Oliver Polak ist ein „krankes Schwein". Jedenfalls heißt sein kompromissloses Stand-up-Programm so. Außerdem war er in der Psychiatrie. Darüber hat er ein Buch geschrieben.
Schon der Titel: „Der jüdische Patient" verrät viel über Polak und den Leser selbst. Das Wort „jüdische" ist mit schwarzem Filzstift durchgestrichen. Oliver Polak, der durch „Ich darf das, ich bin Jude" und „Jud Süß Sauer" als Autor und Comedian durchstartete, will kein Jude mehr sein? Falsch. Schon wieder hat jemand seinen Humor nicht verstanden. Er möchte einfach nur ein Patient sein. Was hat das schon damit zu tun, dass er Jude ist? Warum darf er nicht einfach nur Patient, nur Comedian sein? Kein Comedian, von dem erwartet wird, als Woody Allen mit Fischbrötchen und Klarinette aufzutreten und den lustigen Juden zu mimen?
Bevor sich Oliver Polak, wenn auch in anderen Worten, all das von der Seele schreibt, hält er inne und beginnt mit vier Songzitaten. Aus Caspars „Im Ascheregen" zitiert er die Zeilen: „Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen." Er spricht seine Kindheit in Papenburg an, wo er als „Ausländer mit Judenaids" beschimpft wurde. Um die Papenburger zu beschreiben, nutzt er ihre Worte. Schreibt auf, was beim Essen bei seinen Eltern gesagt wurde:
Eine Papenburgerin: „Und da habe ich dann gemerkt, dass gegen das, was die Israelis dort mit den Palästinensern machen, die Taten der Deutschen ja harmlos waren."
Das ist sehr schlau, denn so lässt Polak die Menschen für sich selbst sprechen und wertet nicht indirekt über sie. Polak zeichnet ein klares Bild seiner Heimatstadt, die ihm nicht sehr am Herzen liegt. Am Herzen liegt ihm Sunny. Eine zarte Persönlichkeit, die ihm selbst in den hoffnungslosten Momenten Hoffnung gibt. Polak hat eben auch eine weiche Seite. Dem Buch gibt es mehr Wärme, was ihm gut tut. Polak flucht und kritisiert, zerstört Dinge und verarbeitet vieles. Fast zu vieles. Gäbe es nicht diese Momente mit Sunny.
„Der jüdische Patient" ist ein ehrliches Buch über Depression, über das Leben als depressiver Comedian, wie es dazu kam, ein Tour-Tagebuch, wie es ehrlicher nicht sein kann. Nur, dass Oliver Polak eben nicht auf Tour war, sondern in der Psychiatrie und dort ganz intensiv über sein Leben nachdachte. Der Humor bliebt da nicht auf der Strecke - professionell wie Polak nun mal ist - schlägt er sich sogar als depressiver Comedian gut. Näher kann man ihm wirklich nicht kommen. 100 Prozent Oliver Polak. Nicht nur für Fans.
Weitere Informationen
Der jüdische Patient
Autor: Oliver Polak 240 Seiten, 9,99 Euro Verlag: Kiepenheuer & Witsch Erschienen am 2. Oktober 2014