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Marokko : Drohnen gegen die Disziplinlosen

"Als im März die Ausgangssperre losging, saßen wir alle zu Hause und überlegten: Wie können wir helfen?", erinnert sich Mouhsine Lakhdissi, ein Informatikprofessor und Unternehmer aus Casablanca. Zuerst hätten er und seine Freunde - ein Team aus jungen Ingenieuren, Informatikern und einem Arzt - eine App zum Umgang mit Corona entwickeln wollen. Doch dann kam ihnen die Idee: Wie wäre es mit einer smarten Atemschutzmaske, die erkennt, ob ihr Träger erkrankt ist?

Die weiße Kunststoffmaske, die zwei Monate später als Prototyp vorliegt, erinnert ein wenig an die Gesichtspartie der Stormtrooper von Star Wars. Auch das Innenleben klingt nach Science Fiction: Sensoren analysieren den Atem der Träger, messen die Temperatur, den Wasser- und Sauerstoffanteil der Luft, die aus den Lungen kommt. So - das verspricht das Erfinderteam - soll die Maske typische Covid-19-Symptome wie Fieber und trockenen Husten erkennen können. Per Bluetooth könnte die Maske die Gesundheitsdaten über das Smartphone an die Gesundheitsbehörden weitergeben.

Kombiniert mit der Tracking-App, die Marokkos Regierung momentan testen lässt und demnächst anbieten möchte, könnte die smarte Maske potenziell Bestandteil einer komplett im Land entwickelten Digitallösung werden. "Wir sind kein reiches Land, wir können nicht wie Deutschland massenhaft Tests machen", sagt Lakhdissi. "Wir brauchen Ersatzlösungen."

Musterschüler im Kampf gegen die Pandemie

Die Pariser Wirtschaftshochschule HEC hat das Entwicklerteam aus Casablanca Anfang Mai bei einem Ideenwettbewerb ausgezeichnet. Dabei wurden auch Investoren auf das Produkt aufmerksam. Gerade sei man in Gesprächen, um bald mit der industriellen Herstellung der Maske zu beginnen. Die Bauteile seien vergleichsweise einfach auf dem Markt zu bekommen. Dann könne man Risikoberufsgruppen wie Ärztinnen und Pfleger, aber auch bereits Erkrankte ausstatten, ihren Gesundheitszustand aus der Ferne überwachen und so die nicht gerade üppigen Krankenhauskapazitäten schonen. Lakhdissi ist positiv überrascht von seinem Land: "Ich kenne die langsame Bürokratie Marokkos. Für dieses Projekt habe ich die behördlichen Genehmigungen im Expressverfahren bekommen."

Die Geschichte von Midad - so der Name der Hightech-Maske - passt gut in die umfassend positive Erzählung vom resoluten Kampf des afrikanischen Königreichs gegen die Pandemie. Als eines der ersten Länder verhängte es eine strenge Ausgangssperre, deren Einhaltung von einer kooperierenden Bevölkerung, aber auch von der Polizei mit Geld- und Freiheitsstrafen vollstreckt wird. König Mohammed VI initiierte und finanzierte persönlich zusammen mit Ministern und Unternehmern - einige sind beides in Personalunion - einen rund drei Milliarden Euro umfassenden Hilfsfonds zur Bekämpfung der Seuche.

In ganz herrscht zudem Maskenpflicht. Die vollständige Versorgung mit einfachen Atemmasken, die staatlich subventioniert hergestellt und für Centbeträge an die 35 Millionen Einwohner verkauft werden, stemmt das Land alleine. Dutzende Textilfabriken arbeiten daran. Nach mehreren übereinstimmenden Medienberichten ist Marokko innerhalb weniger Wochen sogar zum internationalen Exporteur von Masken geworden.

Die Zahlen scheinen dem Handeln Recht zu geben: Lediglich 188 Menschen sind in Marokko an einer Covid-19-Erkrankung gestorben, so die Zahlen der Johns Hopkins University (Stand 12. Mai 2020). Die spanische Zeitung lobte das entschiedene Handeln der Regierung, ebenso das französische Fernsehen. Das marokkanische Nachrichtenportal Yabiladiberichtete sogar, dass inzwischen deutlich mehr Marokkaner im europäischen Ausland als Inländer am Virus gestorben seien. Die in Paris sehr einflussreiche Satirezeitschrift Le Canard Enchainé schrieb, Frankreich, wo das medizinische Personal wochenlang über fehlenden Schutzmasken klagte, könne sich "auf der anderen Seite des Mittelmeers" etwas abschauen.

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