Der Kasperl kann einpacken. Doktor Donner in Christian Weises „Der kleine Muck" spricht zwar nicht mit Kindern, aber sie hätten ohnehin nicht antworten können. Zu groß war das Erstaunen über die fantasievolle Inszenierung im Berliner Maxim Gorki-Theater. Auch bei den Erwachsenen.
Es braucht viele Anläufe, bis Doktor Donner (Aram Tafreshian) im rosa Samtanzug mit dazu passendem Samtzylinder und Sparzierstock sich und sein internationales Puppentheater vorstellen kann. Immer, wenn er ansetzt, Wilhelm Hauffs „Der kleine Muck" in eigenen Worten widerzugeben, wird er von einem Zuschauer unterbrochen. Der Mann aus dem Publikum möchte mitspielen.
Oscar Olivo, nennen wir ihn mal den Bühnenmuck, ist das verbindende Element zwischen kleinem und großem Puppentheater. Als Störenfried bringt er alles durcheinander. Doktor Donner übernimmt die Rolle des Erzählers, hinter ihm steht eine kleine Handpuppenbühne. Figuren an Holzstöckchen visualisieren die Geschichte. Das glückliche Muckgesicht ist auf die Vorderseite der flachen Pappfigur gemalt, das unglückliche auf die Rückseite. Je nach Stimmungslage wird die Figur gedreht. Doktor Donner ist noch nicht weit in der Geschichte fortgeschritten, da stürmt der Bühnenmuck auf die Bühne, das Mini-Theater geht kaputt und schon hat er die Hauptrolle. Er ist „Der kleine Muck".
Es ist das klassische Spiel im Spiel, das Soeren Voima, besser bekannt als Christian Tschirner, dazu verwendet, um die Kinder für sich zu gewinnen. Der Bühnenmuck hat viele Rollen: Er ist der Clown, der immer wieder Chaos auf der Bühne stiftet, er ist der kleine Muck, der Fremde mit ausländischem Akzent, der Anschluss in einer Gruppe sucht. So wie der kleine Muck. Ein Junge mit einem viel zu großen Turban auf einem viel zu großen Kopf, den die Kinder verspotteten. Er wohnte in der Mulackstraße. Ja, der kleine Muck ist einer aus der Nachbarschaft und lebt nicht, wie in Wilhelm Hauffs Märchen im Orient. Dort tragen ihn seine Zauberpantoffeln später hin. Ein magisches Stöckchen wird Muck später helfen, Gold zu finden. Gold, das viele Neider anziehen wird.
Christian Weise macht aus dem kleinen Muck ein comicartiges Papptheater. Nur Doktor Donner, der auch den Sultan mit großer Pappkrone mimt, und der Bühnenmuck sind echt. Alle anderen verbergen ihre echten Gesichter. Ihre Pappgesichter werden nach Stimmungslage ausgetauscht. Auch die Requisite ist aus Pappe. Der Baum im Garten, in dem Muck Gold findet, der Mülleimer im Garten in leuchtendem Orange oder die Eselsohren, die Muck später wachsen, als er vom falschen Feigenbaum isst. Trotz all dieser Künstlichkeiten ist Christian Weise die Illusion wichtig. Isst Muck von den Feigen, setzt er sich nicht selbst plump die Eselsohren auf. Das übernimmt ein tanzender Orientale mit Glitzerperücke, der auf die Bühne stürmt. Er stellt sich vor den Muck, setzt ihm einen Haarreif mit Ohren auf und tanzt wieder davon. Der Bühnenumbau fällt weg, da Christian Weise schnörkelige Malereien auf die spärlich mit Requisiten ausgestattete Bühne projiziert. Die Übergänge sind fließend, die Erzählweise rasch. Selbst ohne Kinder ist "Der kleine Muck" ein großer Spaß. Nicht nur optisch.
Der kleine Muck nach Wilhelm Hauff literarische Bearbeitung: Soeren Voima
Mit Oscar Olivo, Aram Tafreshian, Mathias Becker / Gildas Coustier / Tobias Eisenkrämer / Max Howitz / Friedericke Miller / Susanne Claus / Julian Jarnoth Steinberg / Szu-Ni Wen / Rachel Pattison
Regie: Christian Weise, Bühne und Kostüme: Moritz Müller, Bühne, Puppen und Video: Julia Oschatz, Musik: Falk Effenberger, Dramaturgie: Holger Kuhla
23 und 24. November, 2., 7., 8., 14., 15. und 21. Dezember 2014 Eintritt: 15 Euro, ermäßigt: 7 Euro
Ort: Maxim Gorki Theater Am Festungsgraben 2 10117 Berlin