Mit ihren umgebauten Airbus-A330-Flugzeugen verfügt die französische Armee über fliegende Intensivstationen, die schon im Kosovo-Krieg zum Einsatz kamen. Noch nie musste das Militär sie jedoch zur Rettung eigener Zivilisten einsetzen - bis gestern. Am Mittwoch flogen von Staatspräsident Emmanuel Macron persönlich beauftragte Soldaten sechs schwer erkrankte Corona-Patienten von Mulhouse nach Toulon am Mittelmeer. Es ist ihre letzte Hoffnung, denn die Krankenhäuser im arbeiten seit ein paar Tagen jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen.
Das Elsass ist eine der am heftigsten vom Covid-19 betroffenen Regionen Frankreichs. Mindestens 61 Menschen hat das Coronavirus in dieser Grenzregion zu Deutschland bereits getötet. Immer mehr erinnert das, was Nachrichtenagenturen von dort berichten, an die Lage in Norditalien: Krankenhäuser sind überfüllt, das Pflegepersonal infiziert sich zunehmend selbst und vielerorts fehlt es an elementarer medizinischer Ausrüstung wie Atemmasken. "Wir sind desillusioniert, beunruhigt und wir fühlen uns im Stich gelassen", sagte Didier Kleimberg dem Regionalsender France3. Der Notfallarzt habe seit Beginn der Krise gerade einmal fünf Atemmasken erhalten, obwohl er täglich etwa 30 Corona-Patienten aufsuchen muss.
Besonders schwerwiegend ist die Lage in der Industriestadt Mulhouse. Hunderte Neuerkrankungen werden hier momentan täglich gemeldet, obwohl das örtliche Krankenhaus gerade einmal 25 Intensivbetten zählt. Daher musste nun die Armee einschreiten. Die Rettungsaktion mit dem A330 folgte auf ähnliche Operationen, die zuvor bereits per Helikopter in Richtung der Krankenhäuser von Straßburg und Nancy durchgeführt wurden. Ein Sprecher der französischen Armee sagt ZEIT ONLINE, die Flugzeugaktion sei bestimmt nicht die letzte. Derzeit seien Soldaten außerdem dabei, ein paar Dutzend Intensivbetten und Beatmungsgeräte nach Mulhouse zu verfrachten, um dort innerhalb der nächsten Tage ein improvisiertes Feldkrankenhaus zu errichten.
Massengottesdienst mit verheerenden FolgenMulhouse wurde früh zum Zentrum der Corona-Epidemie in Frankreich. Der Grund ist wahrscheinlich, dass sich eine evangelikale Vereinigung der Pfingstgemeinde dort Ende Februar eine Woche lang zum gemeinsamen Fasten und Beten getroffen hat. Zu diesem Zeitpunkt wusste man auch in Frankreich schon gut über das Virus Bescheid, doch Großveranstaltungen waren noch nicht verboten. Mehr als 2.000 Gläubige sind aus Frankreich, der Schweiz, Belgien und Deutschland angereist - und haben dem Virus damit einen Kickstart beschert. Besonders fatal: Es gab keine Teilnehmerlisten. Etwa drei Wochen später sind offiziell bereits 1.820 Menschen in der Region Grand Est rund um die Stadt Mulhouse infiziert.
Die Menschen auf der deutschen Seite der Grenzregion fürchten sich, dass ihnen nun Ähnliches bevorsteht. "Auf den Krankenhausfluren erzählen sich Kollegen, dass die Ärzte schon darüber nachdenken, über 75-Jährige nicht mehr zu intubieren", sagte ein anonymer Krankenhausangestellter dem Nachrichtensender BFMTV. Er berichtet von Kollegen, die an einem Tag 20 Leichen abtransportiert hätten. Er habe geweint, als er die ersten Patienten in Quarantäne einsam sterben sah.