An die Referendarszeit erinnern sich viele mit gemischten Gefühlen, gerade was Unterrichtsbesuche anbelangt. Es ist verständlich, dass ein Thema wie kollegiale Unterrichtshospitation nicht unbedingt ganz oben auf der Wunschliste steht. Dabei kann diese den Alltag wesentlich erleichtern und verbessern, weiß Dennis Blauert, Referent der SchiLf Akademie. Was im Einzelnen dazu beiträgt und wie Vorbereitung und Durchführung gelingen, erläutert er im Interview.
Unterricht soll spannend, lehrreich und für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte gleichermaßen positiv empfunden werden. Das Werkzeug dafür hat doch jeder aus Studium und Referendariat mitgebracht, warum sollten die Kollegen sich dann noch gegenseitig besuchen und Kritik üben?
Dennis Blauert: Ziel bei einem kollegialen Unterrichtsbesuch ist es, dass die beteiligten Kollegen dazu beitragen, den Unterricht zu verbessern, egal an welcher Stelle die Lehrkraft Unterstützung sucht. Es geht also nicht darum, eine Note zu geben für die Gestaltung und Durchführung. Vielmehr soll eine Beobachtungsstunde helfen, Stärken und Schwächen zu identifizieren und so Ansatzpunkte zum Optimieren zu finden.
So etwas setzt eine entsprechende Bereitschaft und Offenheit voraus. Wie sieht es denn damit aus innerhalb eines Schulkollegiums?
Das ist der erste Ansatzpunkt. Die Lehrkräfte müssen sich zunächst einmal darauf einlassen. Dafür ist es wichtig, sich als Team und nicht als Einzelkämpfer zu verstehen. Kritik unabhängig von der Person sowohl formulieren als auch annehmen zu können, ist nicht leicht. Man ist es nicht gewöhnt. Daher lohnt sich vorab ein Training, in dem entsprechende Formen geübt und angewandt werden. Auch das Bewusstsein, dass die Lehrkräfte als Kollektiv viel bewirken und verändern können, zählt dazu.
Kann eine Hospitation das fördern oder bedeutet sie nicht eher Stress für den Besuchten?
Dafür sind vor allem die Rahmenbedingungen wichtig, unter denen ein Besuch stattfindet. Unter anderem muss dem Ganzen eine gewissen Zeit eingeräumt werden, sowohl vorbereitend als auch im Anschluss an die Stunde. Schließlich sollte das Feedback möglichst zeitnah gegeben werden, sonst gehen wichtige Erinnerungen verloren.
Müssen dafür etwa wieder wie im Referendariat minutiöse Stunden-Konzepte erstellt werden?
Nein, das ist gar nicht gemeint. Aber es macht durchaus Sinn, im Vorfeld bereits auf Felder, die der besuchende Kollege oder die Kollegin besonders im Blick haben sollte, zu sprechen zu kommen. Manchmal möchte man ganz konkret Rat, weil man sich mit der Vermittlung eines Stoffes oder der Umsetzung im Unterricht unwohl fühlt.
Ist es daher sinnvoll oder nötig, dass die Lehrkräfte dasselbe unterrichten?
Keinesfalls, es ist oft hilfreich, dass sie den Unterricht auch aus Schülersicht erleben können. Wenn der Beobachtende den Lernstoff nicht so genau kennt, ist oftmals leichter zu testen, wie die Stunde inhaltlich aufgenommen wird, als wenn derjenige selber das Thema in- und auswendig kennt. Es geht in erste Linie nicht um die Wissensinhalte, vielmehr steht die gesamte Gestaltung und der Ablauf einer Stunde in Mittelpunkt des Interesses.
Sie sagen, mit einem gut vorbereiteten kollegialen Unterrichtsbesuch gewinnen beide, der Unterrichtende und der Beobachter. Was gehört für Sie also dazu?
Wenn alle Beteiligten ein Ziel vor Augen haben, dann tragen die Kollegen gemeinsam dazu bei, dass der Besuchte und der Beobachtende einen Gewinn davon haben. Das kann durchaus darin bestehen, dass für den zuschauenden Kollegen aus der Vorgehensweise des anderen ein Modell für die eigene Unterrichtsgestaltung resultiert - weil Methoden eingesetzt werden, die bisher von einem selber vernachlässigt wurden. Um ein qualifiziertes Feedback zu geben und zu bekommen, gehört im Vorfeld auch ein Austauschen der Fragen, die beide Beteiligten an den anderen haben, dazu. Wichtig ist es, dass sich die Kollegen über die Form der Kommunikation einig sind und sich gegenseitig wertschätzen.
Dafür sollte sich das Kollegium gut kennen, das ist je nach Schulform und Größe nicht immer von vornherein gegeben. Kann die Schulleitung hier unterstützen und fördern?
Ganz wichtig ist es, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jeder besondere Fähigkeiten und Kompetenzen hat, die nicht in Konkurrenz zu den anderen stehen. Damit wird es leichter, sich auf die kollegiale Unterrichtshospitation einzulassen. Im Idealfall resultieren solche Besuche in weiterführenden Projekten, bei denen sich beispielsweise Kollegen auf eine gemeinsame Unterrichtsgestaltung einlassen. Förderlich ist es auch, wenn den Hospitationen Schulungen vorausgehen, bei denen jeder seine Fähigkeiten zur sachlichen Kritik und natürlich auch zum neidlosen Loben trainieren kann. Entsprechende Methoden und der aktive Austausch über Erfahrungen, die jeder mit solchen Gesprächen gemacht hat, unterstützen das Kollegium langfristig dabei.
Das sollte dann weniger eine einmalige Aktion bleiben, sondern eher im Bereich von „lebenslangem Lernen" angesiedelt werden?
Das ist unbedingt empfehlenswert. Schließlich verändert sich die Zusammensetzung der Lehrerschaft und der Schüler immer wieder, sodass auch immer wieder neue Anregungen und Aufgaben hinzukommen. Und ein kollegialer Umgang sowohl mit Kritik als auch mit Lob ist immer wichtig.
Um dies im Team zu üben und immer wieder aufzufrischen, bietet Dennis Blauert an der SchiLf Akademie entsprechende Seminare zur kollegialen Unterrichtshospitation an.
Das Interview führte Susanne C. Steiger.