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torial Blog | Powered by Pepsi: Der Trend zum Native Advertising

Native Advertising gilt je nach Perspektive als Rettungsanker der Onlinewerbung oder als Untergang des unabhängigen Journalismus. Aber wie sieht denn die Werbung im redaktionellen Gewand in der Praxis aus?


Blinkende Bannerwerbung ist der bunteste und hartnäckigste Irrtum seit der Etablierung des World Wide Web. Sie wird bestenfalls versehentlich angeklickt und durch den Siegeszug der Ad-Blocker zunehmend ausgefiltert. Da das die ohnehin chronisch klammen Onlinemedien dringend benötigte Einnahmen kostet, fühlte sich ja unlängst erst Bild.de ja dazu verleitet Ad-Blocker-Nutzer vom eigenen Angebot auszusperren. Das vermeintliche Gegenmittel gegen Banner-Blindheit nennt sich Native-Advertising: Also Werbung, die sich optisch und stilistisch wie redaktioneller Inhalt gibt und nur durch kleine Hinweise als Reklame markiert ist. Das Prinzip ist nicht neu, und als Advertorial oder „Verlagsbeilage" im Print-Bereich seit Jahren gängige Praxis. Allerdings mit dem Unterschied, dass online eine Angleichung von werblichen Texten an das redaktionelle Layout noch leichter zu bewerkstelligen ist und inflationärer betrieben werden kann, befürchten zumindest Kritiker dieses Trends. Unternehmen versprechen sich davon so dicht wie möglich an ihre Kunden heranzukommen und von der Glaubwürdigkeit, Reichweite und Viralität des Wirtmediums zu profitieren.


Medienmacher hoffen auf kalkulierbare Werbeeinnahmen, die durch keinen Ad-Blocker geschmältert werden. Losgetreten wurde dieser Trend durch virale Schwergewichte wie Buzzfeed oder Huffington Post, die ihre Geschäftsmodelle bereits überwiegend auf Native Advertising bauen, und die Werbeform mit ihren hiesigen Ausgründungen nach Deutschland importiert haben. Für sogenannte „Brand Publisher" wie Intel, Motorola oder HBO erstellte Listicles führen da etwa die 15 Dinge, die wir in der Schule gemacht haben und zukünftige Schüler nicht verstehen, 10 Gefühle, die New-Yorker Frauen zumindest einmal gehabt haben um damit ihre Smartphones, Laptops oder die Serien zu bewerben. Aber auch Nachrichtenmedien wie die altehrwürdige New York Times, der Guardian, The Atlantic oder die Washington Post setzten bereits auf die anschmiegsame Werbung.


Powered by Schleichwerbung

Solange Native Ads klar gekennzeichnet sind, gibt es aus Sicht der Befürworter kein Problem. Der Tenor: User wüssten Informations- oder Unterhaltungsmehrwert zu schätzen, würden die Beiträge durchaus als Werbung identifizieren können und die Unternehmen hinterher (noch) netter finden als zuvor. Aber schon die Art der Kennzeichnung unterscheidet sich in der Praxis erheblich. Beliebte Formeln wie „Sponsored by", wie sie etwa der deutsche Ableger der HuffPo verwendet, klingen nach freundlicher Unterstützung oder einer netten Spende für die Kaffeekasse, statt nach bezahlter Werbung. Vertreter einer solchen Kennzeichnung rechtfertigen sich gerne damit, dass die durch soziale Medien sozialisierten Nutzer durchaus verstehen würden, was sich dahinter versteckt. Eine aktuelle Studie von Statista kommt dagegen zu gänzlich anderen Ergebnissen. Gerade mal jeder Dritte der befragten 14-35 Jährigen wusste, was die Formel eigentlich meint. Mehr als ein Viertel der Befragten ging etwa davon aus, dass ein „Sponsored Post" ein durch eine Spende ermöglichter Beitrag sei. Das deutsche Presse- und Wettbewerbsrecht ist in dieser Frage ohnehin eindeutig. Demzufolge ist alles, alles was nicht als "Anzeige" markiert ist, schlicht und einfach Schleichwerbung.


