Kevin Kühnert ist Juso-Vorsitzender. Der Mann hat allen den Stinkefinger gezeigt. Wir haben uns die jüngere Geschichte dieser kleinen Geste angesehen - und die ganz alte.
Das SZ-Magazin hat den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert für die Rubrik Sagen Sie jetzt nichts fotografiert. Die Vorgabe: In CDU-Führungsrunden nenne man ihn den niedlichen Kevin. Darauf antwortet Kevin Kühnert mit lässig verschlagenem Blick und berührt mit dem ausgestreckten Mittelfinger seinen Mund - Provokation geglückt.
"In CDU-Führungsrunden nennt man sie offenbar ,den niedlichen Kevin'. Einverstanden?" Der zweitbeste SPD-Stinkefinger in der Geschichte des @szmagazins kommt vom Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. @KuehniKev in "Sagen Sie jetzt nichts", Freitag im Heft pic.twitter.com/Qx0Y7L0vYU
- Michael Ebert (@MichaelEbert) February 14, 2018Wir wollten wissen, was diese Geste für eine Geschichte hat. Unser Autor Stephan Beuting ist der Sache nachgegangen:
Der ausgestreckte Mittelfinger war ursprünglich keine Beleidigung. Vor langer Zeit sollte der Mittelfinger dabei helfen, lebensgefährliche Konflikte zu entschärfen.
Die Idee stammt vom AffenIn dem Augenblick, in dem die Menschheit sich so ausgebreitet hatte, dass es zu territorialen Konflikten um Ressourcen kam, da kämpften Männer gegeneinander wie die Chefs von Gorillafamilien. Dazu gehört der erigierte Penis und - in der Folge - der erigierte Mittelfinger als Substitut des erigierten Penis, sagt Reinhard Krüger. Er ist Professor für Romanistik an der Universität Stuttgart.
Die einen kämpften um Lebensraum, andere kämpfen heute um Öffentlichkeit und Wählerstimmen. In beiden Fällen kann die symbolische Geste helfen.
"Zu den symbolischen Kämpfen gehört auch der ausgestreckte Mittelfinger. Er repräsentiert den erigierten Penis und auch die erhobene Waffe, die erhobene Faust, den antretenden Mann."Reinhard Krüger, Romanist von der Universität Stuttgart
Reinhard Krüger geht davon aus, dass der ausgestreckte Mittelfinger nie ganz weg war. Richtig populär wurde er nachweislich bei den Römern - etwa bei den Dichtern Catull und Martial und eigentlich bei allen römischen Dichtern.
Ein Gladiator für den SpiegeltitelEin besonders schönes Mittelfingerexemplar hat Reinhard Krüger in der Zeichnung eines Gladiatorenkampfs auf einer römischen Vase entdeckt. Einer der Gladiatoren hält sein Schwert mit ausgestrecktem Mittelfinger. Stephan meint, Gladiator Kevin Kühnert mit Schwert und Mittelfinger, das wäre vielleicht eine Idee für das nächste Titelbild vom Spiegel.
Dem Finger haftet immer etwas Prolliges an. Es ist die Geste des Outlaws, so empfinden wir das heute. Für den Romanisten Reinhard Krüger ist das eine Entwicklung des 16. Jahrhunderts.
"Nach dem ausgehenden 16. Jahrhundert wird eine Kulturschicht über die Gesellschaft geschoben, die dazu führt, dass emotionale Körperausdrücke plötzlich als primitiv gelten."Reinhard Krüger, Romanist von der Universität Stuttgart
Der Finger als Anti-Establishment-Geste, als Anti-Partei-Establishment-Geste. Das würde passen und auch erklären, warum Peer Steinbrück, damals mit verschränkten Armen und ausgestrecktem Finger unpassender aussah als Kevin Kühnert heute.
Schließlich war Peer Steinbrück damals Kanzlerkandidat der SPD und kein junger Juso-Emporkömmling. Vielleicht liegt es aber auch an dem angedeuteten Kuss, den Kevin Kühnert ins Bild legt.
Von medizinischer Herkunft
Bliebe noch die Frage, was den Finger bei uns zum Stinkefinger macht. Reinhard Krüger vermutet einen Zusammenhang mit ärztlichen Untersuchungen.
"Der Mittelfinger ist der längste Finger der menschlichen Hand und der Finger, mit dem Ärzte Körperöffnungen untersuchen. Bei der Gelegenheit könnte man mit dem Finger da landen, wo es nicht so gut riecht."Reinhard Krüger, Romanist von der Universität Stuttgart
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