Mit Mord und blutverschmierten Messern kennen sich Hildegard Ganßmüller und Jutta Wilkesmann aus. Es ist ein Wunder, dass die Polizei die beiden Damen noch nie um Hilfe gebeten hat. Schließlich haben sie in den vergangenen Jahrzehnten ein beachtliches Kriminalwissen angehäuft. In ihrer Krimibuchhandlung „Die Wendeltreppe" in Frankfurt-Sachsenhausen verkaufen die Damen Bücher, aus deren Umschlag buchstäblich das Blut tropft.
Feste Dachzeile Feste HeadlineKrimis mit Lokalkolorit gibt es mittlerweile unzählige und aus sämtlichen Regionen der Republik. Hier ein paar Tipps für Spannung mit Rhein-Main-Bezug:
Regional-Krimis Fischer und Arjouni„Einzige Liebe" von Gerd Fischer: Eintracht-Krimi, der im Frankfurter Fußball- und Fan-Milieu spielt. „Die Kayankaya-Romane" von Jakob Arjouni: Fünf Krimis um den Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya.
„Die Sterntaler-Verschwörung" von Jan Seghers: Zum fünften Mal ermittelt Kommissar Marthaler. Zwei Leichen - eine in Osthessen und eine in Frankfurt.
Die Krimi-Expertinnen der „Wendeltreppe" empfehlen außerdem: „Der Bruder" von Joakim Zander: „Syrien und Stockholm, Einsamkeit und Extremismus - ein irres Buch in poetischer Sprache aus Schweden."
„Halleluja" von Johanna Alba & Jan Chorin: „Ein fussballverrückter Papst auf der Spur des Verbrechens - ein heiterer wie spannender Krimi." „Mord im Paradies" von Robert Thorogood: „Ein englischer Inspektor in der Karibik und eine Leiche im Teehaus - ein modernes Whodunit, klassisch britisch."
„Die Wendeltreppe" eröffnete 1989 in Frankfurt-Sachsenhausen und war laut Homepage die erste Kriminalbuchhandlung auf dem europäischen Festland. Heute ist sie in der Brückenstraße 34 zu finden. prsh www.die-wendeltreppe.de
Krimis galten lange als Schmuddelkind der Literatur. Wer Neuerscheinungen lesen wollte, musste in Buchhandlungen an Bahnhöfen oder Flughäfen fahren. Dort fand man sie in einer verstaubten Ecke. Inzwischen haben Kriminalromane den Respekt der Kritiker und die Spitze der Bestsellerlisten erobert. Historische Whodunits, Krimis für Frauen und nicht zuletzt Lokalkrimis - für jeden Geschmack findet sich was Passendes.
„Die wenigsten Lokalkrimis sind wirklich gut", sagt Hildegard Ganßmeier. Es gebe gute Autoren wie Jakob Arjouni oder Jan Seghers. Doch oft folge einem guten Lokalkrimi eine Welle von Schrott und Mittelmaß. Natürlich sei es amüsant, wenn man den Ort kenne, an dem eine Leiche gefunden werde. „Aber ohne Lokalbezug hätten wir nur wenige dieser Krimis im Sortiment." Ihre Kollegin pflichtet ihr bei: „Frankfurt ist ein schlechtes Pflaster für Krimis." Einerseits gelte die Stadt als „Sündenbabel", in der es Rauschgift, Rotlicht und Banken gebe. Dem entgegen stünde eine merkwürdige Apfelweinseligkeit. Die wenigsten Autoren könnten stilsicher durch diese Klischees navigieren. „Die Sachen, die man da lesen muss - das ist deprimierend."
Jutta Wilkesmann erinnert sich an einen dieser deprimierenden Versuche: „Eine Mutter kommt mit ihrem unschuldigen, blondgelockten Töchterlein am Hauptbahnhof an. Dort stürzt sich der erste Junkie auf sie und rammt ihr eine Spritze in den Arm, um sie abhängig zu machen. Und hinterher saß man beim Apfelwein, schunkelte und die Welt war in Ordnung." Schrecklich sei das, „furchtbar". Auch Krimis über Eintracht Frankfurt empfehlen die Damen nur echten Eintrachtfans. „Das sind beliebte Geschenke", sagt Ganßmeier, „wenn auch nicht die Spitze des Kriminalromans."
Es fällt den beiden Damen nicht leicht, einen guten Kriminalroman zu finden: „Manchmal lesen wir wochenlang Mist, bis endlich mal ein gutes Buch dabei ist", sagt Ganßmeier. „Der gute Krimi öffnet eine Tür in die Gesellschaft", sagt Jutta Wilkesmann. Es sei das Genre, das am schnellsten auf gesellschaftliche Veränderungen reagiere. „Diese Verbindung zur Realität fand ich schon immer toll." Auch ein Blick über die Grenzen zu werfen, könne helfen. „Die Krimikultur in Europa unterscheidet sich sehr stark", sagt Wilkesmann. Auch durch Literatur von Migranten komme ein frischer Wind in das Genre. „Die schreiben lebendig, verrückt und schräg."
Dabei hatten die Damen nie geplant, eine Kriminalbuchhandlung zu eröffnen. „Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat", sagt Wilkesmann. Über einen Nebenjob beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels habe sie einige ältere Frauen kennengelernt. „Das war eine tolle Szene. Alle haben geraucht und der Rotwein ist in Strömen geflossen." Belesen und vornehm seien die Damen gewesen - und Krimileserinnen. „Damals war es nicht einfach, einen Krimi zu bekommen."
Und so eröffnete „Die Wendeltreppe" 1989 als erste Krimibuchhandlung auf dem europäischen Festland. Zuvor hatte sich laut Homepage nur „Murder One" in London auf Kriminalromane spezialisiert.