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RB Leipzig: Gegen diese Frauen will niemand kicken

Vermutlich keine Minderheitenmeinung: Fans des 1. FC Kaiserslautern beim Spiel gegen RB Leipzig.

Auch im Frauenfußball genießt RB Leipzig die Privilegien der Fußballverbände. Nun hat sich der erste Verein geweigert, gegen das Team von RB zu spielen.

Von Thomas Fritz

In einer kleinen Stadt im Osten Sachsens wurde am Sonntag um 13.50 Uhr Fußballgeschichte geschrieben. Hier, am Tor zur Oberlausitz, wo der Wolf längst wieder heimisch geworden ist, entschieden Trainer und Präsidium des Bischofswerdaer FV 08 zehn Minuten vor Anpfiff der neuen Sachsenliga-Saison, nicht gegen das neu gegründete Frauenteam von RB Leipzig anzutreten.

Der Anlass für den Boykott: Im Leipziger Kader standen in der Mehrzahl bundesligaerfahrene Ex-Spielerinnen des FFV Leipzig, obwohl RB angekündigt hatte, sein Team mit Talenten aus dem Nachwuchsleistungszentrum zu bestücken.

Die Ursache des Boykotts geht tiefer, sie hat auch mit bundesweiter Sportpolitik zu tun. Seit Jahren debattiert Fußballdeutschland aufgeregt über den RB Leipzig. Der reiche Aufsteiger in die Bundesliga gilt als Retortenklub, ihm wird zudem vorgeworfen, die Statuten der Verbände zu umgehen. Die Verbände wiederum stehen in der Kritik, sich das gefallen zu lassen. Die Rede war bislang immer vom Männerfußball. Seit dieser Saison setzt RB aber auch auf die Frauen. Es ist wohl eine Frage der Zeit, bis der Verein auch dort in der Bundesliga auftaucht.

Der Eindruck, der sich in Bischofswerda und andernorts aufdrängt: Offenbar genießen sogar die Frauen von RB die Privilegien der Fußballverbände. Die Vorwürfe lauten Wettbewerbsverzerrung, Ungleichbehandlung und Täuschung. Und die Basis rebelliert nun dagegen. Bischofswerda ist vielleicht erst der Anfang. Andere Vereine könnten sich dem Boykott anschließen. Die Debütsaison der RB-Frauen würde zur Farce.

Die Vereine ärgert, dass RB Leipzig schon in der Sachsenliga spielen darf. Neue Vereine müssen eigentlich eine Klasse tiefer einsteigen. Die Vereine ärgert auch, dass der Sächsische Fußballverband (SFV), ein DFB-Landesverband, wenig gegen den Eindruck unternimmt, seine eigenen Paragrafen seien ihm nicht wichtig, wenn es um RB geht.

Als Red Bull vor rund drei Monaten seinen Einstieg in den Frauenfußball ankündigte, war die Euphorie beim SFV groß. Der Klub übernahm das Landesleistungszentrum Frauen- und Mädchenfußball vom klammen Zweitligaabsteiger FFV Leipzig. Schon als der österreichische Konzern 2009 sein Leipziger (Männer-)Projekt ins Leben rief, hatte ihn der SFV mit offenen Armen empfangen. Die Gründe sind klar und waren schon damals absehbar. Heute ist Sachsen wieder wer auf der Fußballlandkarte.

Vereine fühlen sich überrumpelt


Die Spitzenförderung sei für den SFV und seine Vereine "eine unheimlich positive Entwicklung", sagt der SFV-Vizepräsident Christoph Kutschker. "Weil wir damit die Möglichkeit haben, auch im Frauen- und Mädchenfußball ein Leuchtturm der Talentförderung zu werden." Alle sächsischen Klubs würden später von der Investitionen profitieren, wie bei den Männern. Tatsächlich trugen frühere RB-Akteure in der vergangenen Saison zu den Aufstiegen der Amateurvereine Lok und Chemie Leipzig bei. Auch Dynamo Dresden oder der Chemnitzer FC haben Ex-Leipziger unter Vertrag.

Mit diesen Argumenten geben sich nicht alle zufrieden. Heiko Kropp sagt, er gehöre nicht zur Fraktion der RB-Hasser. "Aber mir geht es um die Einhaltung der Regularien." Wie der Frauentrainer des TSV 1861 Spitzkunnersdorf denken viele.

Sie fühlen sich auch durch die Art überrumpelt, wie die RB-Frauen in den Wettbewerb eingegliedert wurden. Auf einer Staffeltagung Anfang Juli ließen die SFV-Funktionäre kurzerhand darüber abstimmen, eine Spielvereinigung aus Leipziger FC 07 und RB Leipzig in die Sachsenliga aufzunehmen. Dies wurde mit dem Argument begründet, den Talenten des von RB übernommenen Landesleistungszentrums bessere Konkurrenz zu bieten als eine Liga tiefer.

