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Ricarda Walkling ist auch in Übersee dribbelstark

Ricarda Walkling aus Obergriesbach kickt seit Sommer am College in den USA. Wo die Unterschiede zur Bundesliga liegen und was die 19-Jährige für die Zukunft plant. Von Thomas Hürner

In ihrer noch jungen Fußballkarriere hat Ricarda Walkling bereits viel erreicht. Vor wenigen Monaten feierte die 19-Jährige noch mit der Damenmannschaft des FC Bayern München die Meisterschaft in der Fußball-Bundesliga, 2013 gewann sie mit der deutschen U17-Nationalelf in England den EM-Titel. Dennoch wählte die Obergriesbacherin im Sommer eine neue Herausforderung.

Walkling ging mit einem Sportstipendium in die USA, wo sie Tourismusmanagement studiert und für das College-Team ihrer North Carolina State University Fußball spielt. Obwohl sie in der Heimat nicht nur sportliche Erfolge, sondern auch Familie und Freunde zurückgelassen hat, bereut Walkling diesen Schritt nicht: „Es macht mir viel Spaß. Das Studium gefällt mir und ich habe das Gefühl, mich sportlich weiterzuentwickeln."

Lediglich die Anfangszeit sei wegen des Jetlags und den heißen Temperaturen schwierig gewesen, auch sprachlich habe sie sich damals noch schwergetan. Weil sie hervorragend aufgenommen wurde, war all das aber nach zwei oder drei Wochen kein Problem mehr. Dabei hatte Walkling kurz vor Antritt ihrer Reise einen Rückschlag zu verkraften. Obwohl sie für die U19-Nationalmannschaft sämtliche Qualifikations-Spiele bestritt, wurde sie für die Europameisterschaft in der Slowakei nicht nominiert. Die Entscheidung ihrer Trainerin sei schon überraschend gewesen, gesteht Walkling, fügt aber hinzu: „Ich habe die Enttäuschung gut weggesteckt und in Motivation für meine neue Aufgabe umgewandelt."

Geschwindigkeit und Taktik sind anders

Als sich die Spielmacherin im fremden Land erst einmal akklimatisiert hatte, erkannte sie rasch die Unterschiede zum deutschen Fußball. In den USA seien junge Spielerinnen athletischer und schneller, allerdings bei Taktik und Spielverständnis nicht ganz so gut ausgebildet, findet Walkling. Der Trainer des College-Teams habe jedoch allerhöchstes Niveau: „Wir waren auf die Gegner immer hervorragend eingestellt, er könnte auch in Deutschland gute Arbeit machen."

Sportlich lief es für die 19-Jährige in der neuen Liga gut. Als Mittelfeldspielerin erzielte sie in der abgelaufenen Saison fünf Tore, an wesentlich mehr war sie direkt beteiligt. Mit ihrer Mannschaft schaffte es Walkling bis in die Endrunde der nationalen Meisterschaften, dort war aber im Achtelfinale Schluss.

Das ist der Unterschied zwischen den USA und Deutschland

Das Ligasystem ist in den USA anders als hierzulande. Die College-Teams sind in sogenannte „Conferences" eingeteilt, über die sie sich für die nächste Runde qualifizieren können, wo dann Spiele im K.o-System warten. Das hat zur Folge, dass es während der Saison Schlag auf Schlag geht, jede Woche musste Walkling neben täglichen Trainingseinheiten auch zwei Spiele absolvieren. „Das Pensum ist enorm, in den paar Monaten habe ich so viele Partien bestritten, wie sonst in einer ganzen Bundesliga-Saison", erzählt die Obergriesbacherin.

Die Entscheidung ins Ausland zu gehen, fiel aber nicht nur wegen der sportlichen Aspekte, Walkling wollte auch eine fremde Kultur und neue Menschen kennenlernen. „Ich war überrascht, wie offen und hilfsbereit die Leute sind", erzählt sie. „Das hat es mir im Alltag und in der Uni viel einfacher gemacht." Besonders fasziniert haben Walkling die Feierlichkeiten rund um Thanksgiving. „Jeder redet immer davon, doch es ist etwas ganz anderes, wenn man die Bedeutung versteht und nachvollziehen lernt. Das war für mich die schönste Woche in den USA."

Der US-Wahlkampf und seine Auswirkungen

Natürlich war auch der polarisierende US-Wahlkampf ein Thema, mit dem sich die 19-Jährige befasst hat. „Als die ersten Ergebnisse kamen, waren wir mit der Mannschaft im Fitnessstudio und viele zeigten sich erst einmal schockiert." Es kehrte aber schnell wieder Normalität ein, als sich die Trump-Gegner damit abgefunden hatten, dass es Hilary Clinton nicht ins Weiße Haus schaffen würde, erzählt Walkling. An ihrer Universität waren die Wahlergebnisse ein größeres Thema. Dort seien umgehend Gesprächshilfen angeboten worden, von denen vor allem dunkelhäutige Studenten Gebrauch machten, die sich um ihre eigene Zukunft und die ihrer Familie sorgten.

Obwohl es Walkling in den USA gut gefällt und sie sich an ihrem College für vier Jahre verpflichtet hat, steht hinter ihrer Zukunft noch ein kleines Fragezeichen. „Wo ich nächstes Jahr spiele, weiß ich noch nicht", sagt Walkling. „Hier ging alles so schnell, über die Weihnachtsfeiertage werde ich ein wenig in mich kehren und reflektieren."

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