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torial Blog | Auf den Schultern von Technologieriesen: Upday, Apple News und die Folgen für die Medien

Seit dem 01. September machen Springer und Samsung gemeinsame Sache. Ziel der strategischen Partnerschaft ist die Entwicklung neuer digitaler Medienformate für Nutzer in Europa. Den Anfang macht dabei eine von Springer entwickelte und gefütterte News-App namens Upday. Diese soll exklusiv auf Samsung-Smartphones erscheinen und ist seit 03. September in einer Beta-Version verfügbar. Der reguläre Start ist für das Frühjahr 2016 geplant und soll sich zunächst auf Deutschland und Polen beschränken.


In Upday werden News von allen möglichen Quellen zusammengeführt und kuratiert. Inhalte sollen dabei nicht ausschließlich von Springer kommen, sondern auch prominente Blogger und andere Medienmarken einschließen. Diese werden sowohl durch lokale Redaktionsteams in verschiedenen Ländern ausgewählt, als auch durch Algorithmen auf die Vorlieben der Nutzer angepasst.


Große Erwartungen

Welche großen Erwartungen Springer in die Kooperation setzt, zeigt sich schon im damit verbundenen Personalkarussell: So wechselt Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters zum 1. Januar 2016 zu Upday. Der laut Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner „beste Chefredakteur, den die Welt je hatte" verlässt also die Print-Online-Fernsehredaktion WeltN24 und wird Chief Product Manager von Upday, ist also zukünftig für alle journalistischen Inhalte wie für Produktentwicklung verantwortlich. CEO wird Verlagsmanager Peter Würtenberger, der 2012 mit Kai Dieckmann auf Inspirations-Tour ins Silicon Valley fuhr und in den Folgejahren für Springer in den USA nach Übernahmekandidaten scoutete.


Ob Upday tatsächlich Springers „vielleicht wichtigstes neue Medienprojekt seit der Bild-Zeitung" wird, wie Meedia titelte, muss sich zeigen. Sicher ist: Springer untermauert mit dem Projekt seine mobilen wie internationalen Ambitionen, die der Konzern unlängst mit der Übernahme des Business-Insider demonstriert hatte. Während Springer von der hohen Verbreitung der Mobilgeräte des Smartphone-Marktführers profitieren will, gewinnt Samsung einen neuen Trumpf im Kampf gegen Konkurrent Apple. Dieser hat mit Apple News unlängst einen eigenen Vorstoß in Sachen personalisierter Newsapps lanciert. Anders als Samsung kooperiert Apple dabei nicht mit einem großen Medienhaus, das für die Entwicklung der App verantwortlich ist, sondern startet gleich mit rund 50 Medienpartnern. Darunter Schwergewichte wie CNN, ESPN, New York Times, Time und Condé Nast, die etwa mit Wired und Vanity Fair vertreten sind. Während die App bislang als reiner Aggregator ausgelegt ist, ist Apple bereits dabei, ein Team aufzubauen, das die Algorithmen kuratorisch unterstützt.


Lernen vom Konsolenkrieg

Wo die Technik immer austauschbarer wird, sollen die Inhalte also den Unterschied machen. Eine Strategie, die in der Gamesbranche seit Jahrzehnten Standard ist. Plattformexklusive Titel wie „Super Mario" verkaufen Nintendo-Konsolen, „Halo" Microsofts X-Box. Upday und Apple-News sollen die Verkäufe von iPads und Galaxy-Smartphones anschieben. Passenderweise erkärte Wired Apple News nach dem Start zum aktuell besten Grund, ein iPad zu besitzen. Dass man diesem Statment in einer Publikation eines Apple-Partners mit einer gewissen Reserve begegnet, umreißt zugleich das Glaubwürdigkeits-Dilemma, das sich aus der Kooperation von Medienunternehmen und Technologiegiganten ergeben wird.


Apple versammelt gleich zu Beginn 50 große Medienpartner, um seine App zu füllen. Für den Medien-Buisness Analysten Rick Edmonds ist Apples Vorstoß allerdings ohnehin kein Selbstläufer. Den Medienunternehmen bringe die News-App zwar einerseits mehr Traffic und zusätzliche Einnahmequellen, jedoch risikieren sie damit, dass ein großer Teil der Views außerhalb der eigenen Plattform stattfinden.


Charmeoffensive mit Widerhaken

Apple versucht die mögliche Reserve potentieller Medienpartner prophylaktisch zu entkräften. So behalten die Verlage 100 Prozent aller Werbeumsätze, wenn sie Werbung selbst lancieren, und 70 Prozent, wenn Apple die Werbeplätze zu ihren Inhalten vermittelt. Zusätzlich sollen die Abrufe in die vor allem für US-Werber wichtigen Comscore-Zahlen einfließen, werden also zu den Nutzungszahlen ihrer eigenen Plattformen addiert.

Außerdem stellt der Konzern aus Cupertino seinen Partnern eine weitgehende Kontrolle über die Präsentation ihrer Inhalte in Aussicht. Sie können ihre Inhalte in schicker, printartiger Optik präsentieren und - anders als etwa bei Facebooks Instant-Articles - in Look und Layout ihr Markenprofil bewahren. Außerdem können sie ihre Inhalte in diverse Kategorien einordnen, was den Usern die Navigation erleichtert und somit die Auffindbarkeit erhöht. Funktionen, von denen Nicht-Partner nicht profitieren - was den Druck erhöhen dürfte, sich um eine Partnerschaft zu bemühen, um nicht den Anschluss zu verlieren.


Die Angst vor den Ad-Blockern

Aber nicht nur die günstigen Bedingungen und die schicke Präsentation dürften die Medienunternehmen zu Apple gelockt haben, sondern auch eine Angst, die der Konzern aus Cupertino selbst gesät hat. Apples Browser Safari enthält in iOS 9 ab Werk die Möglichkeit, Werbung zu blocken, was nach Aussage eines Verlegers gegenüber Recode die Werbeindustrie in ihren Grundfesten erschüttern dürfte. Kein Wunder also, dass die Medienunternehmen so eifrig zu Apple News strömen, das vom Zugriff der Ad-Blocker ausgenommen ist. Die Technik der mehr oder weniger subtilen Einflussnahme zählt zu Apples Kernkompetenzen.


Kaum überraschend fielen nicht alle Reaktionen auf Apples Publikationspläne positiv aus. „Die meisten Nachrichtenunternehmen kontrollieren nicht selbst ihre Zukunft, das tun die Plattformen. Brutale Realität" äußerte sich Austen Allred, Mitgründer des crowd-betriebenen Newsrooms Grasswire, in einem Tweet. Technik-Journalist Dan Gilmour twitterte in ähnlicher Tonlage: „Nachrichtenorganisationen fuchteln hilflos um sich, während dominierende Unternehmen wie Facebook und nun Apple die Kontrolle über den Medien-Konsum übernehmen." Die Konsequenzen des Schulterschlusses von Technologiekonzernen und Medienmarken sind noch nicht abzusehen. Insbesondere auch die Folgen für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Medienmachern, die weiterhin kritisch über die Strategien und Produkte eben jener Technologieriesen berichten sollen, auf deren Vertriebswege sie zugleich angewiesen sind.

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