39 subscriptions and 8713 subscribers
Article

torial Blog | Pegida-Parolen im Faktencheck

"Deutschland wird islamisiert. Deutschland nimmt zu viele Flüchtlinge auf. Ausländer integrieren sich nicht gut genug." Nur drei Behauptungen, mit denen die fremdenkritische Pegida Tausende auf die Straßen lockt. Halten die Behauptungen der Realität Stand? Wir haben es überprüft.


Seit November 2014 sorgen die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz Pegida, für Wirbel in der Öffentlichkeit. Ihre Positionen sind zumindest ausländerskeptisch, speziell, wenn es um Asyl geht. Manche Medien etikettieren Pegida als rechtspopulistisch. Alle großen Parteien grenzen sich von Pegida ab - mit Ausnahme der AfD, die sogar den Dialog mit Pegida sucht. Hochburg der Pegida-Demonstrationen ist Sachsen (wo die AfD bei der jüngsten Landtagswahl 9,7 Prozent erhielt). Ableger gibt es in vielen deutschen Städten. Allerdings gibt es auch eine breite Gegenbewegung zu Pegida, an den Gegendemonstrationen nehmen oft mehr Menschen teil als an denen der Pegida-Ableger.


Im Dezember hat Pegida ein Positionspapier veröffentlicht. Ich habe mir die Aussagen angeschaut und zu fünf Kernthesen gruppiert, die ich einem Faktencheck unterzogen und sie anschließend nach ihrem Wahrheitsgehalt bewertet habe.

Pegida-Thesen:

Deutschland wird islamisiert!
Deutschland nimmt unverhältnismäßig viele Flüchtlinge auf!
Der Staat greift zu wenig gegen kriminelle Ausländer durch!
Ausländer sollen sich besser integrieren!
Deutschland braucht eine qualitative Zuwanderung!

1. These: Deutschland wird islamisiert!

Pegida steht für: „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Die Fakten: Islamisierung ist ein schwammiger Begriff. Was soll genau damit gemeint sein? Mehr Muslime in Deutschland? Exakte Zahlen liegen nicht vor, weil die islamischen Gemeinden in Deutschland nicht als Körperschaften öffentlichen Rechts gelten und deswegen auch nicht in der Demographie-Studie Zensus unter Religionszugehörigkeit erfasst werden. Schätzungen u.a. des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gehen von zwischen 4 und 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland aus. Das sind etwa fünf Prozent der gesamten Bevölkerung in Deutschland. Richtig ist, dass die Zahl der Muslime und damit auch ihr Anteil an der Bevölkerung in Deutschland gestiegen ist:

Zum Salafismus, einer ultrakonservativen Strömung des Islam, bekennen sich in Deutschland nach Schätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz etwa 6000 Menschen, also 0,0014 Prozent, also etwa jeder Tausendste Muslim in Deutschland ist ein Salafist.


Die Wertung: Genauso wie die Spanne bei Christen vom regelmäßigen Kirchgänger bis zur Karteileiche reicht, ist es auch bei Muslimen. Allein aus der Religionszugehörigkeit lässt sich aber noch nicht ablesen, wie aktiv, missionarisch oder fanatisch jemand ist bzw. ob er sogar gewaltbereit ist. Der Begriff Islamisierung impliziert, dass der Islam die Oberhand gewinnen würde und sich sämtliches Leben in Deutschland dem anpassen würde. Das ist nicht so. Wenn man Muslime ihren Glauben leben lässt - und sei es in speziellen Bäderöffnungszeiten für muslimische Frauen, die sich aus Glaubensgründen nicht spärlich bekleidet Männern zeigen dürfen - ist das ein Beispiel für praktizierte Religionsfreiheit. Deswegen ist es vollkommen unverhältnismäßig, von einer Islamisierung zu sprechen.

Torial icon 0 Wahrheitsgehalt: 0 Prozent.

