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So gleitet der Opel Kapitän über die Straße

Reporter Sven Westbrock am Steuer des Kapitän. Foto: privat

Der erste Opel Kapitän lief in Rüsselsheim vor 80 Jahren vom Band. Für zwei Dutzend Oldtimer-Enthusiasten war das am Samstag Grund genug, um ihre Schätze von der Garage auf die Straße zu bringen. Auch unser Reporter durfte sich hinter eines der Steuer setzen.


Bevor der Finger den Blinker herunterdrückt, schlucke ich kurz. Will der Vordermann wirklich auf die Autobahn? Auf der Landstraße war es gerade gemütlich geworden. Aber was muss, das muss wohl. Und ich muss langsam zurück, wenn die Scheinwerfer des altehrwürdigen Kapitän nicht noch ihren Einsatz bekommen sollen.

Also tritt der Fuß das Gaspedal durch, während die Hand den Schalthebel immer noch denkbar unsanft in den nächsten Gang wuchtet.

Doch eigentlich sollte es als Erfolg verbucht werden, überhaupt so weit gekommen zu sein. Bei den ersten Metern am Morgen ist damit noch nicht unbedingt zu rechnen. Zwei Dutzend Kapitäne, deren Fahrer aus ganz Deutschland angereist sind, stehen da vor dem Adam-Opel-Haus aufgereiht. Fein herausgeputzt zur Jubiläumsfahrt, die der Rüsselsheimer Autobauer aus Anlass des 80. Geburtstags des Gefährts organisiert hat.

Ein Jahr nach der Vorstellung des Admiral erweitert Opel seine Modellpalette. Als Vertreter der gehobenen Mittelklasse reiht sich der Kapitän ab 1938 zwischen dem Kadett und dem Oberklasse-Admiral im Art déco-Stil ein.


Hebel ohne Ziffern


Der mir zur Verfügung gestellte Kapitän, Baujahr 1952, gehalten in äußerst dunklem Blau, verfügt über einen 2,5 Liter-Sechszylinder-Motor mit 58 PS. Optisch unterscheidet er sich vom Vorkriegsmodell durch einen überarbeiteten Innenraum und runde Scheinwerfer. Die Karosse ist mit mehr Chrom versehen, der Kofferraum größer geworden. Die Sitze im Auto erinnern aus heutiger Sicht fast an ein Sofa. Es gibt lediglich einen Seitenspiegel auf der Fahrerseite, Sicherheitsgurte fehlen völlig. Damals war das normal. Als schick galt damals die H-Schaltung direkt am Lenkrad mit drei Gängen.

Dem Autor dieser Zeilen, sonst Fahrer eines Autos mit Automatikgetriebe, wird sie jedoch fast zum Verhängnis. Denn auf dem Schalthebel finden sich keine Ziffern, die Hinweise auf in die zu schaltenden Gang geben könnten. Nachdem die Erklärungsversuche des Mechanikers kaum weiter als bis zum ersten Gang vorgestoßen sind, verlassen bei schönstem Sonnenschein die Kapitäne auch schon einer nach dem anderen das Werksgelände.

Ziel der Jubiläumsfahrt ist zunächst das Eisenbahnmuseum in Kranichstein. Noch vor der ersten Kreuzung zeigt sich, dass Kenntnisse über die Gangschaltung zu den wichtigeren Dingen gehört, die ein Fahrer über das Auto wissen sollte, mit dem er unterwegs ist. „Sie liegen einander irgendwie gegenüber" reicht als Expertise jedenfalls nicht. So kommt es, dass während des ersten Kilometers munter vom ersten in den dritten Gang geschaltet wird und der zweite Gang erst nach einem Hinweis der Fotografin auf dem Beifahrersitz mit von der Partie ist: „Hebel erst nach vorne, dann nach oben".

Danach fährt es sich deutlich entspannter. Das große Lenkrad zu bewegen, bleibt allerdings Arbeit. Servo-Lenkung, anno 1952 zwar schon erfunden, wurde im Kapitän erst zehn Jahre später verbaut. Auch ist das Fahrgefühl weiter ungewohnt. Statt wie heutige Stadtflitzer um die Kurven zu huschen, gleitet der große Wagen passend zum Namen eher über die Straße wie ein Schiff übers Wasser. Ähnlich, so stellt man sich es vor, muss es sein, die Straßenkreuzer zu bewegen, die die damalige Opel-Mutter General Motors zur gleichen Zeit auf der anderen Seite des Atlantiks baute.


Zu heiß für den Motor


Zu entspannt wird es dann für einen Moment an einem Kreisel kurz vor dem ersten Ziel. Ausfahrt verpasst. Zum Glück befindet sich ein modernes Navigationsgerät an Bord des Oldtimers. Ein Parkassistent allerdings nicht. Nichtsdestotrotz verläuft das Ausparken aus dem Vorhof nach dem Besuch des Eisenbahnmuseums reibungslos.

Nächster planmäßiger Halt ist eine Scheune in Griesheim, die eine private Oldtimer-Sammlung beherbergt. Um dort hinzukommen, geht es runter vom Museumsgelände, rechts auf die Vorfahrtsstraße Richtung Arheilgen. Im weiteren Verlauf der Fahrt quert der Tross eine Brücke. Eigentlich geht es anschließend geradeaus Richtung Groß-Gerau. Doch einige Wagen ziehen plötzlich nach links, fahren mitten in ein Gewerbegebiet mit einem großen Einkaufszentrum. Ein Teil der Gruppe hält an. Die Lösung: das bei der Fahrt bereits erprobte Navi.

Das kann den Fahrer eines Kapitäns aber nicht davor bewahren, dass der Motor seines Wagens wenig später streikt. „Dem ist es einfach zu heiß", lautet die Analyse. Umso mehr macht sich Erleichterung breit, als es nach ein paar Minuten am Straßenrand dann doch weitergeht. Mich ereilt dann noch ein kurzer Schreckmoment, als auf dem Feldweg kurz vor der Scheune auch der Motor des Kapitäns ausgeht, den ich steuere. Zum Glück springt er sofort wieder an.

Als die Oldtimer-Sammlung ausgiebig bestaunt ist und wir vom Feldweg über der Landstraße über die Autobahn gen Rüsselsheim fahren, bemerke ich, wie der Tacho fast Tempo 90 anzeigt. Angeblich soll so sein Kapitän sogar 130 Sachen schaffen. Mit einem derart alten Auto fühlt sich die Fahrt aber auch so rasant genug an. Wieder am Adam-Opel-Haus angekommen, gehe ich somit erhobenen Hauptes von Bord.

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