RP-Onlines AD-First Strategie

Aber auch wenn Medien auf das unattraktive Wörtchen Anzeige zurückgreifen, ist das nicht automatisch mit einer für den Nutzer eindeutigen und fairen Kennzeichnung verbunden. Auf Seiten wie RP-Online ist es generell nicht immer leicht, zwischen Pop-Ups, Werbeclips, Bannern und herkömmlichen Anzeigen die redaktionellen Inhalte herauszufiltern. Native Ads sind hier zwar ordnungsgemäß als Anzeige gekennzeichnet. Aber die kleine graue Markierung verblasst neben der leuchtend orangen Dachzeile, die die Ads optisch gleich noch anziehender macht, als die redaktionellen Beiträge. Hinter unverblümten Überschriften wie Grenzenlos entspannt in den Thermen Bussloo oder Standing Ovations für das Phantom der Oper werden Saunen, Freizeitparks oder Musicals mit Texten beworben, die offenbar unverändert von den Webseiten oder aus den PR-Texten der Betreiber übernommen sind. Für Stefan Niggemeier dient Werbung hier „nicht mehr der Finanzierung von Journalismus; hier ist Journalismus nur noch ein Vorwand dafür, Leser an die werbungtreibende Industrie zu verkaufen, zur Not durch Täuschung."


Die deutsche Version des Business-Insiders, die unlängst vom Springer-Verlag lanciert wurde, geht offensiver mit der eingebetteten Werbung um. Texte wie Sechs Gründe für Navi und Co sind „sponsored by Audi" aber zugleich deutlich als Anzeige markiert. (Eine auch hinsichtlich Schriftgröße und farblicher Absetzung recht vorbildliche Kennzeichnung, die bei aktiviertem Ad-Blocker allerdings verschwindet.) Auch das entsprechende Markenlogo, macht klar, dass es sich hier nicht um einen normalen Artikel handelt. Prinzip und die pekuniären Gründe für diese Werbeform werden in einem Infokasten noch einmal offen kommuniziert.


Während sich etwa viele Blogs auch hierzulande längst überwiegend über Native Ads finanzieren, wollen sich die etablierten Medienmarken jenseits des Boulevards an der artikelartigen Werbung bislang noch nicht die Finger verbrennen um ihr werbekritisches Publikum nicht zu verprellen. So kritisierte der Spiegel Native Advertising 2014 unter der Schlagzeile „Seelen-Verkäufer" und schloss mit dem Versprechen „Werbung, die aussieht wie ein Text der Redaktion, wird es nicht geben." Nur um sich dann von Stefan Niggemeier, dabei ertappen lassen zu müssen, eine offenbar von West-Lotto bezahlten Beitrag in der „Glückskolumne" verdächtig nach einem redaktionellen Beitrag aussehen zu lassen. Immerhin: die Reaktion auf die peinliche Kritik folgte prompt und der angestrengt lächelnde Glückskolumnist wurde von der Werbeseite entfernt.


Ze:tt und Bento als Experimentierplattformen für Native Advertising

Was für die großen Verlagsportale bislang offiziell noch nicht in Frage kommt, sieht man bei ihren Jugend-Ablegern Ze:tt und Bento etwas großzügiger. Gegenüber dem NDR sagte die ehem. Spiegel-Online Geschäftsführerin Katharina Borchert, man habe „Bento bewusst so positioniert, dass wir mehr Freiraum sowohl für inhaltliche Experimente als auch neue Wege in der Vermarktung haben, als das unter der Marke SPIEGEL möglich wäre." Der Gedanke dahinter: Bei einem jüngeren und konsumoffenen Publikum, das mit viralen Werbeclips sozialisiert wurde, kommt es weniger darauf an, woher seine Inhalte stammen, solange sie interessant und unterhaltsam sind.


Die erste Native Ad auf Bento kommt von Google und checkt 5-Streamingdienste, die man mit Googles Stick Chromecast vom Smartphone aufs Fernsehen streamen kann. Der Informationsgewinn des eigentlichen Checks ist eher übersichtlich, was den Beitrag allerdings kaum negativ von den üblichen Artikeln auf Bento absetzt. Weil das beworbene Produkt nur indirekt mit dem Inhalt zusammenhängt, kann man kaum von Parteilichkeit sprechen. Problematischer ist da der zweite Beitrag, der die Vorteile der Streaming-Sticks herausstellt, dabei aber einzig und allein den Chromecast namentlich nennt, während Konkurrenz-Produkte keine Erwähnung finden.


