Inzwischen 17-jährige Deutsch-Marokkanerin sagt im Wiener Terrorprozess aus - Zeugin belastet ihren angeklagten Ehemann
"WIEN/RAMSTEIN."Wollten eine Schülerin aus Bottrop und ein IS-Sympathisant aus Wien einen Anschlag auf den US-Flughafen Ramstein verüben? Das Mädchen behauptet beim Wiener Terrorprozess, einen konkreten Plan habe es dazu nicht gegeben. Nur ein Thema am Rande war gestern wieder jener 14-Jährige, der vor zwei Jahren auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen eine Bombe zünden wollte.
Auch am fünften Prozesstag am Landesgericht in Wien zeigt sich, dass die Vorwürfe gegen den 19-jährigen Terrorangeklagten Lorenz K. eng mit Jugendlichen aus Deutschland verwoben sind. Im Mittelpunkt stand die Aussage der „Ehefrau" von K., die inzwischen 17-jährige Amal H. aus Bottrop, die ihren „Gatten" immer wieder belastete. Die Schülerin meldete sich per Videoschaltung aus Düsseldorf zu Wort.
Den jungen Österreicher lernte die Deutsche mit marokkanischen Wurzeln im Sommer 2016 kennen. Zuerst war es ihre Freundin, die mit K. über das Internet flirtete und bei gemeinsamen Moschee-Besuchen von dem jungen IS-Sympathisanten aus Wien erzählte. Dann fing auch Amal H. an, mit dem Angeklagten zu chatten und für ihn zu schwärmen. Die Schülerin hatte damals im Alter von 15 Jahren begonnen, Kopftuch zu tragen, den Islam-Unterricht zu besuchen und zu beten. Bevor sie K. kannte, sei sie aber ein „friedlicher Mensch" gewesen. In den permanenten Gesprächen über den Islam habe sie eines Tages auch das Thema IS angesprochen. „Ich dachte, das ist alles falsch, was die machen. Aber er schien darüber besser informiert und hat mich mit seinen Argumenten überzeugt."
Weil der außereheliche Chatkontakt im radikalen Gedankengut nicht erlaubt sei, habe man sich entschlossen, zu heiraten. Die Eltern wussten davon nichts. Als „Abtrünnige" - also als nicht-praktizierende Muslime - habe man sie dafür auch nicht fragen müssen.
Ende November 2016 reiste der in Wien Angeklagte schließlich von Österreich nach Neuss, wo er kurze Zeit beim 22-jährigen Kevin T. unterkam, der sich seit Anfang März ebenfalls vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten muss. Anfang Dezember 2016 traf das radikalisierte Pärchen - die Schülerin trug ihm zuliebe einen Nikab - dann am Neusser Bahnhof zum ersten Mal aufeinander und fuhr prompt weiter zur Privatwohnung eines Imams. Der erklärte sich bereit, die beiden Minderjährigen nach islamischem Ritus zu verheiraten. Anschließend gingen sie in ein Hotel, um die „Ehe zu vollziehen".
Lorenz K. wird vorgeworfen, einen Zwölfjährigen zu einem Anschlag auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt motiviert zu haben. Auch die Schülerin aus Bottrop soll er zu einem gemeinsamen Anschlag bewogen haben: Laut Anklage soll unter anderem die US-Militärbasis im westpfälzischen Ramstein ein Ziel gewesen sein.
„Er sprach immer wieder von Anschlagsplänen und er kam mit dem Ziel nach Deutschland, eine Bombe zu bauen", belastete die 17-Jährige gestern gegenüber dem Gericht ihren „Gatten." Ob ein gemeinsamer Anschlag geplant gewesen sei? „Ja, aber ich wollte keine Menschen töten und noch nicht sterben." Wo und wann ein solches Attentat hätte verübt werden sollen, will sie heute nicht mehr wissen. Von der von Lorenz K. bei Kevin T. angefertigten „Testbombe" will sie ebenfalls nichts gewusst haben, auch sei ihr Ramstein als Anschlagsziel kein Begriff.
„Sie lügt, sie erzählt so viele Lügen.", bricht es danach aus dem Angeklagten heraus. „Ja, ich wollte einen Anschlag machen, aber ohne sie." Letztendlich habe ihn aber der Mut verlassen, und er sei nach Österreich zurückgekehrt. Dort wurde er im Januar 2017 festgenommen. Sein Einfluss auf die Schülerin sei nicht so groß gewesen, so der Angeklagte. „Sie träumte von Anfang an von einer Ehe mit einem Mudschaheddin."
Den Fall Lorenz K. hatte überhaupt erst jener heute 14-Jährige Jugendliche ins Rollen gebracht, der im November 2016 auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen einen Bombenanschlag verüben wollte, jedoch an der Zündung scheiterte. K. stand mit ihm in intensivem Kontakt. Der Verteidiger von K. wollte gestern erneut klar machen, dass der Junge aus Ludwigshafen nicht von K. beeinflusst wurde, sondern sich selbst radikalisierte beziehungsweise von IS-Leuten in Syrien angestachelt wurde.
Das Urteil gegen Lorenz K. wird für den heutigen Freitag erwartet.