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780 kg CO2 für den Segen vom Papst

Mit dem Flugzeug zum Wochenendtrip nach Rom? Keine Option, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen. Warum Fliegen wieder Luxus werden muss… eine Reise in die Zukunft.

Von Theresa Leisgang, Rom, 9. November 2018


Dieses Wochenende feiert meine Journalistenschule ifp ihr großes Jubiläum: Seit 50 Jahren werden hier katholische Journalisten ausgebildet – und das will gefeiert werden, mit einem großen Bankett, viel Rotwein und einer Papst-Audienz. Ja Hallo!

Die Feierlichkeiten beginnen am Freitag, vom Kotti in Berlin bin ich schon am Mittwoch aufgebrochen. Denn ich bin mit dem Zug gefahren. Ich habe mich bewusst für das langsame Reisen entschieden. Marketingleute nennen das slow travel, weil es fancy klingt. Für mich bedeutet das langsame Reisen mehr als nur der Blick aus dem Fenster, vor dem bayerische Zwiebelkirchtürme und österreichische Burgen, später schäumende Gebirgsbäche und gold leuchtende Lerchen vorbeiziehen, bis dann schließlich Weinreben die italienische Grenze markieren.  

Die Entscheidung für den Zug war eine politische, keine hedonistische. Ich hätte mein Geld besser in Wein investiert, wenn es mir um mein eigenes Glück ginge. Es war eher eine Verzweiflungstat: Der Versuch, möglichst wenig zum Klimawandel beizutragen.

Ein Flug von Berlin nach Rom verursacht 760 Kilogramm CO2. Die Emissionen einer Zugfahrt liegen laut dem WDR CO2-Rechner für dieselbe Strecke bei 121 kg. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Inder verbraucht in einem ganzen Jahr 1,58 Tonnen CO2.

Der UN-Klimarat hat erst kürzlich erneut gewarnt, dass die Schäden des Klimawandels irreparabel sein werden, wenn wir nicht bald die Notbremse ziehen. Wasser wird für mehr Menschen knapp, Ernten fallen schlechter aus. Es geht hier um globale Gerechtigkeit. Ein Wochenendtrip nach Rom mit dem Flieger ist nicht drin.

„Die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede sind untrennbar miteinander verbunden,“ schreibt Papst Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika ‚Laudato si‘.

Nie wieder fliegen. Das dachte ich, nachdem ich die Zerstörung im ecuadorianischen Amazonasgebiet und im Rheinischen Revier gesehen habe, die Erdöl- und Kohleproduktion verursachen. Nie wieder fliegen. Bringt das was? Haben nicht meine Mitstipendiatinnen Recht, wenn sie sagen: „Das Flugzeug von Berlin fliegt auch ohne dich“?


Fliegen muss wieder Luxus werden

Das Problem ist strukturell. Es gibt für viele Strecken keine gute Alternative zum Flugzeug, es ist schnell, sexy – und unschlagbar günstig. Fast ein Jahr vor dem Jahrestreffen in Rom fragte ich bei der Journalistenschule, ob wir nicht eine gemeinsame Anreise organisieren könnten. Es sei bei der Bahn wegen eines Sonderzugs angefragt worden, das war aber zu kompliziert. Ein Bus braucht von München 16 Stunden – unwahrscheinlich, dass das viele auf sich nehmen.

Also habe ich mich alleine mit dem Buchungsportal der DB herumgeschlagen, um schließlich 99 Euro für die Strecke München-Rom zu zahlen, während meine Freunde für 42 Euro hin- und zurück nach Berlin fliegen.

Es fehlen aber nicht nur Subventionen für die Bahn, damit die Ticketpreise der ausschlaggebende Faktor werden. Fliegen muss teurer werden. Nicht erst seit den Billigfliegern bildet der Preis eines Tickets nicht die Kosten ab, die der Flug für die Umwelt hat. Flugreisen müssen wieder Luxus werden.

Wenn wir den Klimawandel stoppen wollen, geht es also nicht darum, mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen, deren Lifestyle ein bisschen weniger grün ist als mein eigener. Es geht darum, gemeinschaftlich die strukturellen Probleme anzugreifen.

Massenproteste sind es, die unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. So war es 1968 und so hat es sich auch diesen Sommer angefühlt, auf den Demonstrationen von Chemnitz, #unteilbar und am Hambacher Tagebau.

Papst Franziskus schreibt in seiner Umwelt-Enzyklika, es gelte, „die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen.“ Bisher schaffen wir das nicht einmal in der kleinen ifp-Familie.

Solange das Flugzeug für WiWo-Redakteure das normale Verkehrsmittel zwischen Berlin und Frankfurt ist, das ZDF regelmäßig ein Videoteam aus dem Hauptstadtstudio mit dem Flugzeug nach Bayern schickt, wo es auch Mitarbeiter gäbe, die Geolino-Redaktion ihre Autorinnen für einen Beitrag über die Gletscherschmelze nach München einfliegen lässt, solange es also überhaupt kein Bewusstsein für die Problematik gibt, wird sich nichts ändern.

Es sind Geschäftsreisen – von Redakteuren, Unternehmerinnen, Ministeriumsmitarbeitern – die den Großteil des innerdeutschen Flugverkehrs ausmachen. Insgesamt sind im letzten Jahr 213 Millionen Menschen innerhalb Deutschlands geflogen. Deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Diskussion über nachhaltige Mobilität. Ich wünschte, mehr Leute würden sich die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft reisen wollen. Zum Beispiel im Zug.


Quelle für die CO2 Rechnung: https://www1.wdr.de/wissen/technik/co2rechner/index.html?fbclid=IwAR1AK-uRB0EXpK9NPjCu23HLjGP9nXWhHk...