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Resilienz: Wer wächst an Krisen?

Die Coronakrise zeigt erneut: Es gibt viele verschiedene Mechanismen, die uns stärken. Doch ein Patentrezept für die viel beschworene Resilienz gibt es nicht.

Die Folgen der Conrona-Pandemie haben viele Menschen in eine Krise gestürzt. Sei es ökonomisch oder psychisch oder durch die existenzielle Angst vor Ansteckung: Menschen sind verunsichert. In einem Artikel, im April 2020 im Fachmagazin "JAMA Internal Medicine" erschienen, warnen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor der Zunahme häuslicher Gewalt. Auch mit einem Ansteigen von Depressionen, Angstzuständen und Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen wird gerechnet. Das zeige die Erfahrung frühere Katastrophen wie etwa der Anschlag auf das World Trade Center in New York, Naturkatastrophen wie Hurrikane oder die Sars-Epidemie.

Menschen gehen mit Krisen und Schicksalsschlägen sehr unterschiedlich um. Stürzen die einen in ein tiefes Loch und entwickeln eine Depression, sind die anderen nur kurz niedergeschlagen, gehen aus der Krise jedoch unbeschadet hervor. Solche "Stehaufmännchen" nennt die Wissenschaft resilient. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Materialkunde, wo der englische Ausdruck "resilience" die Eigenschaft eines Werkstoffs beschreibt, nach starker Verformung wieder die ursprüngliche Gestalt anzunehmen. "Auf den Menschen übertragen, bezeichnet Resilienz die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende psychische Beeinträchtigung zu überstehen", erklärt Raffael Kalisch, Neurowissenschaftler und Gründungsmitglied des Leibniz-Instituts für Resilienz (LIR) in Mainz. Wie manche Menschen das machen, ist eine Frage, die die Wissenschaft seit Längerem interessiert.

Ein Pionier der Resilienzforschung ist Viktor Frankl. Der jüdische Psychiater hat im Zweiten Weltkrieg die Inhaftierung in vier Konzentrationslagern überlebt, darunter auch Auschwitz. Seine erste Frau, seine Mutter, sein Vater und seine Brüder sind im Lager gestorben. Anders als andere ist Frankl an den Erfahrungen jedoch nicht zerbrochen. Stattdessen schrieb er im Jahr 1946 das Buch "... trotzdem Ja zum Leben sagen". Später entwickelte er die Logotherapie, einen psychotherapeutischen Ansatz zur Stärkung des Geistes. Den Begriff Resilienz verwendet Frankl nicht. Sein Leben ist dennoch gern zitiertes Beispiel für einen Menschen, der trotz schlimmster Widrigkeiten psychisch gesund bleibt. (...)



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