2. These: Deutschland nimmt unverhältnismäßig viele Flüchtlinge auf!

Die Pegida ist für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. „Das ist Menschenpflicht", heißt es im ersten Punkt des Pegida-Positionspapiers vom Dezember 2014. In Punkt 4 fordert Pegida „einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten".

Die Fakten: Nach einem Rückgang in den Neunziger Jahren - zurückzuführen auf die Einschränkung des Asylrechts im Grundgesetz 1993 - steigt die Zahl der Asylanträge seit 2008 wieder an. 2014 wird vermutlich der höchste Wert seit 1993 erreicht (Dezember-Zahlen wurden noch nicht veröffentlicht). Von Januar bis November gab es in Deutschland 181.453 Asylanträge (Erst- und Folgeanträge zusammengerechnet).


Deutschland erhält zwar absolut gesehen die meisten Asylanträge (gefolgt von Schweden, Italien und Frankreich), ganz anders sieht es aber aus, wenn man die Asylanträge in Relation zur Bevölkerung setzt. Dann liegt Schweden auf Platz 1, gefolgt von Ungarn und Malta. Deutschland liegt dann mit 2,15 Asylanträgen pro 1000 Einwohner auf Platz sechs.

Asylantrag heißt aber nicht gleichzeitig Asyl. 2014 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis November nur 29,8 Prozent der Anträge angenommen (Asyl und Flüchtlingsschutz). In früheren Jahren waren es zum Teil sogar unter zehn Prozent. Im Zeitraum 2008 bis 2013 kamen im Schnitt 28 Prozent der Asylsuchenden in den Genuss einer der unterschiedlich weit reichenden Schutzklassen (Anerkennung als Flüchtling, Familienasyl, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot).


Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit diesen 28 Prozent gerade mal im Mittelfeld und minimal unter dem EU-Schnitt von 28,7 Prozent. Spitzenreiter ist Malta mit einer durchschnittlichen Schutzqoute von 67 Prozent, gefolgt von Bulgarien (59,9%) und Italien (51,5%). Am wenigsten Aussichten auf Asyl haben Flüchtlinge in Griechenland (1,37%), Irland (6,7%) und Luxemburg (10,7%). Hier die durchschnittlichen Schutzquoten in der EU 2008-2013 auf einen Blick:


Quelle: Eurostat: First instance decisions on applications by citizenship, age and sex Annual aggregated data (rounded)

Die von Pegida erhobene Forderung nach einer EU-Quotenregelung für Flüchtlinge ist politisch umstritten, Bundesinnenminister de Maizière befürwortet sie, ebenso wie Österreich und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström (Schweden). Zu den Gegnern einer solchen Quote zählen osteuropäische Länder sowie Spanien und Portugal.


Die Wertung: Es stimmt zwar, dass Deutschland in den letzten Jahren wieder mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als in früheren Jahren. Dennoch ist Deutschland hier kein Spitzenreiter, wenn man die Asylbewerberzahlen ins Verhältnis zur Bevölkerung setzt. Schaut man sich dann noch an, wie viele Asylanträge tatsächlich genehmigt werden, ist Deutschland gerade noch im europäischen Mittelfeld. Daher kann von einer Unverhältnismäßigkeit keine Rede sein.


Torial icon 10 Wahrheitsgehalt: 10 Prozent.

3. These: Der Staat greift zu wenig gegen kriminelle Ausländer durch!

Es gibt zwei Forderungen im Pegida-Programm, die stark nach mehr „Law and Order" klingen, speziell gegenüber Asylbewerbern und Migranten:

„8. PEGIDA ist FÜR die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung! 9. PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!"

Die Fakten: Hier wird impliziert, dass es schlimmer ist, wenn ein Asylbewerber oder ein Migrant straffällig wird als ein Deutscher und dass man solche Leute am liebsten früher als später außer Landes schaffen will. Ob Asylbewerber und Migranten häufiger straffällig sind als Deutsche, ist statisch nicht zu belegen und nicht zu widerlegen. Problematisch ist schon der Begriff Migrant. Die Politik spricht hier von Menschen mit Migrationshintergrund: Damit sind die seit 1950 nach Deutschland Zugewanderten und deren Nachkommen sowie die ausländische Bevölkerung gemeint. In Deutschland lebten 2013 etwa 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 20,5 %. Mit 9,7 Millionen hatte der Großteil der Menschen mit Migrationshintergrund einen deutschen Pass, gut 6,8 Millionen waren Ausländer.


