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Interview

Mut zu gutem Stil

Design ist zugleich sichtbar und unsichtbar. So selbstverständlich die Architektur einer Stadt mit ihren Baumeistern verbunden wird, so wenig selbstverständlich ist dies bei Designern und den von ihnen gestalteten Produkten. Petra Schwab, Journalistin und Autorin des Buches "Design in Hamburg“, sprach mit SZENE HAMBURG ZIEHT EIN! über die Liebe zum Design.

Sehen Sie einen Unterschied zwischen dem Wohnen von vor 20 Jahren und heute?

Vor 20 Jahren fingen Designer an, sich mit neuem Elan Gedanken über Kunststoffmöbel zu ma- chen. Das hatte eine ganz andere Qualität als in den 70er Jahren, als es schon einmal eine Kunst- stoffrevolution gab. Das war eher die Zeit, in der italienische Designer mit bunten schrillen Farben und Aktionen auf sich aufmerksam machten. Das heißt – Design hat sich entwickelt? Selbstverständlich! Der Wohnstil ist heute indi- vidueller geworden, weil die Produktionstech- niken feiner geworden sind. Dieser Umbruch entstand in den 90er Jahren. Leichtere Stühle konnten hergestellt werden, ökologisch ver- tretbare und auch stabilere Materialen wurden vermehrt für Möbel benutzt. Das Design wur- de puristisch. Der Designer Phillip Starck – der bei großen Herstellern viel bewegt hat – war damals maßgebend beteiligt. Diese ganze Entwicklung hat sich im privaten Wohnen nieder- geschlagen. Es geht nicht nur um funktionale Möbel, sondern um Eleganz.

Was ist der momentane Wohntrend?

Natur mit Farbakzenten setzt die Trends der Saison. Und es ist ganz eindeutig, dass sich die Liebe zu kräftigen Farben mehr ausdrückt. Nicht nur neue Kunststoffe beeinflussen uns,
es geht jetzt um eine andere Sehnsucht, die ent- standen ist. Heute legt man mehr Wert auf Er- innerungsstücke – aus dem Urlaub oder woher auch immer. Der Wohntrend ist davon geprägt, dass wir überall auf der Welt unterwegs sind. Auch die Designszene hat sich vermischt. Es wird globaler gearbeitet und es fließen mehr Ethno-Trends in das Wohndesign ein. Farben kommen aus dem asiatischen Raum, einem Sehnsuchtsort für viele Reisende. Das schlägt sich auch darin nieder, dass wir uns Stilbrüche gestatten, denn Vorbilder in fernen Ländern sind nicht perfekt – und so ein Stil funktioniert auch zu Hause gut.

Wie wohnen Sie eigentlich?

Ich habe ein paar Designerstücke – eher moderne, geradlinige Sachen, aber meine Wohnung ist gespickt mit sehr persönlichen Erinnerungs- stücken. Gerade deshalb muss die Basis etwas zurückhaltender sein, damit man sich Spielereien erlauben kann. Heute ist es uns wichtig, dass wir Wohnungen sprechen lassen. Weil die Betonung des Emotionalen ganz stark da ist. Da ist der Stuhl vom Opa oder die Salatschale der Mutter, die man geerbt hat. Diese Dinge bedeu- ten etwas.
Haben Sie zu Hause ein ganz bestimmtes Möbelstück, das Ihnen sehr am Herzen liegt?
Ich liebe meine Teeschalen, die älter sind. Die Liebe liegt bei mir eher in den kleinen Dingen. Es gibt zum Beispiel diese Nachttischlampe. Die hat noch eine alte Glühbirne. Diese Lampe bedeutet mir sehr viel.

Wo wir gerade beim Thema Licht sind – wie wichtig finden Sie denn Licht im generellen Bezug zur Einrichtung?

Sehr wichtig! Und häufig auch nicht selber lös- bar. In meiner Wohnung ist es leider auch nicht perfekt gelöst. Man braucht Berater, gerade weil es heute unglaublich tolles Licht gibt. LED- Techniken mit wärmeren und kühleren Farben. Das eröffnet einem unendliche Möglichkeiten, aber auch Möglichkeiten Fehler zu machen.

Wie würde denn Ihre Traumwohnung aussehen? Altbau oder doch Bauhaus?

Also Bauhaus ist unschlagbar, das würde ich mir immer wünschen. Bauhaus wird oft falsch verstanden. Sobald heute jemand etwas Qua- dratisches sieht, wird von Bauhaus geredet. Dabei ist das ganz großer Blödsinn. Bauhäus- ler haben ganz stark vom Bedürfnis her, von innen heraus geplant. Eine Küche wurde bei- spielsweise so geplant, wie man den Blick nach draußen haben wollte. Es gab natürlich große Fensterfronten, aber eben nicht nur! Bauhaus ist ein sehr vom Menschen geprägter Stil und eben nicht: quadratisch, praktisch, gut!

Lieber Wohnküche oder Wohnzimmer?

