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Die Zukunft des Wohnens

Vorübergehendes Wohnen in bester Lage: das deutsch-italienische Fincube-Konzept © Hannes Meraner

Wohnen der Zukunft

 

Wohnraum soll mehr können als Fläche bieten- mehr und mehr muss diese Fläche multifunktional sein, dann kommt sie auch mit weniger m2 aus. Wichtig ist Adaptierbarkeit an veränderte Lebensbedingungen. Projekte konzentrieren sich daher mehr auf Nachhaltigkeit und Ideen des Teilens – etwa von Küchen oder Arbeitsräumen.

 

 

Lebensstile und Wünsche einer urban geprägten Gesellschaft verlangen nach einer Erweiterung der Vorstellung von Wohnen. Oft vermischen sich etwa Lebens- und Arbeitsräume. Gemeinschaftliche Aktivitäten werden mehr gefordert als noch vor einiger Zeit, als der Trend ausschließlich in Richtung Individualismus zu weisen schien. Mobilität und Weltgewandtheit sind häufig woanders untergebracht als in der klassisch konventionellen Miet- oder Eigentumswohnung oder dem Reihenmittelhaus. Der Aufruf zu verdichtetem Bauen, Um- bzw. Nachnutzung und Nachhaltigkeit bringt verschiedene Spielarten neuen Wohnens auf den Plan.

 

 

Mehr Durchmischung

Ein immer häufiger auftauchendes Wohnmodell bietet Mischnutzung: Beispielsweise bedeutet das ein Angebot fix vergebener Wohnungen, kombiniert mit Wohngemeinschaften für Studentinnen und/oder Asylsuchende. Dazu könnte es  Gemüseanbau auf der Dachterrasse geben, wie etwa im „Vinzi Mittendrin“ in der Währinger Strasse in Wien. Das beispielhafte Konzept des Architekturbüros Gaupenraub sieht mehr Durchmengung als klaren Vorteil, als Belebung durch verschiedene soziale und ethnische Herkünfte, Generationen und Hintergründe. Wichtig ist bei diesem Ansatz auch das Arbeiten mit dem, was bereits vorhanden ist. Eine Evaluation dessen, was schon besteht führt zu realistischer Erweiterung und Aufwertung – up-cycling im architektonischen Kontext  - bzw. Eliminierung bestimmter Teile. Diese Vorgangsweise hat etwas Organisches, das auch der Intention einer größeren Lebendigkeit entspricht. Anstatt ausschließlich Gewinne zu lukrieren, etwa durch Miete oder Verkauf nach Überrenovierung, geht es darum zu sanieren, was brauchbar ist, Spuren der Zeit sichtbar zu lassen und so eine Geschichte weiterzuerzählen. Es gibt einige Projekte dieser Art z.b.

 

 

Mehr Flexibilität

Eine herausragende Qualität von Altbauten ist oft ihre vielseitige Nutzbarkeit - Wohnungen lassen sich ebenso einrichten wie Büros, Ordinationen oder Yoga-Studios. In neuen Entwürfen spiegelt die Verwendung leicht versetzbarer Wände diesen Gedanken wider. So lassen sich Räume nach Bedarf verkleinern oder vergrößern, etwa ein Gästezimmer temporär einrichten oder eine Wand für den Arbeitsplatz einziehen. Dazu sind innovative und flexible Grundrisse nötig. Großzügige, offene Räume können in funktionale kleinere Einheiten verwandelt werden, um zeitgenössischen Lebensentwürfen zu dienen. So kann man mit durchdachten Grundrissen Wohnungen leicht zusammenlegen. Barrierefreie Zugänge gehören zum Status Quo.

 

 

Geteilte Unterkünfte

Es gibt aber auch das Konzept, von vornherein ein gemeinschaftlicheres Leben einzuplanen. Dabei geht es nicht nur um die klassische WG, die auch für ältere Semester immer wieder reizvoll wirkt, vor allem wenn es sich dabei um größere geteilte Anwesen handelt wie etwa einen Bauernhof, den man dann etwa nur am Wochenende nutzt. Auch die Idee „Alters-WG“ wirkt auf Menschen nicht mehr so abschreckend wie noch vor einiger Zeit.

Eine Vorstellung von mehr Gemeinsamkeit steht Pate für die Entwicklung von shared spaces: Co-Working und Co-Living ermöglichen es, eine Mischung aus privatem Rückzugsort im eigenen Haus mit einem niedrigschwelligen Zugang zur Gemeinschaft zu verbinden. Es bleibt den Bewohnern überlassen, ob sie ihre Zeit in Gemeinschaft oder zurückgezogen verbringen wollen. Möglicherweise zeigt sich hier ein neues Bewusstsein für Gemeinschaft, die als Ressource betrachtet wird.

 

 

Weniger Wohnraum

Der Trend zu kleineren Wohnungen zeigt sich auch bei den Tiny Houses. Die Idee stammt ursprünglich aus den USA. Der Begriff Tiny House ist nicht streng definiert, meist wird darunter ein kleines Haus mit Wohnfläche zwischen 15 und 45 m² verstanden, das Small House kann bis zu 90 m2 haben. Es gibt viele Varianten, oft in Form eines Anhängers, der sich auch bewegen lässt, In Österreich ist die rechtliche Lage dieser Tiny Houses noch nicht zu Ende diskutiert. Oft als Zwergenunterkunft verspottet, erfreut sich diese Wohnform vor allem in USA und Skandinavien schon seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Ein Trend zu Minimalismus und Konzentration auf’s Wesentliche mag hier mitspielen. Auch wenn diese Art Reduktionismus als Lifestyle durchaus nicht immer freiwillig gewählt ist, verzeichnet er eine wachsende Anhängerschaft. Auch die Variante „Hobbit House“, ein höhlenartiger, in die Erde eingelassener Öko-Bau, entspricht einer Tendenz zu Naturverbundenheit und der Abkehr von Konsumismus. Außerdem hat es für sich, dass es zu großen Teilen selbst errichtet wird und dadurch ein Gefühl vermittelt, etwas mit eigenen Händen geschaffen und persönlich etwas erreicht zu haben.