Meistens wird die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes herangezogen, die in Deutsche und Nicht-Deutsche Tatverdächtige unterscheidet. Tatverdächtige sind aber nicht gleich Täter und schon gar nicht verurteilte Täter. Der Anteil von Nicht-Deutschen Tatverdächtigen lag 2013 bei 26,8 Prozent. Ein Vergleich mit dem Anteil von Ausländern an der Bevölkerung in Deutschland (8,4 Prozent) verbietet sich dennoch. Die Sozialwissenschaftlerin Ilka Sommer erörtert in dem sehr differenzierten Beitrag "Ausländerkriminalität" - statistische Daten und soziale Wirklichkeit" für das Online-Dossier "Innere Sicherheit" der Bundeszentrale für politische Bildung, warum die PKS mit großer Vorsicht zu genießen ist, wenn "deutsche" und "nicht-deutsche" Kriminalität verglichen werden soll:


Ausländer sind Deutschen in vieler Hinsicht rechtlich nicht gleich gestellt und können daher potenziell mehr und anders geartetes Unrecht begehen. (z.B. Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, das Asylverfahrensgesetz und das Freizügigkeitsgesetz der EU). Allein die sogenannten "ausländerspezifischen" Delikte machen 13,6 Prozent der erfassten nichtdeutschen Tatverdächtigen aus. Ausländer oder ausländisch-stämmige Menschen werden eher angezeigt als Deutsche. Vergleiche zwischen Ausländern und Deutschen anhand der PKS blenden soziale Merkmale wie Alter, Geschlecht, Region oder Bildung aus, die für die Strafauffälligkeit mit ausschlaggebend und in den beiden Gruppen sehr ungleich verteilt sind. In der PKS stehen alle erfassten Straftaten gleichrangig nebeneinander, also etwa Ladendiebstahl dem Mord, die illegale Einreise dem illegalen Verschieben von Massenvernichtungswaffen oder der Handtaschenraub dem Terroranschlag

Wenn ein Ausländer zu einer Haftstrafe von drei oder mehr Jahren oder innerhalb von fünf Jahren bei mehreren Straftaten zu insgesamt mehr als drei Jahren Haft verurteilt ist, wird er laut Aufenthaltsgesetz zwingend ausgewiesen. Aber auch für Ausländer gilt selbstverständlich der Rechtsstaat, ihre Schuld muss gerichtlich erwiesen sein.


Mit politischem Asylmissbrauch beschäftigt sich sogar das Grundgesetz:

„Wer das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte",

heißt es in Artikel 18 GG.


Für die Asylbewerber ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Die Schutzquote liegt wie in These 2 geschildert um die 30 Prozent. Die restlichen 70 Prozent müssen Deutschland verlassen. Hier wird es mit den Zahlen schwierig. Manche abgelehnte Asylbewerber tun das freiwillig, andere nicht. Die Zahl der Abschiebungen war von 2004 bis 2010 rückläufig (siehe Grafik) und steigt seitdem wieder an. Ende Juni 2014 hielten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 143.000 Ausreisepflichtige in der Bundesrepublik auf, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Laut Bundespolizei wurden im ersten Halbjahr 2014 5743 Personen abgeschoben. Die Abschiebezahlen lassen sich allerdings nicht mit den Zahlen der abgelehnten Asylbewerber in Relation setzen, weil auch straffällig gewordene Ausländer ohne Asylbezug unter den Ausreisepflichtigen sind.

Für den Vollzug der Abschiebung sind die Bundesländer zuständig. Oft kann die Identität der Flüchtlinge nicht festgestellt werden. Manche Bundesländer nehmen im Winter generell keine Abschiebungen vor.