Ich würde gerne in der Küche leben. Die offene Wohnküche wird ja auch seit einigen Jahren propagiert. Das hat natürlich seine Tücken und wird sich wieder ändern. Weil die Küche eine Werkstatt ist und viele nicht bereit sind, in diesem Werkstattcharakter zu wohnen. Kochen ist keine sterile Angelegenheit. Heute ist es oft so: Je weniger man kochen kann, desto aufwendiger ist die Küche. Ich koche leidenschaftlich gerne und mag gemütliche Küchen, in denen man auch mal die Füße hochlegen kann. Ich würde auch den Fernseher dorthin stellen.

Welche Epoche hat Sie direkt in ihrem Wohn- stil beeinflusst?

Das waren eher die 90er Jahre. Design wurde puristisch und Möbel bekamen eine tolle Funktionalität. Zum Beispiel Tische, die sich auf eine ganz ausgetüftelte Art ausziehen las- sen oder eine Schubladentechnik, damit diese ganz leise auf und zu gehen. Es gab faszinierende kaum sichtbare Entwicklungen.

Man unterstellt Designmöbeln immer, sie seien unbequem. Was ist dran an dem Gerücht?

Allein das Wort Designmöbel gefällt mir über- haupt nicht! Es gibt gutes und schlechtes De- sign und viele Leute, die nichts davon verste- hen. Das führt dazu, dass Design nur in seiner Oberflächlichkeit wahrgenommen wird. De- sign hat einen ganz starken sozialen und öko- logischen Aspekt. Die Unternehmen haben in ihren Programmen häufig schrille Möbel, die für Medien gemacht sind und von denen kaum etwas verkauft wird. Das hat nichts damit zu tun, was ernsthafte Designer machen. Das dient nur dazu, sich mal wieder über Design lustig zu machen. Das Funktionale hat leider, zweidimensional abgedruckt, wenig Attraktivität, deshalb muss ein schräges Teil her und es wird suggeriert, Design sei immer schräg. Haben Sie in den letzen Monaten ein skurriles Möbelstück entdeckt, das Sie klasse fanden? Nein, kein skurriles. Aber es gibt tolle Rega-
le, die sich unendlich ausbauen lassen und aus sehr ausgetüftelten Einzelteilen bestehen. In der erforderlichen Präzision lassen diese sich erst seit der Verbreitung von Laser- und CNC- Technik brauchbar herstellen.

Wie wohnt denn eigentlich Hamburg im Ver- gleich zum Rest der Welt?

Nun, man braucht es ja nur mit Deutschland vergleichen: Hamburg wohnt klassischer. Auch in der Mode ist Hamburg geradliniger, zurückhaltender und das schlägt sich im Wohnen nieder.

Was haben Sie sich zuletzt für die eigene Wohnung gekauft?

Ein Sofa, aber ich muss demnächst wieder ein neues kaufen. Ein Sofa muss etwas Kommunikatives haben und anscheinend ist meines das nicht! Es gibt so fantastische Sofas, da kann man sich kaum entscheiden! Die Sitzlandschaft wird ganz modern interpretiert. Dadurch, dass man sein Laptop viel privat nutzt, erfordert das auch ein anderes Mobiliar. Ein Sofa muss mir viele Möglichkeiten bieten kön- nen. Es muss verstellbar sein, die Lehnen aus- wechselbar, man muss etwas dazwischen stellen oder die Sitztiefe verstellen können, und es sollte groß sein.

Stilistische Prognose für das private Wohnen der Zukunft?

Es wird alles noch individueller. Das sieht man an dem Handarbeitstrend, der sich durchsetzt, den ich persönlich aber nicht sehr mag. Dieses Sich-ausdrücken-Wollen über individuelle Dinge, wird sich definitiv auch im Wohnen niederschlagen. Wenn man es mit der Mode vergleicht, ist die Wohnung wie das T-Shirt. Es geht um eine Message: "Schau her: So jemand bin ich!“.
In Ihrem Buch „Design in Hamburg“ stellen Sie Designer aus verschiedenen Bereichen vor. Warum war Ihnen dieses Buch wichtig? Das Buch habe ich mit sehr viel persönlicher Leidenschaft gemacht. Man muss heute unglaublich gut sein als Designer, es ist sehr schwierig, Erfolg zu haben. Die Stadt Ham- burg behauptet von sich, eine Designmetro- pole zu sein. Aber für das Design wird wenig getan. Es muss ein Forum geschaffen werden, wo man zeigt, was es alles in Hamburg gibt. Das Buch kam nur zustande, weil es private Unterstützer gab. Von ihnen war die Hambur- ger Kreativgesellschaft der wichtigste. Zur Eh- renrettung Hamburgs muss man aber erwähnen, dass sie eine Institution der Stadt ist. Das Buch "Design in Hamburg“ ist eine Hommage an Hamburger Designer. Man will niemanden vergessen, aber kann nicht alle aufnehmen. Es war schwer eine Auswahl zu treffen und objektiv zu bleiben.

Wie innovativ ist Hamburg eigentlich?

Ich glaube, Hamburg ist innovativ, aber es braucht viel Mut, mit Innovationen rauszu- kommen. Und man muss mutige Menschen unterstützen, damit sie zeigen können, was entstehen kann!

STEPHANIE BASTIAN