Mütter und Väter sollten ihre Kinder bedingungslos lieben. Das ist aber nicht immer der Fall. Was zu tun ist, wenn Eltern widersprüchliche Gefühle zu ihrem Nachwuchs haben, erklärt Familientherapeutin Irmela Wiemann
STANDARD: Vor gut zwei Jahren löste die israelische Soziologin Orna Donath mit ihrer Studie "Regretting motherhood" (Mutterschaft bereuen) eine große Debatte darüber aus, ob eine Frau sagen darf, dass sie es bereut, Mutter geworden zu sein. Dürfen Eltern über solche Gefühle mit ihren Kindern sprechen?
Wiemann: Ja. In manchen Fällen ist es sogar sinnvoll, dies zu tun. Denn für die Kinder ist das Gefühl, von Mutter oder Vater abgelehnt zu werden, immer eine extreme Stresserfahrung. Oft sind sie sich auch nicht sicher, ob ihr Gefühl wirklich stimmt, reden es sich wieder aus, schieben es weg. Wächst ein Kind mit solchen emotionalen Wechselbädern auf, bekommt es Schwierigkeiten, eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln. Wenn Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, erfahren sie wenigstens, dass ihre Wahrnehmung stimmt. Ein solches Gespräch kann deshalb auch eine Entlastung sein.
STANDARD: Doch wie bringe ich meinem Kind bei, dass ich es nicht so liebe, wie es dies verdient?
Wiemann: Das ist tatsächlich sehr schwer. Ich kenne Beispiele, da waren Mütter oder Väter extrem destruktiv. Sie sagten etwa "Du hast mir mein Leben verdorben" oder "Wegen dir läuft bei mir alles schief". Das hat natürlich langfristige Folgen. (...)