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Bundeskanzlerin erkennt Fortschritte beim Wiederaufbau im Ahrtal

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (links) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) sprechen nach der Flut in Altenburg mit einem Bürger. Foto: Martin Gausmann

Rund sieben Wochen nach ihrem ersten Besuch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich am Freitag zum zweiten Mal ein Bild von der Situation im von der Flut zerstörten Ahrtal gemacht. Merkel, die erneut von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) begleitet wurde, kam diesmal zunächst nach Altenburg an der Mittelahr, um sich mit Betroffenen auszutauschen. Die Wassermassen Mitte Juli hatten den Ort, der zur Verbandsgemeinde Altenahr gehört, zu 95 Prozent überflutet. Mehr als 130 Menschen starben damals im Kreis Ahrweiler.

Zugelassen zum Termin waren Fotografen und Kameraleute, nicht aber schreibende Journalisten. Wie ein Teilnehmer später berichtete, begann der gut einstündige Besuch Merkels am Mittag am schwer betroffenen Pflegeheim Maternus-Stift. Dort habe Merkel sich die Flutkatastrophe aus Sicht der Heimleitung schildern und sich persönliche Geschichten erzählen lassen. Danach habe es einen Rundgang durch den Ort gegeben, bei dem Merkel und Dreyer an vielen Privathäusern angehalten hätten und dort mit den Menschen ins Gespräch gekommen seien. Der Tenor: Die Menschen bedankten sich bei Merkel für die Hilfe, so der Teilnehmer. Die Kanzlerin wiederum habe deutlich gemacht, dass die Menschen im Ahrtal nicht vergessen sind.

Das wiederholte Merkel bei der anschließenden Pressekonferenz in der Turnhalle in Ringen in der Gemeinde Grafschaft. Die nächste Bundesregierung werde diese Haltung übernehmen, versicherte die Regierungschefin, die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht mehr antritt. Sie sei beruhigt gewesen, so Merkel bei der Pressekonferenz, dass es an der Ahr im Vergleich zu ihrem ersten Besuch einen erkennbaren Unterschied gebe. Viel sei geschafft und aufgeräumt worden. Allerdings: „Was noch vor uns liegt", habe der Besuch auch gezeigt. „Wir brauchen einen ganz, ganz langen Atem", sagte Merkel.

Was man im Ahrtal an Engagement und Zuversicht erlebe, sei sehr beeindruckend. Doch angesichts von dem kommenden Herbst und Winter stelle sich etwa die Frage des Wohnens. Und die Frage: Wann kommt das Geld? Diesbezüglich verwies Merkel darauf, dass Bundestag und Bundesrat in der nächsten Woche voraussichtlich den rund 30 Milliarden Euro schweren Fluthilfefonds verabschieden. Für den Fall das dies nicht reichen sollte, stellte die Kanzlerin weiteres Geld in Aussicht.

Ministerpräsidentin Dreyer sprach von einem Aufbaufonds in einer Größenordnung, den das Land noch nicht gesehen habe. Sie erinnerte daran, dass das Land Rheinland-Pfalz kurz nach der Flut Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe auszahlte. Wichtig ist für sie, dass die Landesregierung vor Ort ist. „Wir wollen Ansprechpartner sein, damit die Menschen nicht glauben, sich selbst überlassen zu sein", äußerte sich Dreyer. Mit Nicole Steingaß (SPD) ist eigens eine Landesbeauftragte für den Wiederaufbau berufen worden. Ferner leitet der ehemalige Innen-Staatssekretär Günter Kern (SPD), ein Verbindungsbüro an der Ahr.

In den ersten Wochen nach der Flut, so Dreyer in einer Mitteilung, seien täglich mehr als 5000 Einsatzkräfte im Einsatz gewesen. Die freiwilligen Helfer seien da noch gar nicht eingerechnet. „Wir überführen jetzt Schritt für Schritt die Hilfe der Blaulichtfamilie in dauerhafte Strukturen, um die vielen Maßnahmen vor Ort zu realisieren."

Sowohl beim Rundgang durch Altenburg als auch bei der Pressekonferenz auf der Grafschaft war ebenfalls die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, dabei. Für sie ist klar: „Was uns passiert ist, ist eine Folge des Klimawandels." Fragen, die sich in Zukunft stellten, seien: Wo kann und darf weiter gebaut werden und wie? Es handele sich um eine Katastrophe, die Deutschland in dieser Komplexität noch nicht gesehen habe. Für den Wiederaufbau, der als Modell für das Leben an Mittelgebirgsflüssen in Europa dienen könne, wünscht Weigand sich vereinfachte Genehmigungsverfahren, sowie eine Sonderbau- und Sonderhandelszone. Jedoch wolle man nicht in Konkurrenz zu anderen Betroffenen treten. „Weg vom klein, klein", forderte sie.

Bei Merkel stieß Weigand damit auf Verständnis. Die scheidende Kanzlerin brachte den Europäischen Ausschuss der Regionen ins Gespräch, der sich mit Anpassungen an den Klimawandel befassen könnte.

Sven Westbrock

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