Der Antrag fand nach einer kurzen Debatte, in der vom Verband nur vier Wortbeiträge erwünscht waren, und trotz sportrechtlicher Bedenken eine knappe Mehrheit. Das SFV-Präsidium beschloss, die Sachsenliga aufzustocken. Drei schriftliche Proteste wurden später abgewiesen - wegen Formfehlern.

"Bewusst die Vereine getäuscht"

Dann geschah die Überraschung. Schon Ende Juli löste RB die Spielgemeinschaft wieder auf und übernahm mit Billigung des Verbandes das alleinige Startrecht für die Landesliga. Bloß, ein Verein, der ein neues Team zum Spielbetrieb meldet, dürfte nach Verbandsreglement nicht auf Anhieb in dieser Spielklasse auflaufen.

Das erinnerte an die Männerabteilung von RB. Die hatten 2009 auch eine Abkürzung genommen. Nachdem der Klub für eine unbekannte Summe das Startrecht und die gesamte Herrenabteilung des SSV Markranstädt übernommen hatte, durfte er direkt in der Oberliga ran. Später verschärfte der Verband die Regeln für Spielrechtsübertragungen. Der Vorwurf, er habe den Handel mit Lizenzen zugelassen, blieb hängen.

Unter den Konkurrenz der RB-Frauen gibt es große Zweifel, "ob der Verband sich an seine eigenen hohen Vorgaben zum Thema Fairness selbst hält", heißt es in einem offenen Brief des 1. FFC Chemnitz. "Wir mussten uns sportlich für die Liga qualifizieren", sagt Heiko Kropp aus Spitzkunnersdorf. Gut ein halbes Dutzend offener Briefe, mit deutlichen Worten, wurden mittlerweile an die Funktionäre in Leipzig adressiert.

Der Verdacht liegt auf der Hand, die RB-Macher hätten die Spielgemeinschaft nur aus taktischen Gründen gebildet, um eine Liga zu überspringen. Mit Billigung des SFV. Man müsse sich fragen, "ob hier der Verband bewusst die Vereine getäuscht hat, oder ob RB bewusst den Verband getäuscht hat", heißt es in der Erklärung des FFC Chemnitz.

Beim Beschuldigten sieht man die Angelegenheit anders. "Nach der Auflösung der Teams beim FFV Leipzig hingen unzählige Spielerinnen praktisch in der Luft. Und da wir das Landesleistungszentrum übernommen hatten, sind automatisch viele Spielerinnen an uns herangetreten", sagt der RB-Nachwuchsleiter Thomas Albeck. Man habe ihnen mit der Spielgemeinschaft eine Perspektive eröffnen wollen.

Erst nach der Abstimmung über die Aufnahme des Leipziger FC 07/RB Leipzig Anfang Juli soll der große Run der Ex-FFV-Aktiven zu RB eingesetzt haben. Die Spielgemeinschaft war wegen der Fülle an Spielerinnen dann offenbar nicht mehr notwendig. "Den Vorwurf der Bevorzugung eines einzelnen Vereins", sagt SFV-Vizepräsident Kutschker, "kann ich nur zurückweisen". Der Verband will das Gespräch mit den Klubs suchen, sie bei eventuellen Mehrkosten unterstützen, aber an der Aufstockung der Sachsenliga festhalten.

Vertrauen in Funktionäre erschüttert
Es gibt allerdings ein weiteres Indiz, dass RB in der Gunst des Verbands steht: die Ereignisse im Landespokal, einem anderen Wettbewerb. Leipzig war ursprünglich nicht gemeldet, durfte anstelle des früheren Spielgemeinschaftspartners trotzdem starten. Das war vermutlich nicht regelkonform. Leipzig gewann in der ersten Runde 7:0, mit kräftiger Unterstützung der früheren Zweitliga-Spielerinnen vom FFV. Juniorinnen vom Leistungszentrum spielten nicht mit. Johannstadt, der unterlegene Gegner, legte Einspruch ein. Die Sache geht vor ein Sportgericht. Auf den Pokalfall angesprochen, reagierte der SFV kleinlaut, man werde das Urteil akzeptieren.

Die Protestler sehen das Vertrauen in die Funktionäre erschüttert. "Der Fairplay-Gedanke wird mit Füßen getreten", sagt Kropp aus Spitzkunnersdorf. Auf der Homepage des Bischofswerdaer FV, des Boykottklubs, findet sich eine Grafik mit den Worten: "So nicht, SFV!" Bodo Lehnig, der Sportliche Leiter aus Bischofswerda, sagt: "Wir spielen gegen keinen Verein, der nach unserer Ansicht nicht am Spielbetrieb teilnehmen dürfte." 



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