Wenn Thomas Sabo spricht, klingen seine Worte weich, der fränkische Dialekt legt sich wie eine Wattewolke auf die Silben, dämpft die Schärfen, rundet die Kanten. "Ich segne jedes Design selbst ab", sagt der Unternehmer, der mit silbernem Modeschmuck reich und sehr bekannt geworden ist.
An diesem Frühlingsmorgen hängt Tau auf der Wiese, die Sonne schiebt sich über die Weinberge am Stadtrand von Wien. Thomas Sabo, 61, Schnauzer, weißgraue Haare bis zu den Schultern, trägt die Uniform der fitten, doch zugleich in die Jahre gekommenen Männer: bequeme Turnschuhe, Outdoorjacke, schwarze Jeans. Mit raschen Schritten geht er über den Kies an der Sisi-Kapelle vorbei. "Am Himmel" heißt das Areal, es befindet sich im 19. Bezirk Wiens, der offiziell Döbling heißt und inoffiziell "DöBlingBling" genannt wird - weil hier so viele Villen stehen. In eine davon ist Thomas Sabo vor ein paar Monaten zusammen mit seiner Frau Rita und Babytochter Venezia gezogen. Es ist ein Neuanfang in Wien für die ganze . Und für sein Unternehmen, das zuletzt nicht mehr glänzte.
Zusammen mit seiner Frau und dem ältesten Sohn Santiago, 21, hat Thomas Sabo die neue Marke Saboteur gegründet. Verkaufte er bisher erschwinglichen , strebt er nun ins Luxussegment und will Nobeljuwelieren wie Tiffany oder Bulgari Konkurrenz machen. Einfache Saboteur-Ohrstecker kosten etwa hundert Euro. Es gibt aber auch Piercings mit Diamanten für 1000, Edelstahluhren für 3000, Talisman-Ketten für knapp 10.000 Euro. Die Schmuckwelt wird er damit zwar nicht verändern. Aber er will sich zumindest selbst beweisen, dass er es in einem Alter, in dem andere auf ihren Ruhestand zusteuern, immer noch draufhat.
Ende Mai eröffnete Sabo in den ersten Saboteur-Shop, Techno-Legende DJ Hell legte auf. Das mag auf den ersten Blick nicht zu Thomas Sabo passen, pflegte er doch bisher ein Rocker-Image. Er inszeniert sich in Cowboystiefeln mit Absatz, trägt dicke Ringe und Lederkluft. Seine Lieblingsband ist The Cure. Unmelodische Elektromusik ist eigentlich nicht sein Genre. Doch wenn seine zwei Söhne in einen Techno-Club wollen, "da muss der Papa mit", sagt Thomas Sabo.
Vor vier Jahren hatte Sabo einen Bandscheibenvorfall. Daraufhin wollte er beruflich kürzertreten, zog sich aus der Geschäftsführung seines Unternehmens zurück. Der Arzt empfahl ihm, seinen Bewegungsradius zu erweitern. Seither spaziert er jeden Morgen um sechs Uhr zwei Stunden durch Wien, macht mit dem Smartphone Fotos vom Sonnenaufgang und verschickt von unterwegs "liebe Messages" an seine Frau Rita, wie er erzählt.
Nur mit seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen hat es nicht geklappt. Der Silbertitan, so wird er von seinen Angestellten genannt, ist zurückgekommen, leitet wieder selbst die Geschäfte. Schuld sind die Pandemie, die geschlossenen Geschäfte und das Homeoffice. In Krisen wie Corona brauche es eben den Chef, vor allem bei der Mitarbeitermotivation, findet Sabo.
Aber immerhin steht ihm seit diesem Jahr sein Sohn Santiago zur Seite. In ihrer Zentrale in Lauf an der Pegnitz nordöstlich von Nürnberg beschäftigen die Sabos 500 ihrer weltweit etwa 1200 Mitarbeiter. Santiago Sabo ist heute in etwa so alt, wie sein Vater es war, als er 1984 das Unternehmen gründete. "Es ist sicherlich ein gewisser Druck und eine Bürde, der Sohn von Thomas Sabo zu sein", sagt Thomas Sabo. "Aber ich habe meinen Söhnen keinen Druck gemacht und nicht versucht, sie in ein Schema zu pressen. Eliteschulen, Latein hin und her, den ganzen Zirkus - das habe ich meinen Kindern nie angetan." Santiago steige aus freien Stücken in die Firma ein. Sein zweiter Sohn zeige nicht so viel Interesse am Familienbetrieb. Er macht eine Ausbildung in Audiodesign.
Thomas Sabo verbrachte seine Kindheit bei seinen Tanten und Großeltern in Niederösterreich, seine Jugend bei seinem alleinerziehenden Vater in Nürnberg. Mit 14 brach er die Schule ab. "Ich hatte keine große Auswahl an Möglichkeiten", sagt er. Also begann er eine Ausbildung zum Feinmechaniker, die Lehrstelle hatte ihm sein Vater Franz verschafft. Nach dem Abschluss arbeitete Sabo zunächst im Gartenbau, in der Gastronomie, machte Gelegenheitsarbeiten. Er sparte Geld, träumte im fränkischen Nürnberg von der weiten Welt.
Mit 22 reiste er mit dem Rucksack ins indische Goa, in den Siebzigerjahren Pilgerziel der Hippies und Aussteiger. Von Indien flog er weiter nach Sri Lanka, landete schließlich in Thailand. In Chiang Mai traf er durch Zufall einen Schweizer, der ihn in den Schmuckhandel einführte und ihm Lieferanten vorstellte. Kurzerhand habe er seinen Canon-Fotoapparat gegen Schmuck getauscht und den Schmuck später für mehr Geld weiterverkauft, erzählt Sabo. So wurde er vom Rucksacktouristen zum Schmuckhändler. Schon damals ließ er sein erstes eigenes Design fertigen, einen Ring in Form einer Schlange mit Rubinen als Augen.