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Der Berg Zion

NBA-Star Zion Williamson gilt als Basketball-Wunderkind und kommender Superstar, der schon jetzt den Unterschied machen kann. Beim Re-Start der NBA könnte er durchstarten.


Er ließ auf sich warten. Jahrelang hatte die US-Amerikanische Basketballgemeinde auf den Tag hingefiebert, an dem das Wunderkind mit dem biblischen Namen seine ersten Schritte auf NBA-Parkett machen würde.


Die Geschichten, die man sich in den Jahren des Wartens erzählte, waren Prophezeiungen: Aus dem Südosten der USA wird ein Großer kommen; einer, der alles kann, passen und werfen, krachende Dunks und demütigende Blöcke; einer, der nach seiner Karriere in einem Atemzug mit Michael Jordan und LeBron James genannt werden wird. Sein Name: Zion Lateef Williamson.


Am 22. Januar 2020 war es dann soweit. Knapp zwanzig Jahre nach seiner Geburt und sieben Monate nachdem ihn die New Orleans Pelicans an erster Stelle in der Draft ausgewählt hatten, bestritt Zion Williamson sein erstes Basketballspiel in der Profiliga NBA. Eigentlich hatte man Williamsons Debüt schon mit dem Saisonstart im Oktober 2019 erwartet, aber eine Verletzung in der Vorbereitung verhinderte es.


Wieder gesund, zeigte Zion Williamson dann sein Talent: In nur 18 Minuten und 18 Sekunden erzielte er 22 Punkte, sieben Rebounds und drei Assists - ungewöhnlich effizient für einen Liga-Neuling. Und ein Rekord: Nie hatte ein Rookie in seinem ersten NBA-Spiel mehr Punkte pro Minute erzielt. Selbst heutige Superstars wie Giannis Antetokounmpo taten sich in ihrer ersten NBA-Saison schwer.


Zwar stand gegen die San Antonio Spurs am Ende eine verdiente Niederlage, aber noch bis kurz vor Schluss hielt der junge Zion seine Mannschaft im Spiel: Im letzten Viertel verwandelte er acht seiner elf Würfe innerhalb von nur drei Minuten.


Es war ein vielversprechender Start. Ob Zion Williamson in den kommenden Jahren den Basketball tatsächlich dominieren wird, wie es viele Beobachter erwarten, ist unsicher. Sicher aber ist, er hat alle Voraussetzungen dazu: Der 1,98 Meter große Power Forward ist mit einer enormen Sprungkraft gesegnet - obwohl er rund 130 Kilogramm wiegt, was ihn zum drittschwersten Spieler der NBA macht.


Wie ungewöhnlich die Kombination von Größe, Gewicht und Athletik ist, zeigt ein Vergleich mit dem vielleicht besten Basketballer aller Zeiten: Michael Jordan war zu seinen besten Zeiten genau so groß wie Zion Williamson - aber 30 Kilogramm leichter.


Vergleiche mit den Großen des US-Basketballs sind für Williamson zur Gewohnheit geworden. Schon in der Jugend war nicht das Können der gleichaltrigen Gegenspieler das Maß, dem Williamson genügen musste, sondern vor allem der 15 Jahre ältere LeBron James. Wie James war Williamson schon als Teenager eine Sensation, beide zierten als Schüler die Cover von Sportmagazinen und wurden mit Komplimenten überhäuft.


Williamson, der als Kind nicht nur Basketball, sondern auch Fußball und American Football spielte, soll schon als Fünfjähriger seinen Eltern angekündigt haben, er werde einmal der beste Basketballer des Landes sein. Ein Wunsch, dem der Körper nicht im Wege stand: Zwischen der achten und neunten Klasse explodierte Williamson geradezu: aus 1,75 Meter wurden 1,91. „Zion ist der beste Basketballspieler, den ich je trainiert habe", sagt Lee Sartor, der Williamson in der Highschool trainierte.


Das Selbstbewusstsein wuchs noch schneller als der Körper: Egal, wie die gegnerische Mannschaft hieß; egal, welchen Spieler der gegnerische Trainer auf ihn ansetzte, der Schülersportler Williamson blieb ruhig. „Ich werde dich blamieren, so ist es einfach", beschrieb Williamson später einmal seine Gedanken, wenn er seine Gegenspieler auf dem Feld sah.


Nach der Schule ging Williamson zur Duke University. Den Blue Devils mit der Trainerlegende Mike Krzyzewski war es gelungen nicht nur Williamson, sondern auch RJ Barrett und Cam Reddish nach North Carolina zu locken. Damals galten die drei als beste Spieler des 2018er-Jahrgangs. Obwohl Williamson für Duke fantastische Statistiken auflegte und das Team insgesamt hochklassig besetzt war, gelang es im Folgejahr nicht, das NCAA-Turnier zu gewinnen. Im kollektiven Gedächtnis blieb vor allem das Lokalderby gegen die University of North Carolina aus Chapel Hill. Nach nur 30 Sekunden verletzte sich Williamson am Knie: Der linke Schuh des 130-Kilo-Manns hielt einer Drehung nicht stand und platzte auf als wäre er aus Papier. Mit Folgen nicht nur für den verletzten Williamson selbst: Nach dem Spiel fiel der Aktienkurs des Schuhherstellers Nike um mehr als 1,5 Prozent.


Inzwischen ist Zion Williamson in der NBA angekommen, wo der freundliche, junge Mann oft noch schüchtern wirkt. Seine Schultern scheinen gleichwohl breit genug, um die großen Erwartungen zu tragen die die Basketballwelt an ihn richtet. Auch zum direkten Vergleich mit LeBron James kam es schon. Der Ältere entschied das erste Duell für sich, aber Williamson schlug sich tapfer - und sammelte Anerkennung: „Das heutige Spiel passt perfekt zu ihm", sagte James nach dem ersten Aufeinandertreffen mit Williamson. „Er ist sehr explosiv, sehr schnell für seine Größe."


19 Spiele absolvierte Williamson nach seiner Verletzungspause und legte durchschnittlich 23,6 Punkte auf - dann mussten die NBA-Fans wieder warten. Die Corona-Krise zwang den US-Sport zu Spielpause. Nun soll es in der Nacht von Donnerstag auf Freitag weitergehen: Die New Orleans Pelicans läuten den Re-Start der US-Basketballer gegen die Utah Jazz ein - ausgerechnet im Pandemie-Hotspot Florida.


Ob dann auch das Wunderkind auf dem Parkett stehen wird, ist noch unsicher: Williamson verließ die Bubble in Florida zwischenzeitlich wegen eines familiären Notfalls. Nach seiner Rückkehr und der obligatorischen Quarantäne trainierte er in den vergangenen Tagen wieder mit der Mannschaft. Die Teamkollegen freut's: „Wir sind sehr viel besser mit ihm als ohne ihn. Das wissen wir", sagte Point Guard Lonzo Ball. Bis kurz vor Spielstart will das Trainerteam der Pelicans offen lassen, ob Zion schon im ersten Spiel zum Einsatz kommt.


Nicht ausgeschlossen also, dass die Fans auf das Wunderkind warten müssen, mal wieder. Ihren Erwartungen tut das keinen Abbruch: Der 20-jährige Williamson soll seine Pelicans in die Playoffs führen. Acht Spiele der regulären Saison stehen noch aus, der Rückstand auf den achten Playoff-Platz beträgt 3,5 Siege. Es wäre Williamson zuzutrauen.


Von Steffen Herrmann

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