 

 

Schrebergarten als Bleibe

Seit Schrebergartenhäuser in Wien als ganzjährig bewohnbare Unterkünfte erlaubt sind, werden die Häuschen werden buchstäblich aufgemöbelt, gedämmt, auffrisiert. Oftmals wechseln sie zu hohen Preisen die Besitzer – die Lage ist dabei häufig beneidenswert, im Grünen, mit wenig Straßenverkehr in der Nähe. Die Idee vom alten, nörgelnden Nachbarn mit Gartenzwerg-Manie macht zunehmend einer Realität Patz, in der junge Familien  - nicht selten temporär - ins Schrebergartenhaus einziehen. Fluktuation und Flexibilität steigen auch hier.

 

 

Mehr Energieeffizienz

Ab und zu hört man von energieautarken Wohneinheiten, etwa beim Schmalen Haus in Tirol (Blasisker). Die benötigte Energie kann, wie hier, mithilfe von Wasserkraft, oder durch Geothermie und Solartechnik erzeugt werden. Gebäude als Kraftwerke einzusetzen klingt mittlerweile nicht mehr utopisch. Es gibt auch zahlreiche Projekte für größere Einheiten und viel Forschung zu dieser Thematik, denn urbane Zentren gehören mit ihren Gebäuden eindeutig zu den größten Energieverbrauchern. Wenn sie nun stattdessen zu Energieproduzenten werden, lassen sich möglicherweise umliegende Gebäude mit versorgen. Gerade im Hinblick auf erwartetes Städtewachstum ist dieser Ansatz richtungweisend. Mobilitätskonzepte werden ebenso mitgedacht wie ein gezielter Einsatz von Frisch- und Brauchwasser.

 

 

Mehr Pflanzen, mehr Grün

Dass der ökologische Wandel von den Städten ausgeht, mag erstaunen, wird aber immer wieder betont. Zu diesem Detail passt auch, dass entgegen gängigen Vermutungen, die Artenvielfalt, sowohl von Tieren als auch Pflanzen (von der menschlichen abgesehen), in Städten oft größer ist als auf dem Land. Einsatz von Pestiziden und „Flurbereinigungen“ erschweren Lebensqualität für Pflanzen und Tiere. In Städten hingegen finden sich zahlreiche Biotope. Das Projekt Nordbahnhof in Wien geht explizit auf diesen Umstand ein und plant bei Bebauung einen wilden Mittelpunkt zu belassen, wo jetzt schon die Natur ihren Platz fordert und zahlreiche Pflanzen und Tiere ein sozusagen urbanes Zuhause gefunden haben, anstatt einen durchdesignten Park anzulegen.

 

Diese Idee spiegelt sich auch in der inzwischen weit verbreiteten Verwendung urbaner Brachflächen zum Obst- und Gemüseanbau. Urban Gardening wird längst nicht mehr verstanden als reine Freizeitbeschäftigung weltfremder Gutmenschen, sondern auch als Beitrag zum sozialen Miteinander, einer Re-Naturierung des Lebensstils im Kleinen Sozusagen. Das Graben in der Erde und das Beobachten einer wachsenden Pflanze vermitteln sinnliche Erfahrungen, die viele Menschen nicht mehr missen wollen – auch und gerade in einem eher urban geprägten Umfeld.

 

 

Mehr Lebendigkeit

Verschiedene Möglichkeiten, einander im öffentlichen Raum zu begegnen, Angebote für Freizeit, Gastronomie und Unterhaltung, kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf: die Stadtutopie klingt oft wie ein Regress in die frühere übersichtliche Stadt. Das ist weniger erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Modellstädte, die heute immer noch für den Beweis der urbanen Kreativität herangezogen werden wie etwa die Renaissancestädte Florenz oder Antwerpen nur um die 100.000 Einwohner hatten und also im heutigen Sinne äußerst überschaubar waren. Die Möglichkeit, viele wichtige Orte zu Fuß erreichen zu können, bot – und bietet – einen klaren Vorteil.

 

 

Zu Fuß und mit dem Rad

Es ist schon aberwitzig, dass gerade New York sich jetzt damit brüstet, eine Wiederbelebung der Stadt durch teilweise Fußgängerzonen und Radwege quasi „erfunden“ zu haben. Allerdings muss man den Verantwortlichen zugestehen, dass sie mit bewundernswerter Konsequenz vorgehen, wenn sie sich einmal entschlossen haben. Und das Ausprobieren, ja sogar das Scheitern, ist nichts Anrüchiges. Beziehungsweise, es ist Grundlage für Erfolg. Das wissen die Transatlantiker besser als die Europäer. Jedenfalls gehört es zur Charakteristik des erstrebenswerten Wohnraums, dass er sich in einer angenehmen Entfernung von Orten befindet, die man täglich aufsucht. Die Anbindung an den öffentliche Nahverkehr bzw. gut ausgebaute Radwege schaffen eine Umgebung, die weniger lärm- und stressintensiv ist. Wer in Amsterdam oder Kopenhagen unterwegs ist, erkennt den Unterschied.

 

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