Die Wertung: Wer in den Augen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kein Recht auf Asyl hat, bekommt auch keines. Deutschland ist wie unter 2. gezeigt nicht übermäßig generös mit der Gewährung von Asyl. Die Asylgesetze werden also umgesetzt. Beim Vollzug der Abschiebung gibt es Defizite.


Torial icon 30 Wahrheitsgehalt: 30 Prozent.

4. These: Ausländer sollen sich besser integrieren!

Position 2: „Pegida ist für die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert)".

Die Fakten: Der Ruf nach einer Integrationspflicht impliziert, dass Menschen mit Migrationshintergrund zu wenig integriert sind. Eine Forderung, die von einer Mehrheit der Deutschen geteilt wird, wie die seit 1980 erhobene Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) des GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften zeigt. Der Aussage „Die in Deutschland lebenden Ausländer sollten ihren Lebensstil ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen", stimmten bei der letzten Befragung 2012 73 Prozent der Westdeutschen und 79 Prozent der Ostdeutschen zu.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung: Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Kapitel 7.4. Einstellungen und Kontakte zu Ausländern, S.207. Datenbasis: ALLBUS 1980, 1984, 1988, 1990, 1994, 1996, 2000, 2002, 2006, 2010 und 2012

Der Begriff „Integration" taucht im Grundgesetz nicht auf, das Recht auf Asyl wurde 1993 erheblich eingeschränkt. Das, was Pegida fordert, ist aber schon geregelt und zwar im „Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet", kurz Aufenthaltsgesetz. In Paragraph 43(1) heißt es: „Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert und gefordert." Ein wichtiger Baustein in der deutschen Integrationspolitik sind die Integrationskurse, in denen Ausländer die deutsche Sprache, Geschichte, Kultur und Rechtsordnung lernen sollen. Neben den allgemeinen Integrationskursen gibt es auch spezielle, wie z.B. den Alphabetisierungskurs und den Frauen- und Elternintegrationskurs, Die Integrationskurse sind Angebot und Verpflichtung zugleich. Verpflichtend sind sie für Ausländer, die keine ausreichenden Deutschkenntnisse besitzen oder Arbeitslosengeld beziehen. Seit 2005 haben mehr als eine Million Ausländer einen dieser Integrationskurse besucht, etwa 40 Prozent davon verpflichtend.

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das erste Halbjahr 2014

Die Wertung: Schon jetzt ist gesetzlich geregelt, dass die Integration von Ausländern gefordert wird. Es gibt von Seite des Staates auch viele entsprechende Angebote, wie die Integrationskurse, die zum Teil auch verpflichtend sind.


Torial icon 10 Wahrheitsgehalt: 10 Prozent.

5. These: Deutschland braucht eine qualitative Zuwanderung!

Position 11: "PEGIDA ist FÜR eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas"

Die Fakten: Deutschland ist mittlerweile ein Einwanderungsland. In Deutschland lebten 2013 etwa 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 20,5 %. Seit 1950 sind insgesamt 11 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gezogen als Menschen Deutschland verlassen haben. Die Ein- und Abwanderungskurve war großen Schwankungen unterworfen. Den höchsten Zuwanderungsüberschuss gab es 1992. Nach der Asyl-Beschränkung 1993 ging er stark zurück, 2008 und 2009 wanderten sogar mehr Menschen aus als ein. Seit 2010 steigt der Zuwanderungsüberschuss jedoch wieder sprunghaft an. Ein Saldo von 437.303 im Jahr 2013 ist der höchste Wert seit 1993. Zwar wandern auch Deutsche wieder ein, Ausländer machen im Durchschnitt seit 1954 jedoch 79 Prozent der Zuwanderer aus.

Quelle: Statistisches Bundesamt: Vorläufige Wanderungsergebnisse 2013. Binnen- und Aussenwanderungen nach Herkunfts-/Zielländern, Staatsangehörigkeiten, Alter und Geschlecht.