Immerhin: Die Beiträge sind auf der Startseite mit einem grellen grünen Rand markiert, mit dem Logo des beworbenen Unternehmens markiert und mit „Dieser Artikel wurde im Auftrag und mit Unterstützung von xy" überschrieben. Das böse A-Wort wird allerdings umgangen. Ein Klick auf einen Erklärungslink klärt dann unmissverständlich darüber auf, dass es sich dabei um „bezahlte Werbung" handelt, die von einem eigenen Mitarbeiter erstellt wird, der nicht redaktionell involviert ist.


Überhaupt setzen immer mehr Medienmarken darauf, Native Ads von eigenen Teams produzieren zu lassen. Um sie auf die eigene Leserschaft abzustimmen und qualitativ die Kontrolle über den werblichen Content zu halten, mit dem sie eigenen Seiten füllen. Schließlich entzündet sich die Kritik der Werbung im redaktionellen Gewand nicht zuletzt auch daran, dass gerade viele der von Unternehmen oder Marketingunternehmen gelieferten Native Ads statt dem angekündigten inhaltlichen Mehrwert für die Nutzer bestenfalls passable Serviceartikel, PR-Texte mit redaktioneller Glasur oder schlimmstenfalls plump verkleidete Werbebotschaften bieten. Einer der Gründe warum, für 61 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage von Civicsience, Native Advertising die Glaubwürdigkeit von Medien beschädigt.

Denn halbwegs faires Native Advertising, das den Medienmarken nicht auf die Füße fällt, ist nicht nur eine Frage der Kennzeichnung. Wenn die Werbetreibenden (und Medienmarken) wollen, dass die User auf ihre Native Ads wie auf redaktionelle Beiträge reagieren, müssen sie sie erst selbst wie journalistische Texte behandeln, statt sie nur als solche zu verkleiden.


Native Ads mit journalistischem Impetus

Wie das aussehen könnte, zeigt etwa die New York Times. Hier sind die Native Ads als „Story of our Sponsors" in einer eigenen Spalte untergebracht. Klickt man eine davon an, erfolgt eine Weiterleitung auf eine Unterseite, auf der die Texte unmissverständlich als „paid post" gekennzeichnet sind. Wenn mir dann dort in interaktiven Infographiken, charmanten Illustrationen, hochwertig produzierten Videos und einer guten Schreibe auseinandergesetzt wird, warum es eine gute Sache ist einen Hund aus dem Tierheim zu holen, dann teile ich den Beitrag und klicke zum Schluss vielleicht auch gerne auf den Link des Hundefutterproduzenten. Der muss ja irgendwie auf der guten Seite stehen, wenn er Tierheime unterstützt und mich so geschmackvoll informiert, berührt und unterhält. Diese Wunschvorstellung der Macher, scheint in der Praxis aufzugehen.


Die für Netflix Serie „Orange is the new black" erstellte Ad über Frauengefängnisse wurde verschiedentlich als Snowfall des Native Advertising gefeiert und konnte sich in der Top-1000 der meistgelesenen Beiträge 2014 platzieren. Wohlgemerkt von rund 68.000 veröffentlichten Stücken in diesem Jahr. Das Ergebnis überrascht in diesem Fall nicht. Gerade dieser konkrete Beitrag ist schließlich weniger verkleidete Produktwerbung im engeren Sinne sondern eine eigenständige Multimediareportage mit Markenbezug. Das funktioniert aber hier gerade deshalb, weil das bezahlende Unternehmen im eigentlichen Beitrag keine Rolle spielt.


Auf dem kommerziellen Auge blind

Bei klarer Trennung und hochwertiger Produktion, die die journalistische Form nicht nur als Deckmäntelchen benutzt, kann Werbung durchaus ihre Zielgruppe erreichen, ohne die Glaubwürdigkeit des jeweiligen Mediums beschädigen zu müssen. Allerdings sind derart kostspielige, zeitaufwändige und inhaltlich ambitionierte Native Ads bislang die Ausnahme. Und dürften nicht zuletzt aus Finanzierungsgründen auch in Zukunft kaum zur Regel werden. Selbst wenn artikelartige Werbung die Glaubwürdigkeit des Journalismus nicht nachhaltig beschädigt, retten dürfte sie ihn ebenso wenig. Denn je besser die Werbung im redaktionellen Gewand gekennzeichnet ist, und je mehr sie sich verbreitet, desto eher wird sie auch von den Nutzern erkannt - und gemieden. Auf die Banner-Blindheit könnte über kurz oder lang die Native-Advertising Blindheit folgen.

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