibt er lieber daheim und geht nicht mit Freunden feiern. Alkohol alleine sei für ihn einfach nicht mehr genug, um auf Partys Spaß haben zu können.

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