Da die Bundesrepublik weiter eine unterdurchschnittlich niedrige Geburtenrate und eine vergleichsweise alte Bevölkerung hat, ist sie auf Zuwanderung angewiesen, wenn die Bevölkerung nicht abnehmen soll. Schon jetzt herrscht in einigen Branchen Fachkräftemangel, der oft nur durch Zuwanderung gemildert werden kann.

Womit wir bei der qualitativen Zuwanderung wären, wie sie die Pegida fordert. Es sollen nur hoch qualifizierte Ausländer ins Land kommen dürfen. Als Vorbild werden u.a. die Schweiz und Kanada genannt.

In der Schweiz legt die Regierung, der Bundesrat, jährliche Höchstzahlen und Kontingente für zuwanderungswillige Ausländer fest, nach den „gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer auszurichten", wie es in der Bundesverfassung heißt. Aufenthaltsbewilligungen bekommen vor allem ausländische Fachkräfte, die von Schweizer Firmen gesucht werden.

In Kanada legt das Parlament regelmäßig fest, wie viele Migranten ins Land kommen dürfen. Die Auswahl der Zuwanderer erfolgt in einem Test, in dem Alter, Ausbildung und Sprachkenntnisse überprüft werden. Wer in einem Mangelberuf arbeitet, erhält Extrapunkte. Wer eine bestimmte Punktzahl erreicht, bekommt sofort einen Daueraufenthaltsstatus und kann auch sofort seine Familie mitbringen.

In Deutschland gibt es keine zentral geregelten Quoten für Zuwanderer. EU-Bürger sowie Bürger aus Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz genießen in Deutschland die Freizügigkeit. Wer nicht Bürger dieser Staaten ist, gilt als Bürger eines Drittstaats und benötigt für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland einen der vier Aufenthaltstitel (zwei befristet, zwei unbefristet). Dafür sind die kommunalen Ausländerbehörden zuständig. Sie achten bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln darauf, dass der Lebensunterhalt der Zuwanderer gesichert ist. Natürlich spielen auch die Ausbildung beziehungsweise die fachlichen Qualifikationen des Migranten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über die Art des Aufenthaltstitels. Die Qualifikation wird also schon berücksichtigt, aber nicht so systematisch und so zentral wie etwa im Punktesystem Kanadas.

Auch in der Bundespolitik gibt es Stimmen, die ein Einwanderungsgesetz mit einem Punktesystem fordern. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach sich dafür aus, in der Union ist das aber noch eine Minderheitenmeinung. SPD und Grüne sind aufgeschlossener für ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem.

Sollte in Deutschland tatsächlich eine qualitativ geregelte Zuwanderung kommen, würde das vermutlich auch der Diskussion, ob der deutsche (Sozial-)Staat bei der Zuwanderung unter dem Strich gewinnt ( Studie der Bertelsmann-Stiftung) oder draufzahlt ( ifo-Institut-Präsident Hans-Werner Sinn), den Nährboden entziehen.


Die Wertung: Die Zuwanderung in Deutschland hat zuletzt wieder zugenommen. Richtig ist, dass die Qualifikation der Zuwanderer hierzulande weniger stark beachtet wird als in den genannten Ländern Schweiz und Kanada. Angesichts des Fachkräftemangels in manchen Branchen, wäre ein Punktesystem ein möglicher Ansatzpunkt.


Torial icon 50 Wahrheitsgehalt: 50 Prozent.

Unter dem Strich sind die meisten Pegida-Thesen also nicht oder nur sehr eingeschränkt zu halten. Pegida ist nicht generell islam- und ausländerfeindlich, die meisten Positionen zielen aber darauf ab, dass nur "gute" Ausländer erwünscht sind (gebildet, gestzestreu, integrationswillig). Sobald ein Zuwanderer oder Flüchtling nicht diese Voraussetzungen erfüllt, setzt Pegida voll auf Law-and-Order-Parolen, die auf Abschottung und Abschiebung abzielen.






Original