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Roboter: Dingsbums - Sex mit der Maschine

"Dingsbums" ist ein sehr praktisches deutsches Wort. Wir verwenden es, wenn uns ein passender Begriff nicht einfällt oder wir noch gar keinen Begriff haben, der ein Phänomen angemessen beschreiben würde. In diesem Beitrag geht es im doppelten Sinne um "Dingsbums". Er befasst sich mit einem Phänomen, das sich bereits sehr deutlich ankündigt und Fragen des Sozialen und der Intimität in naher Zukunft massiv betreffen wird - ebenso wie unseren Umgang mit Dingen in ethischer Hinsicht. Es geht um Robotersex.

Unlängst wurden auf einer Sexmesse in London neue Generationen von Sexrobotern vorgestellt. Die Gummipuppe - ein passives aufgeblasenes Stück Plastik - war gestern. Die modernen Sexroboter sind aktiv und responsiv. Sie reden und interagieren mit ihren Besitzern, sie fragen nach deren Wünschen und sagen, was ihnen selbst gefällt. Die meisten Leser werden wohl auch diese weiterentwickelten Modelle nicht besonders erotisierend finden. Aber die Entwicklung schreitet voran; Technik und Physis der künstlichen Sexpartner werden sich auch künftig noch verbessern.

Für die Hersteller steckt darin ein großes Geschäft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in wenigen Jahren Geräte zur Verfügung stehen werden, die ein physisches Erlebnis von Sex vermitteln, das dem Sex zwischen Menschen in nichts nachsteht.

Man kann diese Entwicklung nüchtern als eine Auswirkung der weiter voranschreitende Technologisierung sehen, die immer auch Auswirkungen auf Teile der Sexindustrie gehabt hat, so wie umgekehrt diese technische Entwicklungen oft befördert hat. Was soll daran schlimm sein? Es gibt Vibratoren, Gummipuppen, Penispumpen, Apps, Internetportale und was noch alles. Es sind technische Hilfsmittel zur Befriedigung sexuellen Verlangens, so wie Sexroboter auch.

Der Unterschied zwischen Sexrobotern und klassischem Sexspielzeug ist jedoch nicht gradueller, sondern grundsätzlicher Natur. Künftige Generationen von Sexrobotern werden eine deutlich stärkere physische Ähnlichkeit zu menschlichen Sexpartnern aufweisen. Und durch ihre Fähigkeiten zu Simulation von Kommunikation ähnelt auch der Umgang mit ihnen immer mehr zwischenmenschlicher Interaktion. Ähnlich verhält es sich mit den Entwicklungen von Virtual-Reality-Sex. Es soll sich echt anfühlen, natürlich primär für den Mann: 85 Prozent der (weiblichen wie männlichen) Sexroboter werden von Männern bestellt.

Thomas Beschorner

ist Professor für Wirtschaftsethik und Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen.

Aktuell können Standardvarianten von Sexrobotern für etwa 10.000 US-Dollar erstanden werden. Individualisierte Modelle gibt es für den circa 10-fachen Preis. Diese können dann ganz den eigenen Wünschen nachempfunden sein und auch realen Vorbildern ähneln: dem Ex-Partner zum Beispiel, oder sogar der eigenen Mutter oder dem Vater.

Amüsieren im Roboter-Bordell

Was sind die Konsequenzen für unser Liebesleben? In der bislang kaum entwickelten akademischen Diskussion gibt es Befürworter wie Kritiker von Robotersex. Die Befürworter argumentieren beispielsweise, dass perfektionierter Robotersex Prostitution (und damit die Ausbeutung von Millionen von Frauen) überflüssig machen könnte. In Barcelona gibt es bereits den weltweit ersten Roboterpuff. Auch könnte womöglich pädosexuelles Verhalten und damit der Missbrauch von Kindern eingedämmt werden. Das erhoffen sich zumindest die Befürworter.

Kritiker hingegen sehen im Sex mit Robotern eine "Verrohung der Sitten", die negative Wirkungen auch auf die zwischenmenschliche Sexualität haben kann. Wer seinen Roboter vergewaltigt, könnte sich daran gewöhnen und irgendwann sexuelle Gewalt auch gegen Menschen ausüben, argumentieren sie. Pädosexuelles Verhalten würde hierdurch nicht reduziert, sondern inspiriert. Feministinnen und Feministen erheben den Vorwurf, Frauen könnten noch stärker als Sexobjekte gesehen werden.

Empirische Studien zu den Auswirkungen von Robotersex auf die menschlichen Beziehungen gibt es noch nicht. Wenn wir aber das breitere Phänomen von technologisierter Sexualität betrachten, finden wir Hinweise darauf, dass Technik und medialer Erotikkonsum auch das Sexualverhalten mit menschlichen Partnern beeinflussen. Studien unter Jugendlichen beispielsweise zeigen recht deutlich, dass das regelmäßige Konsumieren von Pornofilmen deren Bild von Sexualität beeinflusst. Die Vorstellungen, wie Sex abzulaufen habe, verändern sich. Die Folge können überzogene Erwartungen sein, eine verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers und der eigenen "Leistung" im Bett und - bei bestimmten Risikogruppen - auch eine höhere sexuelle Gewaltbereitschaft.

All das deutet auf etwas hin, wozu es bislang nur eine latente gesellschaftliche Sensibilität gibt: Wir interagieren mit Menschen, aber es gibt zudem Dinge, Objekte, die unsere Lebenswelten - sehr oft ohne, dass es uns bewusst wird - massiv prägen. Das Thema Sexualität ist dabei nur eines von vielen Beispielen.

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